ÖV in Städten 2005-2009: Ausgaben +26 Prozent, Einnahmen
+13 Prozent
Linz (stadt) - Die Städte sind die Lebensräume und Wirtschaftsmotoren Österreichs schlechthin,
alleine 45 Prozent aller ÖsterreicherInnen leben bereits in einer der 74 Städte mit 10.000 und mehr EinwohnerInnen.
Das zunehmende Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung stellt die Städte dabei aber zunehmend vor
Herausforderungen, bei deren Bewältigung sie allerdings besonders vom Bund mehr und mehr im Stich gelassen
werden. In einer eigenen Konferenz hat sich deshalb der Städtebund mit der Thematik der Zukunft der urbanen
Mobilität auseinandergesetzt.
Erkenntnis 1
Das Niveau der Personenmobilität wird anhaltend hoch bleiben, in den Städten sogar noch eher zunehmen.
Der öffentliche Verkehr spielt dabei jetzt schon eine wichtige Rolle, der Ausbau ist aber unabdingbar.
Erkenntnis 2
Die Städte geraten bei der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs zusehends an ihre Grenzen. Alleine
zwischen 2005 und 2010 hat sich die Belastung der Städte durch den Öffentlichen Verkehr von 129 Millionen
Euro auf 202 Millionen Euro um mehr als die Hälfte erhöht. Verantwortlich dafür ist die Tatsache,
dass die Einnahmen in diesem Zeitraum zwar um 13 Prozent, die Ausgaben aber um 26 Prozent gestiegen sind. Größte
Herausforderung ist die Bewältigung des notwendigen Ausbaus und der Attraktivierung: alleine die Investitionsausgaben
sind zwischen 2005 und 2009 um 110 Prozent gestiegen.
Linz geht diesen Städten als gutes Beispiel voran: mit 24 Prozent ist der Anteil des öffentlichen Verkehrs
am Gesamtverkehrsaufkommen der höchste unter den Städten (außer Wien). Das ist der Erfolg eines
konsequenten, zielgerichteten Ausbaus: während das Straßennetz nur um 16 Prozent erweitert wurde, wurde
das Streckennetz der LINZ LINIEN um 45 Prozent ausgebaut. 440 Millionen Euro wurden für diesen Ausbau und
die Attraktivierung alleine seit dem Jahr 2000 aufgewendet. Projekte für weitere 460 Millionen Euro sind bereits
teilweise im Endstadium der Planung.
Alleine können die Städte den notwendigen Ausbau aber nicht mehr bewältigen. Insbesondere der Bund
ist gefordert, seine bisherige Praxis zu überdenken. So enden viele Mitfinanzierungen des Bundes für
überregionale Projekte im öffentlichen Verkehr an den Stadtgrenzen, während die Städte oft
über diese hinaus mitzahlen. Dabei würde durch einen konsequenteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs
insbesondere in den Städten Österreich seine Klimaziele vermutlich eher erreichen können.
Deshalb fordert der Städtebund eine Gesamtstrategie für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Diese soll die Basis für einen langfristigen Rahmenplan sein, der den Städten Planungs- und Finanzierungssicherheit
gibt. Unabdingbar wird dabei auch eine Reform des Finanzausgleichs sein, der die Rolle der Städte als Lebens-
und Wirtschaftsballungszentren stärker berücksichtigt.
Linz: Lebensraum, Wirtschaftsmotor
Der Großraum Linz hat für Oberösterreich eine besondere Bedeutung: Auf elf Prozent der Fläche
befinden sich 48 Prozent aller oberösterreichischen Arbeitsplätze. Linz kann sich daher zu Recht als
der Wirtschaftsmotor von Oberösterreich bezeichnen. Zugleich leben alleine in der Stadt über 193.000
Menschen, für die Linz Lebensmittelpunkt ist. Das bedeutet besondere Herausforderungen für die Sicherung
der Lebensqualität, die die Menschen hier vorfinden sollen. Herausforderungen, die die Stadt bislang gut gemeistert
hat, denn immerhin wollen laut Erhebung des Landes mehr als die Hälfte aller Wohnungssuchenden in Oberösterreich
in Linz wohnen.
KFZ-Bestand seit 1990: plus 27 Prozent in Linz, plus 58 Prozent in Oberösterreich Streckennetz LINZ
AG LINIEN seit 1990: + 45 Prozent
Das alles hat natürlich Auswirkungen auf das Verkehrsaufkommen: rund 50 Prozent der vier Millionen Wege,
die in Oberösterreich täglich (!) zurückgelegt werden, finden im Großraum Linz statt. Alleine
das Straßennetz ist deshalb in den letzten 25 Jahren um rund 16 Prozent auf 613 Straßenkilometer angewachsen.
