Wien (wifo) - Die Wachstumsperspektiven einer hochentwickelten Volkswirtschaft hängen von Wissen und Innovationsfähigkeit
der Arbeitskräfte ab. Je höher das Pro-Kopf- Einkommen in einem Land ist, desto mehr werden diese Komponenten
zu entscheidenden Erfolgsfaktoren. Die Tendenzen zur Globalisierung, zur Bewältigung des Klimaproblems durch
Innovation und die Alterung der Bevölkerung unterstreichen die Bedeutung von Wissen für Wirtschaft und
Gesellschaft. Eine der wichtigsten Herausforderungen für hochentwickelte Volkswirtschaften wie Österreich
besteht daher in der Gewährleistung eines Bildungssystems von hoher Qualität, beginnend mit der vorschulischen
Betreuung bis hin zu den Hochschulen. Derzeit zeigen Schulleistungsvergleiche Trends, die konträr zum Strukturwandel
der Wirtschaft verlaufen: Während verstärkt mittlere und hohe Qualifikationen nachgefragt werden, steigt
der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die ein Mindestkompetenzniveau nicht erreichen. Die Reformen
sollten daher intensiviert werden.
Gemessen am BIP pro Kopf (kaufkraftbereinigt) nahm Österreich 2012 innerhalb der EU nach Luxemburg und den
Niederlanden und noch vor Schweden den 3. Rang ein. In einer so hochentwickelten Volkswirtschaft leistet Bildung
einen zentralen Beitrag zur Innovationsfähigkeit und damit auch zu den Entwicklungsperspektiven der Wirtschaft.
Eigenständige Innovationen erfordern entsprechende Qualifikationen der Arbeitskräfte. Wie Untersuchungen
auf Unternehmensebene zeigen, ist der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in diesen Ländern das am
häufigsten wahrgenommene Innovationshemmnis, weit vor Finanzierungsproblemen.
Die Bedeutung von Bildung als Ermöglicher von Innovation macht ihren Wachstumsbeitrag abhängig von weiteren
Faktoren, die für Innovationserfolge entscheidend sind, darunter die Qualität des Innovationssystems
(z. B. Forschungs- und Technologiepolitik, geistige Eigentumsrechte, Regulierungen, Unternehmensgründungen
usw.). Setzt etwa die Forschungspolitik massive Anreize für Unternehmen, F&E-Aktivitäten aufzunehmen
und zu intensivieren - wie derzeit in Österreich -, dann muss die Bildungspolitik der in der Folge steigenden
Nachfrage nach Forschern und Forscherinnen sowie Arbeitskräften gerecht werden, die über innovationsrelevante
Kompetenzen verfügen. Eine Wachstumspolitik muss daher das Bildungssystem systemisch mit anderen Politikbereichen
und Wachstumsfaktoren betrachten. Der Qualität des Bildungssystems kommt dabei besonders hohe Bedeutung zu.
Die Qualität des Bildungssystems muss grundsätzlich vielschichtig analysiert werden, sie sollte deshalb
nicht auf wenige Indikatoren reduziert werden. Die Indikatoren in Übersicht 1 können keine umfassende
Analyse ersetzen (insbesondere PISA-Werte 2009 sind mit Vorsicht zu interpretieren), ihre wenig zufriedenstellende
Ausprägung sollte jedoch Anlass zur Sorge und für weitere, detailliertere Untersuchungen und Reformbestrebungen
sein. Insbesondere sollte der in Abbildung 1 vor allem im Sekundarbereich (PISA) deutlich erkennbare Trend zum
wachsenden Anteil von Schülerinnen und Schülern, die ein Mindestkompetenzniveau nicht erreichen, und
zum sinkenden Anteil von Schülerinnen und Schülern, die ein anspruchsvolles Kompetenzniveau erreichen,
umgekehrt werden. Diese Entwicklung steht in direktem Gegensatz zur Veränderung der Qualifikationsnachfrage
der Unternehmen in Österreich: Branchen mit Nachfrage nach höheren Qualifikationen wachsen, während
jene mit Nachfrage nach niedrigen Qualifikationen schrumpfen. Seit 1985 verringerte sich der Wertschöpfungsanteil
von Branchen mit niedriger Qualifikationsintensität, d. h. mit vergleichsweise geringen Anforderungen an die
Qualifikation der Arbeitskräfte (z. B. Bekleidungsindustrie, Gießerei), um rund 11 Prozentpunkte (EU
15 rund -4 Prozentpunkte), während das Gewicht der Branchen mit hoher Qualifikationsintensität (z. B.
Herstellung von Werkzeugmaschinen) um rund 6,5 Prozentpunkte stieg (EU 15 +3,5 Prozentpunkte).
In den letzten Jahren wurden bereits Reformen eingeleitet, deren Wirkung erst verzögert sichtbar werden wird.
Die Förderung der Qualität des Bildungssystems sollte weiterhin höchste Priorität genießen,
um die weitere Wirtschaftsentwicklung zu unterstützen und den Verbleib Österreichs unter den einkommensstärksten
Ländern der EU und der OECD zu sichern.
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