Wien (wifo) - Hochschulen sind zentrale Institutionen in einer wissensbasierten Gesellschaft wie Österreich.
Ihre Aufgabenerfüllung wird immer wichtiger für Wirtschaft und Gesellschaft, während sie durch den
internationalen Wettbewerb um Studierende, Forschende und Lehrende erschwert wird. Das österreichische Steuerungssystem
weist Defizite vor allem hinsichtlich der Qualitätssteuerung auf. Wettbewerbsfähige Hochschulen erfordern
neben einer höheren Finanzierung Reformen der Mittelvergabe sowie der Karriere- und Organisationsstrukturen,
insbesondere der Perspektiven für junge Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Es muss möglich sein,
die Zahl der Studierenden mit den Ressourcen der Hochschulen abzustimmen.
Die Kernaufgabe der Hochschulen liegt in der Bearbeitung von Wissen: Forschung (Wissensproduktion), Lehre (Wissensvermittlung)
und Unterstützung bei der Nutzung von Hochschulwissen als Beitrag zur Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft.
Dazu kommen weitere Ansprüche an die Hochschulen wie z. B. Gendergerechtigkeit, die Partizipation bildungsferner
Schichten, die Förderung des regionalen Umfeldes usw. Diese Vielfalt der Aufgaben ist eine zentrale Herausforderung
für die Qualität und Quantität ihrer Erfüllung durch Österreichs Hochschulen.
Alle Aufgaben gewinnen in den Industrieländern stark an Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft, etwa
für das Wirtschaftswachstum, für individuelle Beschäftigungschancen, für die Lösung gesellschaftlicher
und technologischer Probleme (z. B. Klimawandel, Ressourcenknappheit). Alles spricht für einen weiteren Bedeutungszuwachs
der Aufgaben in der Zukunft. Die Aufgabenerfüllung wird zusätzlich schwieriger, weil der internationale
Wettbewerb um Studierende, Forschende und Forschungsressourcen stark zunimmt: Eine hohe Mobilität von Wissenschafterinnen
und Wissenschaftern trifft auf Bemühungen, Mobilitätshemmnisse zu beseitigen (z. B. in der Form des Europäischen
Forschungsraumes), und auf weltweit verstärkt nach Qualitätsaspekten rekrutierende Hochschulsysteme.
In internationalen Vergleichen der Forschungsleistung von Hochschulen bleibt Österreich derzeit deutlich hinter
Ländern wie Schweden, Dänemark und Niederlande zurück, die ein ähnliches Pro-Kopf-Einkommen
aufweisen (Abbildung 1).Besonders wichtig für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen
Hochschulen erscheinen die folgenden Elemente:
- Die Universitätsautonomie wäre zu vervollständigen (entsprechend
den Fachhochschulen; Möglichkeit der Auswahl von Studierenden und der Abstimmung der Ressourcen mit der Zahl
der Studierenden, etwa durch eine ausgebaute Studienplatzfinanzierung).
- Die Finanzierung in Relation zur Zahl der Studierenden sollte auf das Niveau
führender Vergleichsländer wie Finnland, Schweiz, Schweden usw. angehoben werden, die bei ähnlichem
Einkommensniveau mehr für das tertiäre Bildungssystem ausgeben.
- Die Finanzierung sollte sich verstärkt an der Qualität von Forschung
und Lehre orientieren, etwa durch den signifikanten Ausbau der kompetitiven Projektförderung einschließlich
der Finanzierung indirekter Projektkosten. Dabei sollten junge Forschende ihre Forschung verstärkt über
universitätsinterne Mittel, etablierte Forschende (mit Festanstellung) eher über Drittmittel von FWF
u. Ä. finanzieren. Eine Neubetrachtung von § 26 Universitätsgesetz 2002 wäre notwendig, um
die Verteilung der Drittmitteleinnahmen und den Spielraum für gesamtuniversitäre Qualitätsstrategien
neu zu regeln.
- Die Karriere- und Organisationsstrukturen sollten attraktiver gestaltet werden,
etwa so wie am Institute of Science and Technology Austria. Qualität und Quantität des wissenschaftlichen
Personals sind neben der Finanzierung die wesentlichen Bestimmungsfaktoren der Aufgabenerfüllung. Daher sind
Rekrutierungsmechanismen, Karrierewege und Organisationsstrukturen so zu gestalten, dass sie für die weltbesten
Forschenden und Lehrenden attraktiv sind. Das spricht insbesondere für die flächendeckende Einführung
strukturierter Doktoratsstudien, durchgängiger Laufbahnperspektiven bis zum Full Professor und von Departmentstrukturen,
die die Zahl der unabhängig Forschenden wesentlich steigern würde. Solche Strukturen wären auch
der Gendergerechtigkeit und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zuträglich. Sie erfordern eine Novelle
des Universitätsgesetzes, die insbesondere das gesonderte Berufungsprozedere für ordentliche Professuren
beseitigt im Sinn der Ausdehnung selektiver Auswahlverfahren auf Assistenzprofessuren (§ 98 Universitätsgesetz
2002).
- Bestehende Instrumente wie die Leistungsvereinbarungen sollten verstärkt
genutzt werden, um die Zahl der Absolventinnen und Absolventen aus bildungsfernen Schichten zu steigern.
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