Verhandlungen für die Verfassungsmehrheit gehen weiter
Wien (pk) - Die Gespräche zwischen Koalitionsparteien und Opposition über ein umfassendes, verfassungsrechtlich
verankertes Spekulationsverbot für alle öffentlichen Hände in Österreich gehen bis zum Nationalratsplenum
der kommenden Woche weiter. Die Regierungsentwürfe und die Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
über eine risikoaverse Finanzgebarung passierten am 21.02. den Budgetausschuss mit der Mehrheit von SPÖ
und ÖVP, die Verankerung des Spekulationsverbots in der Finanzverfassung bedarf aber einer Zweidrittelmehrheit
im Nationalrat. Vertreter der Regierungsparteien sahen die Vorstellungen zwischen Regierung und Opposition nahe
beieinander und auch Sprecher von FPÖ, Grünen und BZÖ registrierten das Bemühen der Finanzministerin,
einen Konsens in der wichtigen Frage eines wirksamen Spekulationsverbots herbeizuführen, nannten aber den
Umstieg von der Kameralistik auf die Doppik auch bei Ländern und Gemeinden sowie eine wirksame Verankerung
des Spekulationsverbots in der Verfassung als Bedingungen für eine Zustimmung zu den Vorlagen der Bundesregierung.
Abgeordneter Elmar Podgorschek (F) berichtete von positiven Verhandlungen im Vorfeld der Ausschusssitzung, bei
denen Anregungen der Opposition und des Rechnungshofes ernst genommen worden seien und lobte Finanzministerin Maria
Fekter für ihre entgegenkommende Gesprächsführung. Man habe in wichtigen Fragen, etwa bei der Einführung
eines einheitlichen Rechnungswesens in ganz Österreich und vergleichbaren Rechnungsabschlüssen bei Bund,
Ländern und Gemeinden grundsätzliche Einigung erzielt, die diesbezüglichen Änderungen in den
Regierungsentwürfen liegen aber noch nicht vor, daher könne seine Fraktion noch nicht zustimmen.
Dem Lob für Bundesministerin Maria Fekter schloss sich auch Abgeordneter Werner Kogler (G) an und konstatierte,
dass der Bund in dieselbe Richtung gehen wolle wie die Opposition. Es stelle sich aber die Frage, ob man eine Lösung
unter Zeitdruck bis zum nächsten Plenum herbeiführen oder nicht doch lieber sorgfältig unter Beiziehung
von Experten verhandeln sollte.
Abgeordneter Günter Stummvoll (V) dankte seinerseits für die konstruktiven Gespräche zwischen den
Parteien und erklärte den Umstand, dass die Änderungen der Regierungsentwürfe noch nicht vollständig
vorliegen, mit notwendigen Abklärungsgesprächen mit den Bundesländern. Stummvoll zeigte sich aber
zuversichtlich, dass es gelingen werde, bis zum Plenum in der kommenden Woche eine Einigung herbeizuführen.
Eine Entscheidung werde nicht leichter, wenn man sie hinausschiebe, sagte der Redner und drängte darauf, über
die Zustimmung der Opposition bis zum Plenum weiterzuverhandeln.
Finanzministerin Maria Fekter bekannte sich dazu, auch den Ländern und Gemeinden eine möglichst getreue,
vollständige und einheitliche Darstellung ihrer finanziellen Lage (Liquiditäts-, Ressourcen- und Vermögenssicht)
in der Finanzverfassung festzuschreiben und dort auch eine Ermächtigung vorzusehen, die es ihr erlaube, den
Gebietskörperschaften Mindestanforderungen für das Spekulationsverbot per Verordnung vorzuschreiben.
Zudem schlug die Ministerin vor, in einer Entschließung des Nationalrates festzuhalten, dass diese Mindestanforderungen
den Grundsätzen der Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) entsprechen. Diese legistische
Konstruktion sei zweckmäßig, so die Finanzministerin, denn es sei nicht möglich, die sehr umfangreichen
ÖBFA-Richtlinien in die Finanzverfassung aufzunehmen.
Abgeordneter Alois Gradauer (F) sprach von einer wichtigen Entscheidung, in der es letztlich darum gehe, ob Spekulationen
mit Steuergeldern künftig verhindert werden können. Da die konkreten Vorbereitungen dieser Entscheidung
nicht ausreichten, brauche man noch Zeit für Verhandlungen, sagte Gradauer und beantragte die Vertagung der
Regierungsvorlagen. Gegenüber der Finanzministerin wandte Gradauer ein, Mindeststandards für eine riesige
risikoaverse Finanzgebarung sollten nicht in einer Entschließung, sondern im Gesetz festgeschrieben werden.
