Deutschland überschätzt, USA und China bisher unterschätzt, Dienstleistungsexporte
deutlich wichtiger
Wien (ba) - Eine gemeinsame Analyse von OECD und WTO bricht mit der konventionellen Ermittlung von Außenhandelsdaten,
welche die Handelsströme jedes Mal bei der Überschreitung einer Grenze misst. Stattdessen wird auf die
Wertschöpfung abgestellt, die ein Land bei der Produktion von Exportwaren und -dienstleistungen erwirtschaftet.
Damit berücksichtigt diese Datenbank aus welchen in- und ausländischen Komponenten und Dienstleistungen
sich die Gesamtexporte eines Landes zusammensetzen. „In Ergänzung der bekannten Erfassung der Handelswerte
für Ex- und Importe zwischen den Ländern geben die neuen Außenhandelsdaten ein klareres Bild darüber,
wie globale Wertschöpfungsketten Handelsbeziehungen und Wirtschaftsaktivitäten beeinflussen. Die Auswirkungen
von wirtschaftlichen Schocks aus dem Ausland auf vor- bzw. nachgelagerte Produktionsbereiche und damit in weiterer
Folge auf Einkommen und Beschäftigung im Inland wird greifbarer“, fasst Bank Austria Chefökonom Stefan
Bruckbauer zusammen.
Die Ökonomen der Bank Austria haben die neuen Außenhandelsdaten für Österreich ausgewertet.
Die detaillierte Analyse „Die neue Sicht auf den Außenhandel“ ist auf der Homepage der Bank Austria frei
verfügbar. „Die wichtigste Erkenntnis unserer Auswertung der neuen Außenhandelsdaten ist, dass die Bedeutung
einzelner Handelspartner für die österreichische Wirtschaftsentwicklung völlig neu eingeschätzt
werden muss“, analysiert Bruckbauer. „Während der Außenhandel mit Deutschland für die österreichische
Konjunktur bislang überschätzt wurde, wurde der Einfluss der USA aber auch von China erheblich unterschätzt“,
so Bruckbauer weiter.
Deutschland ist zwar auch gemäß Wertschöpfungsansatz die Nummer Eins im österreichischen Außenhandel
und aufgrund der absoluten Volumina mit Abstand am Wichtigsten für die Erhaltung des Beschäftigungs-
und Wohlstandsniveaus in Österreich. Jedoch ist die Bedeutung des Außenhandels mit Deutschland hinsichtlich
des Einflusses auf die Konjunktur in Österreich nur etwa halb so stark, wie aufgrund der traditionellen Außenhandelsbetrachtung
anzunehmen wäre. Der Anteil der österreichischen Exporte nach Deutschland sinkt gegenüber der reinen
Betrachtung auf Basis der Warenexporte von über 30 Prozent auf nur noch 16,4 Prozent, denn große Teile
der österreichischen Exporte nach Deutschland sind Vorprodukte und -leistungen, die in Deutschland verarbeitet
und wieder exportiert werden. Das heißt, der österreichische Wertschöpfungsanteil bei österreichischen
Exporten nach Deutschland ist niedriger. Auch die Importe aus Deutschland beinhalten wiederum viele Vorprodukte
für die heimische Produktion, was auch den deutschen Anteil an den gesamten österreichischen Importen
geringer ausfallen lässt, als bei konventioneller Betrachtung. Der Importanteil geht von fast 40 Prozent auf
nicht ganz 23,5 Prozent zurück.