Noch deutlicher ist allerdings der Kraftfahrzeugbestand gestiegen: seit 1990 ist die Zahl der alleine in Linz gemeldeten
Kraftfahrzeuge (PKW und Kombi) von 76.397 um rund 27 Prozent auf 96.835 gestiegen, oberösterreichweit sind
es sogar beinahe 58 Prozent mehr: 831.941 PKWs und Kombis im Jahr 2011 gegenüber 527.661 Fahrzeuge im Jahr
1990. Die geringere Zunahme des Kraftfahrzeugsbestands in der Stadt ist sicher auch auf das gut ausgebaute Netz
an öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzuführen. Seit 1990 wurde kontinuierlich in den Ausbau der
LINZ AG LINIEN investiert. Aus 131,6 Kilometer Streckennetz 1990 wurden bis ins Jahr 2010 190,3 Kilometer – ein
Zuwachs um rund 45 Prozent. Linz weist deshalb auch österreichweit (ohne das nicht zu vergleichende Wien)
mit 24 Prozent den höchsten Anteil des öffentlichen Verkehrs am Gesamtverkehr aus. Das hat natürlich
auch seinen Preis: alleine seit dem Jahr 2000 wurden rund 440 Millionen Euro in den Ausbau und die Attraktivierung
des Öffentlichen Verkehrs investiert.
Anhaltend hohe Personenmobiltät ist Chance und Herausforderung für den öffentlichen Verkehr
Linz ist mit dieser Entwicklung natürlich nicht alleine. Die meisten größeren Städte, insbesondere
die Landeshauptstädte, befinden sich in einer ähnlichen Situation. Der Österreichische Städtebund
hat sich deshalb bei einer Konferenz Ende 2012 der Frage der Zukunft der urbanen Mobilität gewidmet. WIFO-Experte
Stefan Schönfelder hielt in seinem Referat fest, dass das Niveau der Personenmobilität in den nächsten
Jahren anhaltend hoch bleiben bzw. sogar noch steigen würde. Insbesondere in den größeren Städten,
in denen die Zahl der EinwohnerInnen steigt und sich die Arbeitsplätze konzentrieren. Schönfelder sieht
aufgrund der stetigen, teils wachsenden Nachfrage eine Chance für den Öffentlichen Personennahverkehr.
Gleichzeitig seien die sich wandelnden Mobilitätsbedürfnisse auch eine zunehmende Herausforderung, der
einerseits auf technologischer und andererseits auf organisatorischer Ebene begegnet werden müsse. Es ginge
unter anderem besonders um Fragen der Zugänglichkeit, des Komforts, der „usability“ (~ Nutzerfreundlichkeit,
leichte Gebräuchlichkeit) und um die Leistbarkeit des öffentlichen Personennahverkehrs.
Finanzschere 2005-2009: Einnahmen plus 13 Prozent, Ausgaben plus 26 Prozent
Laufende Ausgaben: plus 6 Prozent, Investitionskosten plus 110 Prozent
Gerade bei der Leistbarkeit stoßen allerdings die österreichischen Städte immer mehr an ihre
Grenzen. Beispielsweise werden alleine für die in und um Linz geplanten Projekte zum weiteren Ausbau und zur
Attraktivierung rund 460 Millionen Euro zu veranschlagen sein. Größter Posten dabei ist sicher die zweite
Schienenachse (derzeit veranschlagter Kostenrahmen: rund 410 Mio. Euro), gefolgt von der Verlängerung der
Straßenbahn nach Traun (41 Mio. Euro). Vergleichsweise gering zu Buche schlägt die Anbindung des Pichlinger
Sees an das Straßenbahnnetz (rund 10 Mio. Euro). Ohne Mitfinanzierung durch das Land wären diese Projekte
nicht umsetzbar. Was dabei auffällt, ist die mangelhafte Beteiligung des Bundes. Diese wirkt sich bei allen
Städten (mit Ausnahme des wiederum nicht vergleichbaren Wiens) belastend aus. Das veranschaulichte bei der
Städtebundkonferenz Martin Kroißenbrunner von der Stadt Graz auf Basis einer Studie des KDZ-Zentrums
für Verwaltungsforschung, und eigener Berechnungen:
Kroißenbrunner legte dar, dass im Zeitraum 2005 bis 2009 die Ausgaben um 26 Prozent gestiegen seien, die
Einnahmen hingegen nur um 13 Prozent. Im Detail betrachtet stelle sich dabei laut Kroißenbrunner allerdings
heraus, dass die laufenden Ausgaben nur um sechs Prozent gestiegen seien, die einmaligen Ausgaben, also die Investitionskosten,
aber um 110 Prozent!
