Innenministerium berichtet über aktuelle Unionsvorhaben
Wien (pk) - Die Europäische Kommission wird voraussichtlich noch heuer Vorschläge für ein
neues Grenzkontrollsystem in der EU vorlegen. Durch die künftige Registrierung von Reisenden aus Drittstaaten
soll zum einen illegale Einwanderung eingedämmt und zum anderen der Grenzübertritt für Reisende
mit niedrigem Risikoprofil beschleunigt werden. Das Projekt läuft unter dem Titel "Smart Borders Initiative"
und ist eines von zahlreichen aktuellen EU-Vorhaben im Bereich Inneres, über die ein vom Innenressort dem
Nationalrat vor kurzem vorgelegter Bericht Auskunft gibt. Weiters geplant sind unter anderem eine Vereinfachung
des Visasystems, Visaerleichterungen für bestimmte Zielgruppen und die Erarbeitung eine Strategie zur Reduzierung
der Schusswaffenkriminalität. Zudem will die EU-Kommission der Frage der Cybersicherheit besonderes Augenmerk
schenken.
Die "Smart Borders Initiative" setzt sich laut Bericht aus zwei Komponenten zusammen. Zum einen will
die EU mit der automatischen Registrierung von Datum und Ort der Ein- und Ausreise in einem Entry-/Exit-System
(EES) dem Problem entgegenwirken, dass Drittstaatsangehörige oftmals legal in die Union einreisen, nach Ablauf
der erlaubten Aufenthaltsdauer aber bleiben und untertauchen. Zum anderen soll für Reisende mit niedrigem
Risikoprofil, die sich im Registered Travellers Programme (RTP) registrieren lassen, der Grenzübertritt erleichtert
werden. Angedacht sind etwa automatische Kontrollgates, die unter Verwendung eines elektronischen Reisepasses auch
von EU-Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden könnten. Das EES und das RTP sollen sowohl für
visumpflichtige als auch für nicht-visumpflichtige Drittstaatsangehörige gelten.
Das österreichische Innenministerium steht der Initiative, wie im Bericht festgehalten wird, grundsätzlich
nicht ablehnend gegenüber, es fordert aber eine eingehende Kosten- und Nutzen-Analyse. Zudem wird auf die
Ausarbeitung klarer Zeitpläne gedrängt und in diesem Zusammenhang auf die erheblichen Verzögerungen
bei der Inbetriebnahme des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) verwiesen.
Erleichterte Einreise für SaisonarbeiterInnen und Konzernangehörige
Dass die Umsetzung von EU-Vorhaben mitunter recht lange dauern kann, zeigen zwei Richtlinienvorschläge der
EU-Kommission, die die Einreise und den Aufenthalt von SaisonarbeiterInnen sowie von MitarbeiterInnen internationaler
Konzerne, die in ein EU-Land versetzt werden sollen, betreffen. Erste Pläne für einheitliche EU-Vorgaben
gab es bereits 2005, seit Mitte 2010 wird über zwei konkrete Legislativentwürfe verhandelt. Laut vorliegendem
Bericht plant der irische Ratsvorsitz nun einen Abschluss der Beratungen. Österreich hat sich im Rat zuletzt
allerdings gegen die Richtlinienvorschläge ausgesprochen, Grund sind arbeitsmarktrechtliche Bedenken.
Schengener Informationssystem II bringt neue Fahndungsoptionen
Was die zweite Generation des Schengener Informationssystems betrifft (SIS II), soll dieses nach einigen Verzögerungen
nun endgültig mit Ende März 2013 in Betrieb gehen. Das Innenministerium erwartet sich von den neuen Funktionalitäten
des Systems "einen absoluten Mehrwehrt" für die tägliche Polizeiarbeit. Zu den Neuerungen gehören
etwa neue Fahndungsoptionen (biometrische Merkmale, DNA), die Erweiterung des Sachenfahndungskatalogs sowie die
Verknüpfung von Sachen- und Personenfahndungen.
Ausweitung des Visainformationssystems, Visaerleichterungen
Weiters für 2013 geplant ist eine Erweiterung des Visainformationssystems (VIS), das dem Informationsaustausch
zwischen den EU-Mitgliedstaaten über erteilte und abgelehnte Visa dient. Nach Nordafrika, dem Nahen Osten
und der Golfregion sollen heuer zahlreiche weitere Regionen an das System angeschlossen werden: Westafrika, Zentralafrika,
Ostafrika, Südafrika, Südamerika, Zentralasien, Südostasien und das besetzte palästinensische
Gebiet.
Über Visaerleichterungsabkommen wird in den nächsten Monaten laut Bericht mit Aserbaidschan und Weißrussland
verhandelt, mit Kap Verde und Armenien wurde bereits eine grundsätzliche Einigung erzielt. Ziel der Abkommen
sind Reiseerleichterungen für BürgerInnen der betreffenden Staaten, etwa was die mit dem Visumantrag
einzureichenden Belege anlangt. In der Vergangenheit wurden derartige Abkommen unter anderem mit Albanien, Russland
und der Ukraine abgeschlossen.
Mit Moldawien, der Ukraine, Russland, dem Kosovo und Georgien wird derzeit außerdem ein so genannter Visaliberalisierungsdialog
geführt, der auf die Aufhebung der Visapflicht für diese Länder abzielt. Voraussetzung dafür
ist allerdings die Erfüllung zahlreicher Kriterien. Österreich drängt dabei auf strenge Maßstäbe
und eine ausführliche Bewertung der migrations- und sicherheitspolitischen Situation.
