…aus Holz sowie Holzwerkstoffen auf menschliche Zellsysteme?
Innsbruck (universität) - Menschen sind ständig von flüchtigen organischen Stoffen umgeben.
Pflanzen, Tiere, Menschen und technische Werkstoffe sind eine Quelle flüchtiger organischer Verbindungen,
sogenannter VOCs (Volatile Organic Compounds). Welche Auswirkungen VOCs aus Holz sowie Holzwerkstoffen auf den
Organismus haben, wird am Biozentrum der Medizinischen Universität Innsbruck untersucht. Vor Kurzem ging eine
einzigartige VOC-Expositionskammer in Betrieb, welche eine detaillierte Analyse von VOCs ermöglicht.
Da Menschen immer von flüchtigen organischen Stoffen umgeben sind, ist das Interesse der medizinischen Forschung
an diesen sogenannten VOCs in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. So ist beispielsweise bereits bekannt,
dass einige flüchtige Inhaltsstoffe von Zirbenholz blutdrucksenkend und schlaffördernd wirken. Rein technisch
kann man VOCs in geringsten Spuren nachweisen, deren biologische Wirksignatur bei unterschiedlichen Konzentrationen
an lebenden Zellen ist allerdings noch nicht ausreichend erforscht. „Dadurch, dass wir uns aufgrund unserer modernen
Lebensumstände aber vermehrt in geschlossenen Räumen aufhalten, sind wir auch vermehrt den Emissionen
von Dekor- und Baumaterialien, Einrichtungsgegenständen und Kleidungsstücken ausgesetzt“, erklärt
Ao. Univ.-Prof. Dr. Florian Überall von der Innsbrucker Sektion für Medizinische Biochemie (Leiter: Univ.-Prof.
Dr. Ludger Hengst) die Hintergründe des Forschungsprojektes „VocOnCell“. Die Arbeitsgruppe von Prof. Überall
„Eco- & Nutritional Biochemistry“, die Firma Bioenergy2020+ aus Graz und EGGER Österreich wollen daher
mehr über die Wirkmechanismen von natürlich gebildeten flüchtigen organischen Stoffen aus Holz sowie
Holzwerkstoffen an Zellmodellen herausfinden. Das international begutachtete und von der Österreichischen
Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) vergebene Bridge-Projekt „VocOnCell“ wurde im Januar 2012 gestartet.
Einzigartiges VOC-Analysezentrum in Innsbruck:
Nach rund einem Jahr konnte jetzt das erste Forschungsziel erreicht werden: Die WissenschafterInnen haben ein einzigartiges
VOC-Expositionssystem für flüchtige organische Komponenten am Biozentrum etabliert. Diese neuartige Expositionskammer
zur Beurteilung der zellulären Wirkung von luftgetragenen flüchtigen Stoffen bzw. Stoffgemischen wurde
in Zusammenarbeit mit Techniken der Bioenergy 2020+ GmbH in Graz gebaut und in Innsbruck in Betrieb genommen. Damit
ist an der Medizinischen Universität Innsbruck ein eigenständiges VOC-Analysezentrum entstanden. „Erstmalig
wird diese neue Expositionskammer eine Prüfung von flüchtigen Einzelsubstanzen, aber auch Substanzgemischen
an Zellmodellen erlauben. Das ist auch für die Durchführung weiterer Forschungsprojekte in diesem Bereich
wichtig. Weltweit existiert derzeit keine vergleichbare Anlage“, sagt Prof. Überall. „Mit diesem hoch entwickelten
experimentellen Aufbau sind erstmals Untersuchungen in einer kontrollierten Umgebung möglich, die einem hohen
wissenschaftlichen Anspruch gerecht werden“, ergänzt Univ.-Prof. Dr. Lukas Huber, Direktor des Biozentrums
der Medizinischen Universität Innsbruck. „Bald werden wir hier mehr über Auswirkungen volatiler Substanzen
auf Zellen des Körpers haben ohne den Graubereich der Interpretation, sondern basierend auf harten Fakten.“
Die Innsbrucker ForscherInnen hoffen mit Hilfe des Gerätes auch Biomarker zu finden, welche auf die Anwesenheit
von bestimmten VOCs in biologischen Systemen hinweisen. „Wir haben die Möglichkeit Gaskonzentrationen in ppm/ppt
freizusetzen, online zu überwachen, präzise zu messen und herauszufinden, ab welchem Grenzwert sie einen
positiven oder negativen Effekt auf Zellen ausüben“, erklärt Prof. Überall.
