Bislang größter Erfolg für das Innsbrucker MSA-Team – Prognose für Krankheitsverlauf
der neurodegenerativen Erkrankung möglich – Studiendaten als Basis für Entwicklung gezielter Therapie
Innsbruck (i-med) - Von der fortschreitenden, tödlich verlaufenden Erkrankung Multisystematrophie (MSA)
sind in Österreich etwa 1000 Menschen betroffen - im Vergleich zu 30.000 Parkinson-Erkrankten. Bis heute gibt
es keine wirksame Therapie, doch nun liefern Innsbrucker Forscher zukunftsweisende Erkenntnisse für die Entwicklung
spezifischer Therapiestudien und ebnen damit den Weg für eine gezielte Behandlung.
Der Untergang von Zellen in bestimmten Regionen des Gehirns ist Ursache für die Entwicklung der neurodegenerativen
Erkrankung MSA. Die Symptome sind vielfältig und betreffen vor allem das autonome Nervensystem (wie Blasenentleerungsstörungen
und Blutdruckstürze) und motorische Funktionen mit der häufigen Manifestation eines Parkinson-Syndroms
mit oder ohne Ataxie (Kleinhirnfunktionsstörung). Für die MSA spezifisch ist das Nicht-Ansprechen auf
die Parkinson-Therapie, was zum rasch progressiven Verlauf der Krankheit beiträgt. „Eine möglichst frühzeitige
und gezielte Diagnose optimiert die Wirksamkeit therapeutischer Maßnahmen bei MSA, für die es bislang
allerdings keine Heilung gibt", weiß Univ.-Prof. Gregor Wenning, der gemeinsam mit Univ.-Prof. Werner
Poewe, Direktor der Univ.-Klinik für Neurologie, an der Medizinischen Universität Innsbruck eine europäische
MSA-Studiengruppe (EMSA-SG) etabliert hat. In den vergangenen Jahren konnten im Rahmen dieses Forschungsnetzwerkes
bereits einige wertvolle Beiträge zur Pathogenese und dem Verlauf der Erkrankung geleistet werden, etwa mit
der Entwicklung einer krankheitsspezifischen Skala (Unified MSA Rating Scale, UMSARS http://dx.doi.org/10.1002/mds.20255) oder der Charakterisierung bildgebender Surrogatmarker
(Messwert für die Therapiewirkung in klinischen Studien).
Meilenstein für die Entwicklung wirksamer MSA-Therapien
Mit den Ergebnissen einer neuen, im renommierten Wissenschaftsjournal The Lancet veröffentlichten, prospektiven
Studie unter der Leitung von Prof. Wenning ist man nun der Entwicklung wirksamer Behandlungsstrategien einen großen
Schritt näher gekommen. „Unsere Studienergebnisse erlauben die detaillierte Beschreibung des natürlichen
Krankheitsverlaufs, die Angabe von Progressionsraten sowie von Prädiktoren für einen guten bzw. schlechten
Krankheitsverlauf. Darüber hinaus wurde eine Datenbank zur Fallzahlerstellung für künftige Therapiestudien
erstellt“, erklärt Prof. Wenning.
In der Kohortenstudie wurden 141 MSA-PatientInnen zwei Jahre lang mittels standardisiertem EMSA Minimal Datensatz
sowie der UMSARS untersucht. Aus den gewonnenen Daten lassen sich sechs zentrale Ergebnisse ableiten:
- Betroffene zeigen mit durchschnittlich 56 Jahren erste Symptome für MSA,
das mediane Überleben ab Diagnose beträgt 9,8 Jahre
- Das Vorliegen der Parkinson-Variante (MSA-P) sowie einer schweren neurogenen
Blasenstörung bedeuten eine ungünstige Prognose
- Die UMSARS-Progressionsrate beträgt teilweise bis zu 70 Prozent in zwei
Jahren
- Nicht nur motorische, auch vegetative Symptome (z.B. Pollakisurie, Harndrang,
Dranginkontinenz, Harnretention, Impotenz, posturaler Schwindel, Synkopen) verlaufen rasch progredient
- Eine kürzere Krankheitsdauer bei Diagnose sowie mangelndes Ansprechen auf
die Parkinsontherapie lassen eine rasche UMSARS-Progression erwarten
- Basis für Fallzahlerstellung: Für eine Interventionsstudie (Therapie
X) sind 260 PatientInnen notwendig, um eine 30prozentige Wirkung in einem einjährigen Studiendesign bei einer
statistischen Aussagekraft von 80% Power nachweisen zu können.
„Die Ergebnisse dieser ersten großen multizentrischen Studie liefern somit einen wertvollen Beitrag für
die Durchführung von Interventionsstudien (Überprüfung der Wirksamkeit von Therapien) und damit
für die künftige Behandlung von MSA-PatientInnen“, resummieren Prof. Werner Poewe und Prof. Gregor Wenning.
Neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, Multisystematrophie und Angststörungen sind
im Rahmen des neurowissenschaftlichen Schwerpunktes der Medizinischen Universität Innsbruck bzw. des universitätsübergreifenden
Spezialforschungsbereichs zur Erforschung chronischer Erkrankungen des zentralen Nervensystems (SFB-F44) am Standort
Innsbruck Gegenstand intensiver Forschung. Die europäische MSA Studiengruppe wurde von Prof. Poewe und Prof.
Wenning im Januar 1999 in Innsbruck gegründet und repräsentiert ein wissenschaftliches Konsortium aus
ForscherInnen und akademischen Zentren in Europa und Israel. Das Hauptaugenmerk der EMSA-SG liegt auf der Entwicklung
krankheitsmodifizierender Therapien durch eine intensive translationale Forschungsausrichtung mit Evaluierung von
innovativen, neuroprotektiven Strategien. Das von Prof. Nadia Stefanova geleitete experimentelle Neurobiologie-Labor
ist in das Neurologische Forschungslabor (Leiter: Prof. Markus Reindl) am Department für Neurologie eingebettet
und weltweit das einzige mit 100prozentiger Ausrichtung auf translationale MSA-Forschung.
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