Auch in Bezug auf die geplante generelle Überarbeitung der Visapolitik der Europäischen Union mahnt das
Innenministerium die Beachtung sicherheitspolitischer Aspekte ein. Dem Bericht zufolge will die EU-Kommission noch
heuer einen Legislativvorschlag zur Vereinfachung des Visasystems vorlegen, um legal Reisenden wie Geschäftsleuten
und Touristen das Reisen zu erleichtern.
EU-Aktion gegen Migrationsdruck soll illegale Einwanderung eindämmen
Um illegale Einwanderung in die EU einzudämmen, wurde im Jahr 2012 von den EU-Mitgliedstaaten ein gemeinsames
Maßnahmenpaket gegen Migrationsdruck angenommen, das unter anderem eine intensivere Kooperation mit Drittstaaten
und ein verbessertes Außengrenzenmanagement vorsieht. Österreich begrüßt die gemeinsame Strategie
ausdrücklich und setzt sich insbesondere auch für eine wirksame und nachhaltige Rückkehrpolitik
ein.
Für heuer konkret geplant ist die Inbetriebnahme des Europäischen Grenzüberwachungsprojekts EUROSUR.
Zuvor müssen allerdings noch die laufenden Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament abgeschlossen
werden. Ziel des Projekts ist es, durch die Erstellung umfassender Lagebilder und eine intensivere Beobachtung
der Außengrenzen illegale Migration in die EU zu verringern.
Die irische Ratspräsidentschaft will außerdem verstärkt beobachten, ob die geltende Personenfreizügigkeit,
die es EU-BürgerInnen und ihren Familienangehörigen erlaubt, sich innerhalb der EU frei zu bewegen und
aufzuhalten, für illegale Einwanderung missbraucht wird. In diesem Zusammenhang ist auch ein Bericht der EU-Kommission
über die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Personenfreizügigkeit vorgesehen, er soll im Laufe des Jahres
vorgelegt werden.
Fortschritte bei gemeinsamer europäischer Asylpolitik
Weitere Fortschritte in den nächsten Monaten erwartet sich das Innenministerium im Hinblick auf die angestrebte
Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Demnach könnten vier derzeit in Verhandlung stehende
Rechtsakte noch in der ersten Jahreshälfte 2013 angenommen werden. Ziel der EU ist es, die Asylentscheidungspraxis
der EU-Mitgliedstaaten weiter aneinander anzugleichen. Nach Meinung des Innenressorts muss allerdings darauf geachtet
werden, "Pull-Faktoren" und Missbrauchsanreize nicht zu verstärken. Zudem lehnt die österreichische
Regierung Maßnahmen ab, die die Grundprinzipien des Dublin-Systems aussetzen würden.
In Zusammenhang mit der Dotierung des geplanten Asyl- und Migrationsfonds spricht sich das Innenministerium dafür
aus, Belastungen von Mitgliedstaaten mit hohen Asylantragszahlen – wie Österreich – zu berücksichtigen.
Nutzung von Fluggastdaten zur Strafverfolgung: Innenressort skeptisch
Kritisch steht das Innenministerium laut Bericht einem Richtlinienentwurf gegenüber, der den Strafverfolgungsbehörden
künftig erlauben soll, Daten von Flugreisenden, die bei einer Buchung angegeben werden müssen (Passenger
Name Record – PNR), zur Prävention und zur Bekämpfung von Terrorismus sowie schwerer und organisierter
Kriminalität zu verwenden. Ein erster Richtlinienentwurf dazu wurde bereits im Jahr 2007 vorgelegt, im vergangenen
Jahr konnte schließlich eine mehrheitliche Einigung im Rat erzielt werden. Nun liegt der Ball beim Europäischen
Parlament. Die von Österreich im Zuge der Verhandlungen vorgebrachten Kritikpunkte betreffen unter anderem
den Datenschutz, die Systemarchitektur und das Kosten-Nutzen-Verhältnis.
Weitere aktuellen EU-Vorhaben im Bereich Innere Sicherheit betreffen die Entwicklung eines Strategiepapiers zur
Reduzierung der Schusswaffenkriminalität in Europa, die Erstellung eines Drogenaktionsplans auf Basis der
im Dezember beschlossenen EU-Drogenstrategie 2013-2020 und die Entwicklung neuer Rechtsgrundlagen für EUROPOL
und das Europäische Polizeiamt (EPA). Zudem ist geplant, ein europäisches Zentrum zur Bekämpfung
von Cyberkriminalität einzurichten, die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden zu verstärken
und mehr Polizeischulungen auf EU-Ebene anzubieten.
Im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität setzt die EU unter anderem auf eine neue Strategie
gegen Menschenhandel und den Entzug von Geldmitteln für terroristische Aktivitäten. So will die EU-Kommission
noch heuer neue Vorschläge für das Einfrieren von Vermögenswerten von Personen und Organisationen,
die terroristischer Handlungen in der EU verdächtigt werden, vorlegen. Außerdem wird die Einrichtung
eines eigenen EU-Systems zum Aufspüren der Terrorismusfinanzierung geprüft.
Im Bereich des Zivilschutzes strebt die EU eine Verbesserung ihrer Reaktionsfähigkeit in Katastrophenfällen
an, wobei nach Meinung des Innenministeriums auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips geachtet werden
muss und die Maßnahmen der Union den Katastrophenschutz in den Mitgliedstaaten nicht ersetzen können.
Als strategischer Rahmen für die einzelnen EU-Vorhaben dient das Stockholm-Programm zur Weiterentwicklung
des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Das Programm läuft Ende 2014 aus, für die Periode
danach muss ein neues Mehrjahresprogramm mit breiten politischen Zielen fixiert werden.
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