Heidelberg (idw) - Astronomen um Sladjana Nikolic' vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg
haben Teilbereiche des Supernovaüberrests SN 1006 mit nie erreichter Genauigkeit beobachtet. Solche Überreste
gelten als Quellen für einen Teil der kosmischen Teilchenstrahlung, welche die Erde trifft. Die Beobachtungen
geben erstmals Hinweise auf mögliche Vorläuferteilchen für die kosmische Teilchenstrahlung solcher
Objekte. Die neuartige Beobachtungstechnik, die zum Einsatz kam, verspricht eine Vielzahl weiterer Erkenntnisse
dazu, wie Supernovaüberreste kosmische Teilchen beschleunigen. Die Ergebnisse wurden am 14.02. in der Fachzeitschrift
Science veröffentlicht.
Fast genau hundert Jahre ist es her, dass Victor Hess die vorwiegend aus Protonen bestehende kosmische Teilchenstrahlung
entdeckte, die aus den Tiefen des Weltraums auf die Erde trifft. Die energiereichsten Teilchen dabei stammen von
außerhalb unseres Sonnensystems, und für einige davon wiederum werden als Quelle sogenannte Supernovaüberreste
angenommen.
Supernovae sind gigantische Sternexplosionen am Ende des Lebens bestimmter Sterne. Dabei werden große Teile
der Sternatmosphäre oder gleich die gesamte Sternmaterie nach außen geschleudert und bilden einen sogenannten
Supernovaüberrest, der sich im Laufe der Zeit immer weiter ausdehnt. Wo das herausgeschleuderte Material auf
die umgebende interstellare Materie trifft, bilden sich Schockwellen aus – Regionen, in denen sich Dichte und Temperatur
abrupt ändern, ähnlich den Schockwellen des Überschnallknalls, wenn ein Flugzeug die Schallmauer
durchbricht.
Die expandierenden, hochenergetischen Schockwellen sind naheliegende Kandidaten für kosmische Teilchenbeschleuniger,
die hochenergetische Teilchenstrahlung produzieren. Jetzt haben Forscher um die serbische Astronomin Sladjana Nikolic'
(Max-Planck-Institut für Astronomie) erstmals Hinweise darauf gefunden, dass in den Schockregionen in der
Tat Protonen beschleunigt werden. Bei diesen Protonen handelt es sich noch nicht um die kosmische Teilchenstrahlung
selbst, sondern um Vorläuferteilchen (»seed particles«), die anschließend durch Wechselwirkung
mit der Schockfront auf die erforderlichen hohen Energien beschleunigt werden und als Teilchenstrahlung hinaus
in den Raum fliegen können.
Nikolic' erklärt: »Dies ist das erste Mal, das wir die physikalischen Prozesse in und um die Schockregion
genauer untersuchen konnten. Wir haben dabei Hinweise auf die Existenz einer erwärmten Region direkt vor der
Schockwelle gefunden, wie sie den gängigen Modellen nach notwendig ist, damit überhaupt kosmische Teilchenstrahlung
entstehen kann. Außerdem wurde diese Region offenbar auf genau jene Weise erwärmt, wie man es erwarten
würde, wenn dort Protonen existieren, welche die Energie aus direkt hinter der Schockfront gelegenen Regionen
in die Bereiche direkt vor dem Schock transportieren.«
Die Untersuchung basiert auf Analysen, die Nikolic' als Teil ihrer Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für
Astronomie und der Universität Heidelberg durchführte. Entscheidend für die neuen Ergebnisse war,
dass Nikolic' und ihre Kollegen eine neuartige Beobachtungstechnik namens Integralfeldspektroskopie (integral field
spectroscopy) einsetzten. Diese Technik erlaubt es, die Zusammensetzung des Lichts für eine Vielzahl verschiedener
Bildpunkte im Bildfeld des Teleskops gleichzeitig zu bestimmen. Sie wurde hier zum ersten Mal auf einen Supernovaüberrest
angewandt.
Nikolic' und ihre Kollegen nutzten den Spektrografen VIMOS am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte
in Chile, um für mehr als 100 Punkte in einem kleinen Teilbereich der Schockfront der Supernova SN1006 gleichzeitig
die Lichtzusammensetzung (»Spektrum«) zu bestimmen. Die rund anderthalbjährige Analyse der Daten
ergab detaillierte Informationen insbesondere über die Temperaturen vor und hinter der Schockfront.
Kevin Heng von der Universität Bern, Co-Betreuer von Nikolic's Doktorarbeit, sagt: »Wir sind besonders
stolz darauf, dass wir die Integralfeldspektroskopie in eher unorthodoxer Weise eingesetzt haben – üblicherweise
beobachtet man damit weit entfernte Galaxien. Die Genauigkeit, die wir dabei erreicht haben, stellt alle vorangehenden
Studien in den Schatten.«
Wichtig sind die jetzt veröffentlichten Ergebnisse auch als Wegbereiter für zukünftige Untersuchungen.
Nikolic' erklärt: »Das hier war ein Pilotprojekt. Das Licht, das wir von dem Supernovaüberrest
auffangen, ist ungleich schwächer als bei den üblichen Zielobjekten für solche Instrumente. Jetzt,
wo wir wissen, was machbar ist, sind eine Vielzahl interessanter Nachfolgeprojekte in den Bereich des Möglichen
gerückt.« Glenn van de Ven vom Max-Planck-Institut für Astronomie, Nikolic's Doktorvater, fügt
hinzu: »Diese neuartige Beobachtungstechnik könnte sich als Schlüssel erweisen, um herauszufinden,
wie Supernovaüberreste kosmische Teilchenstrahlung erzeugen.«
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