Wien (odeon) - Das 1973 von Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits gegründete Serapions Ensemble (urspr. Pupodrom)
hatte seine Spielstätte lange Zeit in einem ehemaligen Kino am Wiener Wallensteinplatz. Nach zahlreichen Gastspielen,
u.a. im Teatro Español in Madrid, dem Teatre Romea in Barcelona, dem Théâtre de Paris, dem
Teatro Petruzelli in Bari, dem Hamburger Schauspielhaus, dem Folketeatret in Kopenhagen, bei Festivals in Jerusalem,
Brüssel, Frankfurt, Zürich, Belgrad, Bordeaux und Nancy, und nicht zuletzt nach dem Erfolg der Produktion
„Anima“ 1986 war es schließlich nicht mehr länger tragbar, wieder in den kleinen Keller am Wallensteinplatz
zurückzukehren. Es musste etwas geschehen.
Eine neue Spielstätte
Der große Saal in der Börse für landwirtschaftliche Produkte im 2. Bezirk war am Ende des 2.
Welt-krieges durch einen Brand schwer beschädigt worden und blieb daher zweiundvierzig Jahre ungenützt.
Auf der Basis der Erfolge des Serapions Ensembles entschlossen sich Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits im Jahr 1987
den Saal anzumieten und als Theater zu adaptieren. Schon davor hatten sie, im Einverständnis mit den Eigentümern,
bei der Behörde um einen Eignungsbescheid eingereicht, um die Kosten einer eventuellen Adaption feststellen
und deren Finanzierungsmöglichkeit prüfen zu können. Vor 25 Jahren wagten sie dann den Sprung über
den Abgrund und landeten mit ihrem Serapions Ensemble erfolgreich in der Wiener Taborstraße 10. Den Saal
nannten sie, in Anlehnung an das griechische Odeion, das ein überdachter, freier Platz für Tanz- und
Musikaufführungen war, Odeon. Am 8. Juni 1988 wurde er mit der Premiere von „Axolotl Visionarr“ eingeweiht.
Finanzierung des Odeon
Für die Adaption des Saales und in weiterer Folge der Nebenräumlichkeiten waren insgesamt rund 2.500.000
Euro erforderlich. 82 % dieses Betrags wurden aus den Einnahmen an der Abendkassa und den internationalen Gastspielreisen
erwirtschaftet. 18 % der Kosten trug die Stadt Wien durch gelegentliche Zuwendungen im Laufe der 25 Jahre bei,
der Bund blieb all die Jahre an der Einrichtung des Odeon unbeteiligt.
30 Produktionen des Serapions Ensembles im Odeon
30 Produktionen wurden bisher im Odeon produziert, die meisten davon wurden öfter als 100-mal gespielt
und fanden großen Zuspruch beim Publikum:
Axolotl Visionarr (1988) / Pan Hoffmann (1989) / Heil’ge Hochzeit (Wiederaufnahme, 1989) / Kispotlatsch (1990)
/ Karacho (1991) / Nu (1992) / Kommt und seht … Guernica (1992) / [wi, monâmi] (1992) / Einen Schatten halte
ich umarmt … (nach Tankred Dorst, 1993) / 17+4 (1995) / Seltsame Unruhe (1996) / Lazarus (von Franz Schubert, 1997)
/ Xanadu (1997) / Anne Frank (von Grigori Frid, 1998) / Marie Magdaleine (von Jules Massenet, 1999) / Marco Polo
(von Tan Dun, 1999) / Nemo, nemo loquitur (1999) / Ni más, ni menos (2000) / Nunaki (2001) / Persephone
(von Igor Strawinsky, 2002) / Ciao Mama (2002) / Serapion, mon amour (2004) / Xenos (2005) / Com di com com (2007)
/ Alcione (von Marin Marais, 2008) / Follow me – Masque of Temperaments (mit Lorenz Duftschmid, 2009) / School
of Night (2009) / Engel aus Feuer (von Sergej Prokofjew, 2010) / Voilà (2011) / PaRaDiSo (in Arbeit, 2013)
Internationales Ensemble
Im Laufe der Theaterarbeit bildete sich ein international zusammengestelltes Ensemble heraus, das wesentlich zur
weiteren Entwicklung des nonverbalen, visuellen Theaters beitrug und beiträgt. In den vergangenen Jahren setzte
sich das Ensemble, das eine universelle Bühnensprache entwickelte, u.a. aus Menschen aus Schottland, den USA,
Mexiko, Finnland, Griechenland, Kolumbien, Argentinien, Brasilien, Kuba, Südkorea, Portugal und Österreich
zusammen.
Internationale Gäste
Neben den Produktionen des Serapions Ensembles wurden in den 25 Jahren auch zahlreiche Gastveranstaltungen im Odeon
gezeigt. Peter Brook, Ruth Berghaus, Yuri Lyubimov, Silviu Purcarete, Hans Neuenfels, Jossi Wieler, um nur einige
Regisseure zu nennen, bereicherten das Programm im Odeon ebenso wie die Tänzerinnen und Tänzer Carlotta
Ikeda, Ko Murobushi, Min Tanaka, Renato Zanella und nicht zuletzt das internationale Festival „ImPulsTanz“. Werke
zeitgenössischer Komponisten wie Beat Furrer, Harrison Birtwistle, Wolfgang Mitterer, George Crumb und Salvatore
Sciarrino konnte man auch außerhalb des Festivals „Wien Modern“ im Odeon hören, anfangs bei den Konzerten
des „Klangforum“ und danach bei Auftritten zahlreicher anderer Musikensembles oder als Bühnenmusik für
das Serapions Ensemble. Weiters standen regelmäßig Konzerte mit Musik aus aller Welt auf dem Programm
des Odeon. Die Architekten Renzo Piano, Sir Peter Cook, Jean Nouvel und Patrik Schumacher vom Team Zaha Hadit hielten
bis auf den letzten Platz besetzte Vorträge im Odeon. „Literatur im Herbst“ bringt seit vielen Jahren zahlreiche
Autorinnen und Autoren aus Österreich und der ganzen Welt ins Haus. Lesungen mit Ernst Jandl, H. C. Artmann,
Christoph Ransmayr, Sumaya Farhat-Naser u.a. bereicherten in den 25 Jahren das Literaturprogramm.
Breit gefächertes Publikum
Das Serapions Ensemble im Odeon hat nicht nur eine Fangemeinde, die es über die Jahre hinweg begleitet hat,
sondern spricht auch – nicht zuletzt aufgrund seiner universellen Verständlichkeit – immer neues Publikum
aus allen Bevölkerungsschichten und zahlreiche Wien-Gäste an. Auch die Gastproduktionen erfreuen sich
großen Publikumszuspruchs.
Jubiläumsjahr
Ein erster Beitrag zum 25-jährigen Jubiläum des Odeon wird die neue Produktion des Serapions Ensembles
sein, die Ende April Premiere hat. Sie trägt den Titel „PaRaDiSo“ und erzählt davon, dass Kunst nur durch
die ausgeglichene Balance von Materiellem und Geistigem zustande kommen kann, dann aber, als ein Kind der Freiheit,
eines der letzten Paradise bildet.
Eine Publikation über das nunmehr vierzig Jahre währende Zusammenwirken von Ulrike Kaufmann und Erwin
Piplits und die Beweggründe für diese u.a. mit drei Nestroys ausgezeichnete Lebensarbeit wird im November
herauskommen und dann mit einer Festvorstellung präsentiert werden.
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