Der konjunkturelle Einfluss der USA ist dagegen höher, sogar der zweitstärkste nach Deutschland von allen
Handelspartnerländern. „Der konjunkturelle Einfluss der Außenhandelsentwicklung mit den USA und Italien
auf Österreich ist gemeinsam fast so groß, wie jener von Deutschland. Das liegt daran, dass ein Exporteuro
in die USA oder nach Italien einen höheren österreichischen Wertschöpfungsanteil als ein Exporteuro
nach Deutschland enthält“, so Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl, der Autor der Studie. So ist auch
der chinesische Einfluss höher, als jener von Ungarn oder Tschechien. Generell sinkt somit auf Wertschöpfungsbasis
der Handelsanteil mit Partnerländern mit denen ein reger Warenaustausch auch auf Produktionsvorstufen durchgeführt
wird, wie den europäischen Nachbarländern sowohl im Westen als auch im Osten. Der Handelsanteil von zumeist
weiter entfernt liegenden Ländern, wie etwa China oder Brasilien ist hingegen tendenziell höher, da wenig
Wertschöpfung aus anderen Ländern in die exportierten Produkte eingeht.
Hohe inländische Wertschöpfungskomponente der österreichischen Exporte
Österreich ist als relativ kleines Land sehr stark in die arbeitsteilig organisierte globale Wertschöpfungskette
integriert. Während weltweit rund ein Drittel der importierten Vorprodukte in Exporte eingehen, ist es in
Österreich etwa die Hälfte. Der ausländische Wertschöpfungsanteil an den österreichischen
Exporten ist mit 24,4 Prozent deutlich höher als jener von großen Ländern, wie den USA (17,5 Prozent)
oder der Europäischen Union insgesamt mit sogar nur 13,4 Prozent. Dagegen weisen ähnlich große
Länder, wie etwa die Schweiz, Belgien oder Dänemark Anteile von über 30 Prozent auf und selbst die
deutlich größeren Wirtschaftsnationen Deutschland und Frankreich liegen in einem entsprechenden Ranking
noch vor Österreich. „Im Vergleich zu Ländern ähnlicher Größe ist die inländische
Wertschöpfungskomponente der heimischen Exporte mit rund drei Viertel äußerst hoch.“, so Pudschedl.
Einige Sektoren der heimischen Wirtschaft weisen jedoch eine überaus starke ausländische Wertschöpfungskomponente
an den gesamten Exporten auf. Dazu zählen insbesondere die Fahrzeugerzeugung mit einem Anteil von fast 40
Prozent, sowie die Metallherstellung, die Chemische Industrie und der Maschinenbau. Der heimische Wertschöpfungsanteil
ist dagegen am Bau und vor allem auch bei Dienstleistungen sehr hoch. „Bei unternehmensnahen Dienstleistungen und
Finanzdienstleistungen liegt der inländische Wertschöpfungsanteil bei über 90 Prozent der Gesamtexporte.
Dienstleistungen und insbesondere Finanzdienstleistungen ´Made in Austria´ tragen daher zum österreichischen
Volkseinkommen besonders viel bei“, so Pudschedl.
Dienstleistungen viel wichtiger als bisher gedacht
„Nach der Wertschöpfungsmethode werden nicht nur Dienstleistungen für sich sondern auch die Wertschöpfung
von Dienstleistungen bei der Produktion von Waren erfasst und damit auch ihr Anteil an den gesamten Güterexporten.
Damit erhöht sich der Dienstleistungsanteil an den Gesamtexporten in Österreich von traditionell rund
einem Viertel auf beinahe die Hälfte. Dienstleistungen sind also viel wichtiger für die Gesamtexporte
als bisher angenommen“, meint Bruckbauer. Der österreichische Anteil liegt aufgrund des starken Produktionssektors
erwartungsgemäß etwas unter dem Durchschnittswert in der Europäischen Union von 55 Prozent, aber
ganz knapp vor Deutschland. Ein entsprechendes Ranking wird wenig überraschend von Luxemburg angeführt,
auch Irland und Großbritannien sind unter den Spitzenreitern. Selbst in der Verarbeitenden Industrie gibt
es mit der Fahrzeugherstellung, dem Maschinenbau und der Holz- und Papierindustrie einige Sparten, die auf beachtliche
Dienstleistungsanteile von weit über 30 Prozent an den Gesamtexporten kommen.
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