Herausforderung: mangelnder Gesamtplan, Finanzierung
Schlussfolgerungen aus der Städtebundkonferenz: Es fehlt eine klare, übergeordnete Strategie zum
Öffentlichen Personennahverkehr. „Insbesondere den Städten fehlt deshalb ein verlässlicher Rahmen
für den so wichtigen Ausbau des öffentlichen Verkehrs“, so der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des
Städtebundes, der Linzer Verkehrsreferent Vizebürgermeister Klaus Luger. „Wir haben keine Planungs- und
vor allem keine Finanzierungssicherheit, jedem Projekt gehen mühsame Einzelverhandlungen mit dem jeweiligen
Bundesland und meist Absagen seitens des Bundes voraus!“ Dabei sind es die Städte, die aufgrund ihrer zentralen
Rolle als Lebens- und Wirtschaftsraum überdurchschnittlich zum Steueraufkommen in Österreich beitragen.
Zugleich werden sie insbesondere vom Bund im Stich gelassen, wenn sie Maßnahmen setzen, die zur Verlagerung
vom motorisierten Individualverkehr hin zum öffentlichen Verkehr führen. „Es stimmt schon, dass wir dieser
Verlagerung selber am meisten bedürfen, wenn wir nicht im Autoverkehr ersticken wollen“, ist sich Luger bewusst.
„Es stimmt aber auch, dass zum Beispiel Österreich als Ganzes seine Klimaziele nicht erreicht. Schon alleine
deshalb sollte es ein Bundesinteresse an einer Stärkung des Öffentlichen Verkehrs insbesondere in den
Städten mit dem größten Verkehrsaufkommen geben.“
Lösung: Rahmenplanung, Reform des Finanzausgleichs und der Transferzahlungen
Darum stellte der Städtebund auch zentrale Forderungen auf, deren Berechtigung sich gerade am Beispiel
Linz deutlich darstellen lässt. „Hausaufgaben für die kommende Bundesregierung, bei deren Erarbeitung
die Städte gerne helfen“, so Luger. „Das Ziel sollte es sein, den städtischen Ballungszentren als Lebensräume
und Wirtschaftsmotoren des ganzen Landes im wahrsten Sinne des Wortes die Luft zum Atmen zu lassen. Lebensqualität
und wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit lassen sich erhalten, wenn der öffentliche Verkehr noch stärker
als bisher zum Rückgrat der Mobilität wird.“ Die Forderungen des Städtebundes lassen sich dabei
im Wesentlichen zu zwei Punkten zusammenfassen:
1) Entwicklung einer Strategie für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für Österreich
unter Einbeziehung der Städte
„Basis sind die energie-, umwelt- und verkehrspolitischen Zielsetzungen, die besonders die Weiterentwicklung
und den Ausbau städtischer ÖPNV-Systeme notwendig machen“, so Luger. Als Beispiel nennt er die zweite
Schienenachse durch Linz, die für den überregionalen Personennahverkehr unabdingbar ist und so zur CO2-Reduktion
über Linz hinaus beiträgt. Oder aber auch die Straßenbahnverlängerung nach Traun: „Diese 4,3
km lange Strecke außerhalb von Linz wird ohne Bundesbeteiligung finanziert, obwohl sie dazu beiträgt,
dass Österreich eher seine Klimaziele erreichen kann“, findet Luger.
2) Finanzierungs- und Strukturreform
Zur Umsetzung dieser Strategie braucht es Planungs- und Finanzierungssicherheit für die Städte. Ähnlich
dem ÖBB-Rahmenplan, der immerhin im Nationalrat beschlossen wird, braucht es für den gesamten öffentlichen
Verkehr einen Rahmenplan. Die für die Abarbeitung dieses Plans notwendigen Mittel müssen unter Einbeziehung
aller bestehenden Finanzierungsströme aufgebracht werden. „Dazu braucht es eine Reform des Finanzausgleichs,
der die Städte als Aufgabenträger beim Öffentlichen Verkehr stärker berücksichtigt, und
eine Entwirrung der Transferzahlungen“, erklärt Luger. So ist es nicht einzusehen, dass städtische Verkehrsgesellschaften
bei überregionalen Projekten zur Kasse gebeten werden, während die Mitfinanzierung des Bundes an den
Stadtgrenzen plötzlich endet.
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