Linz (jku) - Der österreichweit erste Lehrstuhl in diesem Bereich soll an der JKU errichtet werden An der
zu gründenden Medizinischen Fakultät der JKU ist gemeinsam mit der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen
Fakultät ein Forschungszentrum für Public Health geplant. Neben Gesundheitsförderung und Altersforschung
wird die Versorgungsforschung ein Schwerpunkt dieses Zentrums sein. Für dieses Forschungsgebiet soll in Linz
österreichweit der erste Lehrstuhl errichtet werden. In einem zeitgemäßen Curriculum, das die Ausbildung
von versorgungswirksamen Ärztinnen und Ärzten zum Ziel hat, werden die genannten Forschungsgebiete auch
Inhalte der medizinischen Lehre sein.
Auf Seiten der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät sind eine Reihe von Instituten und Abteilungen
hochpotente Kooperationspartner für dieses Zentrum. Mit der Abteilung Gesundheitsökonomie bestehen bereits
konkrete Kooperationsabsichten für die Versorgungsforschung.
Konkretisierung der Pläne mit Expertenteams
Das Projektteam zur Errichtung einer Medizinischen Fakultät (Land OÖ, Stadt Linz, JKU, Medizinische
Gesellschaft für OÖ) zieht zur Konkretisierung der geplanten Forschungsschwerpunkte unterschiedliche
Experten bei. Für den gegenständlichen Forschungsschwerpunkt konnte Prof. Holger Pfaff, der Stellvertretende
Vorsitzende des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung, gewonnen werden. Bei einem Arbeitsgespräch wird
die Expertise dieses hochrangigen Experten in das Forschungskonzept der Medizinischen Fakultät einfließen.
Einheit von Forschung und Lehre
Im Lancet Report, in welchem eine hochkarätige internationale Kommission die Anforderungen an eine zeitgemäße
Medizinerausbildung formuliert, wird eine "systembased"- Ausbildung verlangt. Will man diese Anforderung
erfüllen und die Studierenden bereits während des Studiums auf das Gesundheitssystem, in welchem sie
arbeiten sollen, vorbereiten, bedarf es entsprechender universitärer Strukturen. Ein interfakultäres
Zentrum für Public Health bietet dafür die optimalen Voraussetzungen. Da hiermit auch gleichzeitig wesentliche
Forschungsschwerpunkte formuliert werden, wird für die Ausbildung versorgungswirksamer Mediziner die optimale
Einheit von Lehre und Forschung gewährleistet.
Warum Versorgungsforschung?
Österreich liegt bei den Gesundheitsausgaben pro Kopf in der EU an dritter Stelle, bei den gesunden Lebensjahren
jedoch am viertletzten Platz (OECD: Health at a Glance, 2010). Neben den geringen Ausgaben für Prävention,
muss der ineffiziente Mitteleinsatz als Hauptursache für dieses Missverhältnis genannt werden. "Zur
Verbesserung dieser Situation kann die Versorgungsforschung einen wesentlichen Beitrag leisten. Sie ist in Österreich
derzeit nur rudimentär entwickelt und universitär nicht verankert. Sie ist jedoch die Voraussetzung dafür,
dass neben Unter- und Überversorgung, auch eine Fehlversorgung wahrgenommen werden kann", sagt Dr. Franz
Schramm, Präsident der Medizinischen Gesellschaft für Oberösterreich.
Was ist Versorgungsforschung?
Versorgungsforschung ist ein fachübergreifendes Forschungsgebiet, das die Kranken- und Gesundheitsversorgung
sowie ihre Rahmenbedingungen beschreibt und kausal erklärt. Sie trägt zur Entwicklung wissenschaftlich
fundierter Versorgungskonzepte bei, erforscht die Umsetzung neuer Versorgungskonzepte begleitend und evaluiert
die Wirksamkeit von Versorgungsstrukturen und -prozessen unter Alltagsbedingungen (H. Pfaff, 2003). Die Versorgungsforschung
ist also
- ergebnisorientiert
- multidisziplinär und multiprofessionell und
- patientenorientiert.
"Demografischer Wandel und gesellschaftliche Veränderungen stellen das Gesundheitssystem vor große
Herausforderungen. Ziel der Versorgungsforschung ist es, Wissen zur Verbesserung der Kranken- und Gesundheitsversorgung
zu liefern und dadurch Über-, Unter- und Fehlversorgung zu vermeiden. Denn wenn es um eine gute Patientenversorgung
geht, sind medizinische Erkenntnisse wichtig. Entscheidend ist aber auch die Frage: Was kommt davon im Alltag überhaupt
an? Diese Frage beantwortet die Versorgungsforschung", erklärt der Fachexperte Prof. Holger Pfaff.
Wichtige Anwendungsfelder und Nachbardisziplinen der Versorgungsforschung sind neben den klinischen Fachgebieten,
die Pflegeforschung, die Qualitäts- und Patientensicherheitsforschung, die Lebensqualitätsforschung und
die Gesundheitsökonomie.
"Versorgungsforschung (Health System Research) hat sich neben der Grundlagenforschung und der Klinischen Forschung
international als dritte Säule der Medizinischen Forschung etabliert. In Österreich ist sie bisher universitär
nicht eigenständig verankert. Die JKU würde hier die Vorreiterrolle übernehmen", betont Prof.
Meinhard Lukas, Dekan der Juridischen Fakultät an der JKU.
Der Lehrstuhl für Versorgungsforschung wird am fakultätsübergreifenden Zentrum für Public Health
angesiedelt. Diese Nähe des Forschungsgebiets zu seinem wesentlichsten Forschungsfeld ermöglicht
- praxisnahe Studiendesigns
- optimale Bedingungen für die begleitende Forschung
- durch das Institut für Allgemeinmedizin einen extramural verankerten
- Forschungspartner
- durch die Kooperation mit dem Zentrum für klinische Studien einen effizienten
Mitteleinsatz und
- eine Vertiefung des klinischen Schwerpunkts Altersmedizin.
Bereiche der Versorgungsforschung
Da in Linz der österreichweite Schwerpunkt der Versorgungsforschung geplant ist, soll grundsätzlich
die gesamte Breite des Forschungsgebiets abgedeckt werden:
- Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemanalyse
- Leistungsmessung und Leistungsbewertung im Gesundheitswesen
- Lebensqualitätsforschung und Erhebung von patientenbezogenen Enddaten (patient
reported outcome)
- Organisationsbezogene Versorgungsforschung (Organisation der stationären,
ambulanten und integrierten Versorgung)
- Selbsthilfeforschung, Patientensouveränität, Patientenrechte, Patienteninformation
- Entwicklung forschungsleitender Theorien in der Versorgungsforschung
- Gender-Gerechtigkeit in den Forschungs-Designs
"Will man versorgungswirksame Ärztinnen und Ärzte ausbilden, die den Anforderungen des Berufs gewachsen
sind, so müssen diese schon während des Studiums auf das Gesundheitssystem, in dem sie tätig werden
sollen, vorbereitet werden. Hier wird der österreichweit einmalige Schwerpunkt Versorgungsforschung die notwendigen
Lehrinhalte vermitteln und so auch zur Beseitigung des strukturellen Ärztemangels beitragen", so Dr.
Schramm.
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