An der TU Wien werden mechanische Hilfsmittel entwickelt, die Personen
mit Nervenerkrankungen Kraft und Bewegungsfreiheit zurückgeben.
Wien (tu) - Exoskelette kennt man aus Superheldenfilmen, in denen sie als panzerartige Spezialanzüge
übermenschliche Kräfte verleihen. In Wirklichkeit hat Forschung an Exoskeletten einen ganz anderen Zweck:
An der TU Wien werden Exoskelette entwickelt, die Menschen mit degenerativen Nervenerkrankungen oder Querschnittlähmungen
einen Teil ihrer Bewegungsfähigkeit zurückgeben. Dazu benötigt man weder Batterie noch Motor: Nur
durch Seilzüge und Federn wird der Bewegungsapparat unterstützt.
Mechanische Konstruktion hilft bei Armbewegungen
„Bei gewissen degenerativen Nervenerkrankungen können die Muskeln zwar noch bewusst angesteuert werden, kontrollierte,
gezielte Bewegungen sind aber kaum mehr möglich“, erklärt Prof. Margit Gföhler vom Institut für
Konstruktionswissenschaften und Technische Logistik der TU Wien. Gemeinsam mit Werner Reichenfelser und Jakob Karner
entwickelt sie daher eine mechanische Vorrichtung, die auf die Arme geschnallt werden kann und dann die Bewegung
unterstützt.
„Für die Patienten ist es oft einfach nicht möglich, das Gewicht des eigenen Arms zu halten – schon gar
nicht, wenn eine zusätzliche Last im Spiel ist, etwa ein Getränkebecher, der zum Mund geführt werden
soll“, sagt Margit Gföhler. Das Exoskelett unterstützt die Bewegungen durch ein ausgeklügeltes System
von Seilzügen und Federn
Hilfe im Alltag
„Einerseits kann das mechanische System zusätzliche Kraft aufbringen, wenn eine Bewegung erleichtert werden
soll, andererseits kann es durch eine Bremse das Gewicht der Arme kompensieren, damit sie nicht unkontrolliert
absacken“, sagt Werner Reichenfelser. Das Exoskelett wurde in zwei Versionen konstruiert: Eine Variante wird an
einem Rollstuhl fixiert, eine zweite, leichtere Variante wird ohne Rollstuhl am Körper getragen.
Wichtig war für das Forschungsteam, dass die Konstruktion alltagstauglich ist. Es gibt bereits größere,
schwerere Modelle, die in der klinischen Rehabilitation für das Training benutzt werden. Das Gerät, das
an der TU Wien entwickelt wird, soll allerdings möglichst ohne fremde Hilfe zu Hause eingesetzt werden. „Das
bedeutet auch, dass wir auf komplizierte Kalibrierung und unnötig aufwändige Elektronik verzichten“,
sagt Margit Gföhler.
Einsatz im Rehabilitationszentrum
Derzeit ist das Exoskelett im italienischen Rehabilitationszentrum Villa Beretta in Costamasnaga, Italien im Einsatz.
Im Rahmen einer klinischen Studie verwenden es dort Patienten mit neurodegenerativen Nervenerkrankungen oder hoher
Querschnittlähmung als Unterstützung, um den möglichen Bewegungsraum des Armes zu vergrößern.
Künstliche Aktivierung der Muskulatur durch Neuromuskuläre Elektrostimulation macht das Exoskelett auch
für Menschen interessant, die ihre Arme gar nicht mehr bewegen können. Entweder werden Signale von anderen
Muskeln verstärkt, oder man sucht über Augenbewegungen aus einem Computermenü die Bewegungsmuster
aus, die man ausführen möchte. „Die mechanischen Freiheitsgrade unseres Exoskelettes sind genau jene,
die auch elektrisch stimuliert werden können“, sagt Margit Gföhler, „das Exoskelett wurde von vornherein
speziell auf Elektrostimulation vorbereitet.“ Auch die Elektrostimulation wird derzeit im Reha-Zentrum Villa Beretta
getestet. So können auch Personen, die nur noch über minimale motorischen Restfunktionen verfügen,
wichtige Bewegungen des Alltags wieder selbstständig durchführen – etwa alleine einen Becher zum Mund
führen und daraus trinken.
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