Mit Lasertechnologie will Aleksandr Ovsianikov an der TU Wien Mikrostrukturen mit eingebetteten
lebenden Zellen bauen. Er erhält dafür einen der begehrtesten Europäischen Forschungspreise: Den
ERC Starting Grant.
Wien (tu) - Das Verhalten von Zellen hängt stark von der Umgebung ab, in der sie sich befinden. Um
Zellen zu untersuchen und zu beeinflussen ist es daher höchst wertvoll, sie in eine maßgeschneiderte
Umgebung einbauen zu können. Aleksandr Ovsianikov entwickelt ein Laser-gesteuertes Verfahren, mit dem man
Zellen gezielt in feine Strukturen einweben kann – ähnlich wie in natürlichem biologischen Gewebe, wo
sie von der sogenannten „extrazellulären Matrix“ umgeben sind. Wichtig ist das für die Züchtung
von neuem Gewebe, für die Suche nach neuen Medikamenten oder für die Stammzellenforschung. Für dieses
Projekt erhielt Ovsianikov nun einen ERC-Grant des European Research Council (ERC), der mit knapp 1,5 Millionen
Euro dotiert ist.
High-Tech-Strukturen für die biomedizinische Forschung
„Zellen auf einer ebenen Fläche anzusiedeln, ist nicht schwer. Doch solche Zellkulturen benehmen sich anders
als Zellen in einer dreidimensionalen Struktur“, erklärt Alexandr Ovsianikov. Im Gegensatz zur klassischen
2D Zell-Kultur in der Petrischale gibt es zur Zeit keine Standards für 3D-Systeme. Eine solche 3D-Struktur
muss durchlässig sein, damit die Zellen mit allen notwendigen Stoffen versorgt werden können. Die Geometrie
und die chemischen oder mechanischen Eigenschaften der Struktur sollen präzise angepasst werden können,
um die Reaktion der Zellen auf die äußeren Bedingungen studieren zu können. Außerdem soll
die 3D-Struktur rasch in großer Anzahl herstellbar sein, denn um verlässliche Ergebnisse zu erzielen
muss man Experimente an Zellen oft an vielen Zellkulturen gleichzeitig durchführen.
Genau diese Anforderungen kann die Forschungsgruppe „Additive Manufacturing Technologies“ der TU Wien bestens erfüllen:
Das interdisziplinäre Team entwickelt seit Jahren spezielle Fertigungstechniken, mit denen sich dreidimensionale
Strukturen mit einer Präzision im Mikrometer-Bereich herstellen lassen.
Laser verhärtet Flüssigkeit
Zu Beginn schwimmen die Zellen in einer Flüssigkeit, die hauptsächlich aus Wasser besteht. Beigemischt
sind zellverträgliche Moleküle, die auf eine ganz bestimmte Weise mit Licht reagieren: Ein fokussierter
Laserstrahl lässt genau an den gewünschten Stellen chemische Doppelbindungen brechen. Eine chemische
Kettenreaktion führt dann dazu, dass sich die Moleküle zu einem Polymer verbinden.
Um diese Reaktion auszulösen, müssen zwei Photonen des Laserlichts gleichzeitig absorbiert werden. Nur
dort, wo das Laserlicht fokussiert ist, gibt es ausreichend viele Photonen für diesen Prozess. Material außerhalb
dieses Bereichs wird dadurch nicht beeinflusst. „Dadurch können wir mit extrem hoher Präzision bestimmen,
an welchen Stellen sich die Moleküle verkleben sollen und ein festes Netzwerk bilden“, erklärt Ovsianikov.
Indem man den Fokus des Laserstrahls gezielt durch die Flüssigkeit lenkt, entsteht eine feste Struktur, in
der die lebenden Zellen von Anfang an eingebaut sind. Die übrigen Moleküle, die nicht zu Polymeren verklebt
wurden, können danach einfach weggewaschen werden. So kann man eine Struktur aus Hydrogelen bauen, ähnlich
der extrazellulären Matrix, die unsere eigenen Zellen im lebenden Gewebe umgibt. Ideen aus der Natur werden
im Labor imitiert und technologisch nutzbar gemacht: Diese Taktik – die Biomimetik - ist gerade in der Materialwissenschaft
heute sehr gefragt. „Diese Technologie könnte in bestimmten Fällen auch Tierversuche unnötig machen,
und dabei viel schnellere und aussagekräftigere Ergebnisse liefern“, hofft Ovsianikov.
Hoffnungsgebiet Stammzellenforschung
Ein besonders spannendes Anwendungsgebiet ist die Stammzellenforschung: „Wir wissen heute, dass sich Stammzellen
je nach Umgebung zu unterschiedlichen Gewebetypen weiterentwickeln können“, sagt Aleksandr Ovsianikov. „So
entwickeln sie sich etwa auf festerem Untergrund zu Knochenzellen, auf weicherem Untergrund zu Nervenzellen.“ In
der Laser-generierten 3D-Struktur kann man die Steifigkeit des Untergrundes von Anfang an genau bestimmen und so
möglicherweise ganz gezielt unterschiedliche Gewebetypen hervorbringen.
Litauen, Deutschland, Österreich
Entscheidend ist bei diesem Forschungsprojekt die Interdisziplinarität des Teams, zwischen Maschinenbau, Materialforschung,
Biologie und Chemie. Die Möglichkeit, mit Expertenteams aus so unterschiedlichen Forschungsrichtungen unter
einem Dach arbeiten zu können, war für Aleksandr Ovsianikov auch ein wichtiger Grund, nach Wien zu kommen.
Seit zwei Jahren forscht der gebürtige Litauer nun an der TU Wien, vorher war er an der Universität Hannover
beschäftigt, wo er auch seine Dissertation verfasste.
Hochdotierte Auszeichnung des Europäischen Forschungsrates
Das Forschungsprojekt von Alsksandr Ovsianikov wurde vom Europäischen Forschungsrat (European Research Council,
ERC) nun mit einem „ERC Starting Grant“ ausgezeichnet. Dieser hochdotierte Förderpreis wird an aufstrebende
junge Forscherinnen und Forscher vergeben, die damit auf ihrem Weg zu akademischen Führungspositionen unterstützt
werden sollen. Durch den ERC-Grant soll Ovsianikov nun in den nächsten fünf Jahren die Möglichkeit
bekommen, rund um sich ein Forschungsteam aufzubauen und auf eine wissenschaftliche Abenteuerreise zwischen Materialwissenschaft
und Zellbiologie zu gehen.
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