Wachstumsdynamik im Spannungsfeld zwischen lockerer Geldpolitik und restriktiver Fiskalpolitik
Wien (wifo) - Die Wirtschaft wird sich in der EU nach der Konjunkturabschwächung 2012 wieder erholen.
Bis 2017 dürfte das BIP der EU 27 um durchschnittlich 1,4% pro Jahr steigen, in den USA sollte das Wirtschaftswachstum
weiterhin etwas höher ausfallen (+2,4% pro Jahr). Der Welthandel dürfte bis 2017 um fast 6% pro Jahr
expandieren, mehr als doppelt so rasch wie in der von der Finanzmarktkrise geprägten Periode 2007/2012.
Die gravierendsten Probleme bestehen in den Industrieländern im hohen Budgetdefizit und dem anhaltenden Anstieg
der Staatsschuldenquote, aber auch in den gesamtwirtschaftlichen Folgen der Strategien zur Überwindung der
Schuldenkrise, insbesondere in der dramatischen Zunahme der Arbeitslosigkeit.
Die Finanzkrise 2008 und die dadurch erzwungenen Konjunktur- und Bankenrettungspakete erhöhten die Staatsverschuldung
massiv. Die nachfolgende Sparpolitik und die sich vertiefende Euro-Krise dämpften die Nachfrage von Unternehmen
und Haushalten im Euro-Raum so sehr, dass das BIP insgesamt bereits 2012 wieder schrumpfte (-0,3%). Gleichzeitig
stiegen die Arbeitslosenquote seit 2008 im Durchschnitt von 7,7% auf 11,4% und die Staatsschuldenquote von 67,8%
auf 91,3%. Am stärksten verschlechterte sich die Lage der Staatsfinanzen in jenen Euro-Ländern, die von
der Finanzmarktkrise am stärksten betroffen waren und die danach die rigorosesten Sparprogramme umsetzten
(Griechenland, Irland, Portugal, Spanien).
Das mittelfristige Wachstum der europäischen Wirtschaft könnte daher durch die Umsetzung des Fiskalpaktes
dann nachhaltig gedämpft werden, wenn versucht wird, das Ziel eines strukturellen Defizits von unter 0,5%
des BIP rasch und mit radikalen Sparmaßnahmen zu erreichen (wie etwa in Spanien): 25 der 27 EU-Länder
wiesen 2012 ein konjunkturbereinigtes Defizit von mehr als 0,5% des BIP auf, der EU-Durchschnitt lag bei 2,7%.
Wenn alle diese Länder gleichzeitig ihre Konsolidierungsmaßnahmen intensivieren, werden einander die
negativen Rückkoppelungseffekte verstärken.
Die Geldpolitik hat aus diesen Entwicklungen gelernt: Im Sommer 2012 wurde das Programm der Outright Monetary Transactions
(OMT) beschlossen. Demnach wird die EZB in Zukunft unter bestimmten Bedingungen Anleihen von Euro-Staaten in unbeschränkter
Höhe ankaufen. Diese Ankündigung hatte einen massiven Rückgang der Anleihezinssätze in den
südeuropäischen Ländern zur Folge.
Die mittelfristige Prognose des WIFO geht davon aus, dass auch die Fiskalpolitik ihren Kurs aufgrund der Erfahrungen
mit den Folgen der massiven Sparpakete ändern wird: So dürfte das Tempo, in dem das Ziel eines strukturellen
Defizits von 0,5% des BIP erreicht werden soll, gedrosselt werden (der Fiskalpakt setzt diesbezüglich keine
Frist). Gleichzeitig wird die Politik auch expansive Impulse setzen.
Dennoch wird die Unsicherheit über die Bewältigung der Zinsen-, Banken- und Schuldenkrise im Euro-Raum
noch einige Zeit bestehen bleiben. Daher dürfte sich der Wechselkurs des Euro gegenüber dem Dollar bis
2017 leicht abschwächen (auf 1,21 $). Der Erdölpreis (Brent) dürfte 2013 auf etwa 100 $ je Barrel
sinken, bis 2017 aber wieder auf etwa 115 $ steigen. Die Zinssätze werden im Durchschnitt des Prognosezeitraumes
sowohl in den USA als auch in Europa auf dem niedrigsten Niveau der Nachkriegszeit liegen (Übersicht 1).
Diese Bedingungen ermöglichen nach Überwindung der Konjunkturschwäche in den Industrieländern
2012/13 eine stetige Belebung der Weltwirtschaft. Der Welthandel dürfte bis 2017 um fast 6% pro Jahr wachsen.
Die Exporte der USA werden mittelfristig stärker expandieren als ihre Importe. Für die Überschussländer
Deutschland, Russland und die OPEC ergibt die Prognose einen umgekehrten Verlauf, also ein höheres Wachstum
der Importe als der Exporte. Die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen sollten sich daher mittelfristig verringern.
Die Weltproduktion wird sich nach 2013 merklich erholen und mittelfristig um 4,0% pro Jahr zunehmen (Übersicht
1). Wie in den vergangenen 20 Jahren wird die Gesamtproduktion in den USA (+2,4% pro Jahr) etwas rascher expandieren
als im Durchschnitt aller Industrieländer (+2,0%), im Euro-Raum sowie in Japan aber etwas langsamer (+1,1%
bzw. +1,5% pro Jahr). In den sechs größten neuen EU-Ländern wird die Dynamik mit einer Wachstumsrate
von 3,1% pro Jahr deutlich höher sein als im Durchschnitt der EU (+1,4% pro Jahr). China und Indien werden
weiterhin das höchste Wirtschaftswachstum verzeichnen (+7,9% bzw. +7,7% pro Jahr). Für die anderen Entwicklungs-
und Schwellenländer wird ein Wirtschaftswachstum von 4,4% (OPEC), 4,1% (Lateinamerika) bzw. 4,9% (Afrika)
prognostiziert.
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