Von 08.03. bis 04.04. im Österreichischen Filmmuseum
Wien (filmmuseum) - Robert Bresson (1901–1999) zählt heute zu den Großmeistern der Filmgeschichte,
sein Schaffen wird retrospektiv dem Weltkulturerbe des 20. Jahrhunderts zugeschlagen. Erinnert sich noch jemand
an die radikale Ablehnung, die ihm so oft aus der französischen Kinobranche entgegenschlug? An das utopische
Leuchten, das jeden Film umgibt, den er dem System abrang? Der Widerstand, das Engagement, die «Handgreiflichkeit»
und Lässigkeit Bressons, diese Aspekte müssen immer neu betont werden bei einem Werk, dem der generalisierende
Ruf des Streng-Asketischen und Spirituellen vorauseilt – und das damit nur ansatzweise erfasst ist.
Denn Bresson hat dasselbe «Problem» wie Hitchcock, Dreyer, Tarkovskij, Ozu, Straub-Huillet oder Cassavetes:
Sein Name allein evoziert mittlerweile eine ganze Ideenwelt und Ästhetik; selbst Menschen, die noch nie einen
seiner Filme gesehen haben, sich aber für Kultur interessieren, «wissen», was mit «Bresson»
gemeint ist. Gemeint ist: ein Kino der erzählerischen Verknappung, der Reduktion filmischer Mittel und der
konsequenten Arbeit mit Nicht-Schauspielern, die Bresson «Modelle» nannte. Ihre letztgültige Zuspitzung
fanden sie in jenem geduldigen Esel, der – unter dem Filmnamen Balthazar – so manchem Darsteller von Weltruhm als
unerreichbares Vorbild vollkommenen Schauspiels gilt.
Meisterwerke mit religiösen Fabeln oder Motiven, allen voran «Journal d'un curé de campagne»
(Tagebuch eines Landpfarrers, 1951) und «Procès de Jeanne d'Arc» (1962), aber auch der Erstling
«Les Anges du péché» (1943) und das späte Hauptstück «Le Diable probablement»
(Der Teufel möglicherweise, 1977) festigten dieses Bild – fast bis zur Versteinerung. Es gilt also, Bresson
gegen den Strich zu lesen, exakt so, wie er seine Filme gemacht hat: Er war einer der aufmerksamsten, geistig flinksten,
in der Wahl seiner Maßgaben erfindungsfreudigsten, vor allem aber sinnlichsten Filmschaffenden aller Zeiten.
Im Hinterkopf mag man vielleicht das Bild eines wachsamen Lounge Lizard behalten, der einige seiner Stars in jenen
Nachtclubs entdeckte, wo sich die Pariser Intelligenzia vergnügte; aber auch das eines versierten Handwerkers,
der etwa den James-Bond-Zimmermann John Glen als äußerst talentierten Kollegen schätzte.
All dies soll nicht heißen, dass die religiöse Dimension im Schaffen Bressons ein Hirngespinst überspannter
Esoteriker sei. Realiter lässt sich Bresson sehr gut im Rahmen einer katholischen Moderne in Frankreich diskutieren,
für die in anderen Künsten Namen wie Paul Claudel, Georges Bernanos (den Bresson kongenial adaptierte)
oder Olivier Messiaen stehen. Gerade letzterer erscheint oft wie ein Seelenzwilling Bressons – man höre nur
einmal Messiaens «Quatuor pour la fin du temps» im Anschluss an «Un condamné à
mort s'est échappé» und folge den widerständigen Harmonien in beiden Werken ...
Widerstand ist ein zentraler Begriff für Bressons Kino. Geboren in Bromont-Lamothe, begann er seine Filmarbeit
in einem der politisch heikelsten, härtest umkämpften Augenblicke der französischen Geschichte.
Schon sein Kurzfilm «Affaires publiques» (1934), eine bizarre, surreal grundierte Farce, legt nahe,
dass hier ein Geist tobt, der sich nicht mit den landläufigen Machenschaften der organisierten Politik gemein
machen will. «Les Anges du péché», entstanden während der deutschen Okkupation Frankreichs,
erweist sich als eine perfekt gezirkelte und subversive Parabel über Freiheit und Macht, ein Thema, das er
sogleich (in einem der Lieblingsfilme von Dominik Graf) variieren wird, in einem gänzlich anderen, frostigeren
und zugleich gestochen melodramatischen Tonfall: in «Les Dames du Bois de Boulogne» (1945).
Bresson war vor allem ein Skeptiker, dessen Filme ihren Zeiten oft einen (Zerr-)Spiegel vorhielten. So ist «Ein
zum Tode Verurteilter ist entflohen» oder «Der Wind weht, wo er will» (1956) eine Ohrfeige für
die Ära De Gaulle und deren Repräsentanten. Der damals herrschende Zeitgeist – Frankreich als einiges
Résistance-Land – wird beißend desavouiert, zugleich wird Bescheidenheit angemahnt, wo allein Hybris
herrscht. «Quatre nuits d'un rêveur» (1971) und «Le Diable probablement» erweisen
sich später als solidarisch-zweifelnde oder gar verzweifelte Kommentare zu '68 und den Folgen, während
«Lancelot du Lac» (1974) mit seinen klappernden Rüstungen und lähmend schleichenden wie drastisch
blutigen Kämpfen immer noch eine der pointiertesten Allegorien über den Vietnamkrieg darstellt.
Bresson war unbequem, ein Neinsager vor dem Herrn. Sein finales Meisterwerk, «L'Argent», geriet ihm
zu einer veritablen Vivisektion gesamtgesellschaftlicher Gewaltverhältnisse, hier im Kapitalismus. Danach
war gesagt, was zu sagen war. Bresson zog sich zurück aus der Welt, empfing angeblich nur noch selten Besuch
und verschied in Paris am 18. Dezember 1999. Während der Wind weiter weht, wie er will.
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