Abgeordneter Bruno Rossmann (G) analysierte die vorliegenden Regierungsentwürfe und stellte Schwächen
fest. Die Spekulation mit Wohnbauförderungsgeldern werde nicht ausgeschlossen, es wäre weiterhin möglich,
durch Veräußerungen "Spielgeld" für Spekulationen durch Vermögensveräußerungen
in die Hand zu bekommen. In diesem Zusammenhang registrierte Rossmann die mangelnde Bilanzierung von Erträgen
als größte Schwäche im Rechnungswesen der Gebietskörperschaften. Weiters kritisierte Rossmann,
dass das Spekulationsverbot nicht bundeseinheitlich umgesetzt, sondern in Form von neun Ausführungsgesetzen
realisiert werden solle. Sein Vorschlag lautete auf die Festschreibung der Grundsätze in der Finanzverfassung,
auf ein einziges Ausführungsgesetz und eine einzige ausführende Stelle, die die gesamte Finanzgebarung
für Bund, Länder und Gemeinden abwickelt. Außerdem wiederholte Rossmann einmal mehr seine Forderungen
auf Ausweitung der Haushaltsrechtsreform auf die Bundesländer. Die Kontrolle des Spekulationsverbotes setze
nämlich Finanzierungsrechnungen, Ertragsrechnungen und Vermögensrechnungen in den Ländern voraus,
bloße Berichtspflichten, wie sie die Regierung vorschlage reichten dafür nicht aus. Schlechte Erfahrungen
mit dem "Koordinationskomitee" bei der Kontrolle des innerösterreichischen Stabilitätspakts
ließen befürchten, dass dieses Gremium auch nicht geeignet sein werde, dass Spekulationsverbot wirksam
zu kontrollieren. Für die Ablauforganisation forderte Rossmann dieselben Anforderungen wie sie bei Banken
gelten. Außerdem sei nicht einzusehen, dass sich ein kleines Land wie Österreich neben der ÖBFA
neun Finanzabteilungen in den Ländern leiste. Das sei schwerfällig, kontraproduktiv und teuer, kritisierte
Rossmann.
Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) betonte die Notwendigkeit, ein modernes Haushaltsrecht in allen Gebietskörperschaften
einzuführen und genau zu klären, was "risikoaverses Verhalten" bedeute. Außerdem bedürfe
es einer Zwischenlösung bis zur Einführung des modernen Haushaltsrechts in allen Gebietskörperschaften.
Gegenüber Abgeordneten Rossmann (G) machte Krainer auf Unterschiede zwischen Gebietskörperschaften und
Banken aufmerksam, erteilte dem Vorschlag auf Vertagung eine Absage und zeigte sich bereit, bis zum Plenum über
weitere Abänderungen zu verhandeln
Abgeordneter Rainer Widmann (B) unterstrich seitens seiner Fraktion den Wunsch, im Rechnungswesen aller Gebietskörperschaften
von der Kameralistik auf die Doppik umzusteigen und ein wirksames Spekulationsverbot zu beschließen. Das
derzeit offene Zeitfenster für ein gutes Ergebnis sollte genützt werden, die Beratungen nicht vertagt
werden, sondern bis zum Plenum eine Lösung auszuverhandeln.
Abgeordneter Werner Kogler (G) fasste die Kernforderungen seiner Fraktion zusammen, indem er eine integrierte Finanzierungs-,
Ergebnis- und Vermögensrechnung bei allen Gebietskörperschaften verlangte und auf ein Spekulationsverbot
drängte, das Mindeststandards vorschreibe, um Ereignisse wie in Niederösterreich künftig auszuschließen.
Solche Mindestanforderungen wollte Kogler nicht durch Verweise in der Finanzverfassung vorsehen, sondern "Normkraft
in der Finanzverfassung selbst erzeugen". Fekters Lösungsvorschlag in dieser Frage habe zwar Plausibilität,
es stelle sich aber die Frage, ob diese Lösung praktikabel sei. Mit Abgeordnetem Gradauer stimmte Kogler in
dem Verlangen überein, diese Fragen gründlich im Ausschuss zu beraten und unterstützte dessen Vertagungsanträge.
Dem Vorschlag des Abgeordneten Bruno Rossmann (G), der ÖBFA auch die Finanzierung großer Gemeinden zu
übertragen, widersprach Bundesministerin Fekter. Da der Bund die Gemeinden nicht kontrollieren könne,
sei sie strikt dagegen, seitens des Bundes Schulden der Gemeinden zu übernehmen.
Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlagen zur Änderung des Finanz-Verfassungsgesetz mit dem Gebot einer
"risikoaversen" Finanzgebarung, die diesbezügliche Vereinbarung nach Art. 15a B-VG mit den Bundesländern,
die der Ausschuss eingangs der Sitzung auf die Tagesordnung setzte und Novellen zum Bundeshaushaltsgesetz sowie
zum Bundesfinanzierungsgesetz mit entsprechenden Rechtsanpassungen und der Einbeziehung der Sozialversicherungen
in das Spekulationsverbot mit der Mehrheit der Regierungsparteien Richtung Plenum verabschiedet. Mit derselben
Mehrheit nahm der Ausschuss SPÖ-ÖVP-Abänderungsanträge mit redaktionellen Verbesserungen und
die Einbeziehung der Bauarbeiter-Urlaubskasse in das Spekulationsverbot sowie die Vereinbarung mit den Bundesländern
an. Die Vertagungsanträge der FPÖ waren in der Minderheit geblieben.
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