Forschungsvorhaben mit Zukunftspotential, nicht nur für die Holzwirtschaft
Dass es sich bei dem ambitionierten Projekt „VocOnCell“ um ein Forschungsvorhaben mit Zukunftspotential handelt,
ist auch durch die Förderung seitens der FFG sichtbar: Die Voraussetzung ein Bridge-Projekt zu erhalten ist
eine positive internationale Begutachtung, die dem Projekt eine exzellente wissenschaftliche Vorgehensweise bescheinigt
sowie eine breite wirtschaftliche Nutzung erwarten lässt. Das Grundlagenforschungsprojekt wird zu 80 Prozent
von der FFG gefördert, die restlichen 20 Prozent des Forschungsprojektes werden von EGGER Österreich
getragen. Die Investition dürfte sich für den Wirtschaftspartner lohnen: „Das exakte Wissen über
solche Emissionen soll den Kundennutzen erhöhen und Wettbewerbsvorteile verschaffen. Unabhängig von vorgeschriebenen
Grenzwerten ist es dem Unternehmen so möglich, die gewonnenen Erkenntnisse unmittelbar in den Herstellungsprozess
unserer Produkte einfließen zu lassen«, erklärt Walter Schiegl, Technischer Leiter der gesamten
EGGER-Gruppe. Aus Aspekten der Volksgesundheit kann man aber auch von einem großen Nutzen des Forschungsvorhabens
für die gesamte Gesellschaft sprechen. Dementsprechend hoffen die ForscherInnen der Medizinischen Universität
auf weitere Folgeprojekte mit weiteren WirtschaftspartnerInnen, beispielsweise aus der Automobil-, Kosmetik-, Pharma-,
und Lebensmittelindustrie.
Forschungsprojekt „VocOnCell“
Das Forschungsprojekt „VocOnCell“ setzt auf die Zusammenarbeit von ExperterInnen in den Bereichen des technischen
Anlagenbaus von Gasdosier- und Gasdetektionseinrichtungen, sowie auf das Wissen und die Fähigkeit von GenetikerInnen
und BiochemikerInnen im Bereich Zellbiologie und Toxikologie. In enger Zusammenarbeit mit den ExpertInnen des EGGER
Competence-Centers unter der Leitung von Dr. Martin Steinwender entsteht durch die wissenschaftliche Expertise
von Bioenergy2020+ (DI Markus Kleinhappl, DI Stefan Martini und Team) ein Forschungsverbund zur technischen und
toxikologischen Bewertung von VOC-Emissionen aus Holz- und Holzwerkstoffen. Zentrales Anliegen des Projektes ist
eine biologische Funktionsbewertung von flüchtigen organischen Verbindungen bzw. Verbindungsklassen an Säugerzellmodellen
durch die Arbeitsgruppe von Prof. Überall. Ein solch ambitioniertes Forschungsvorhaben benötigt eine
exzellente Infrastruktur. Diese wird durch das Biozentrum unter der Leitung von Unv. Prof. Dr. Lukas Huber zur
Verfügung gestellt und bildet die Basis für den Erfolg.
Projektteam
Walter Schiegl, EGGER-Gruppe, Dr. Martin Steinwender (Competence-Center, EGGER Unterradlberg), DI Stefan Martini,
DI Markus Kleinhappl (Bioenergy2020+ GmbH., Graz), MSc. Kathrin Becker, Dr.in Mag.a Johanna Gostner, Mag.a Martina
Naschberger, Dr. MMag. Peter Gruber, DI Dr. Mag. Oliver Wrulich, Bsc. Simon Überall, DI(FH) Hannes Zeisler,
Ao. Univ. Prof. Dr. Mag. Florian Überall (Abteilung für Medizinische Biochemie, Eco- & Nutritional
Biochemistry)
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