Wolken-Hommage im Leopold Museum

 

erstellt am
22. 03. 13
14.00 MEZ

Die Welt des Flüchtigen von Monet bis Warhol
Wien (leopoldmuseum) - Nach der Erfolgsausstellung "nackte männer" eröffnete am 21.03. die nächste ungewöhnliche Ausstellung im Leopold Museum. Dem faszinierenden Thema Wolken widmet das Museum unter dem Titel "WOLKEN. Welt des Flüchtigen" die erste umfassende Überblicksausstellung. Für Leopold Museum Direktor Tobias G. Natter geht mit dieser Schau ein langgehegter Wunsch in Erfüllung, nämlich "das schwer Fassbare der Wolken in Meisterwerken aus ganz Europa" zu präsentieren. Verblüffender Weise waren Wolken bislang kaum Thema einer eigenen Ausstellung obwohl sie in zahlreichen bedeutenden Kunstwerken eine entscheidende Rolle spielen. Nun spannen mehr als dreihundert Werke, von Monet über Magritte zu Warhol, von Constable und Turner bis Richter einen Bogen von der "Erfindung" der Wolken um 1800 bis zu Positionen der Gegenwart. "Die Aussage Theodor W. Adornos, dass jedes Kunstwerk ein Augenblick ist, bewahrheitet sich in der Wolken-Ausstellung im doppelten Sinn", so Tobias G. Natter.

Wolken als Hauptakteure
Die von Direktor Tobias G. Natter und Sammlungskurator Franz Smola kuratierte Ausstellung nähert sich dem facettenreichen Thema Wolken in zwölf höchst unterschiedlichen Themenbereichen. Tobias G. Natter zu Konzept und Ziel der Wolken-Schau: "In der Ausstellung geht es um Bilder, in denen Wolken nicht nur Hintergrunderscheinung sind, sondern Hauptakteure, oft sogar alleiniges Bildthema". Das Spiel von Wolken und Licht wird als Mittel der Bildinszenierung eingesetzt, sorgt für Dramatik und Bewegung. "Man kommt aus dem Staunen schwer wieder heraus. 200 Jahre Wolken und keine gleicht der anderen", wie es die APA treffend formuliert.

Wolken: Träger von Empfindungen und Botschaften
Bildschöpfungen von der Zeit der Romantik bis heute führen vor Augen, wie sich Künstlerinnen und Künstler von Wolken nicht nur inspirieren ließen, sondern Wolkendarstellungen zentral ins Bild rückten und sie zu Trägern unterschiedlicher Empfindungen und Botschaften machten. Dabei treffen Zeichen poetischer Leichtigkeit und romantischer Interpretationen auf bizarre Gebilde, werden geheimnisvolle Himmelserscheinungen zu Menetekel. Lichterfüllte Wolkenstudien treffen auf Industriewolken, Fiktion auf Wirklichkeit, Naturkatastrophen auf atomaren Fallout.

Die Erfindung der Wolken um 1800
Dass der für die Schau ausgewählte Zeitraum - 1800 bis heute -nicht zufällig gewählt wurde, erklärt Kurator Franz Smola: "Ausgangspunkt der Ausstellung ist die sprichwörtliche "Erfindung" der Wolken in Kunst und Wissenschaft." Erst um 1800 werden sie naturwissenschaftlich erforscht und erhalten die noch heute gültigen Namen und Klassifizierungen. Davor galten Wolken als nicht fassbar, flüchtig und regellos. Parallel zur wissenschaftlichen Recherche fand auch die Malerei einen völlig neuen Zugang zur Thematik. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts widmen sich Künstler auffallend intensiv der akribisch-realistischen Darstellung von Wolken. Bahnbrechend sind etwa die herausragenden englischen Landschaftsmaler William Turner und John Constable - der wohl wichtigste Wolkenmaler überhaupt, ebenso Caspar David Friedrich, der Hauptvertreter der deutschen Romantik.

Himmel der Impressionisten - Wolke als Ornament
Meisterwerke von Claude Monet, Alfred Sisley, Vincent van Gogh, Paul Cézanne u.a. richten den Blick auf den lichtdurchdrungenen "Himmel der Impressionisten". Wie um 1900 "Wolken als Ornament" eingesetzt wurden, zeigen Werke von Ferdinand Hodler, Kolo Moser etc. Die ästhetisch verfeinerte Stilkunst verwandelte Wolken in ornamentale Arabesken. Der Weg führte über die formale Reduktion hin zu geometrischer Umdeutung.

Fotografie: Das Festhalten flüchtiger Natureindrücke
Für die Kuratoren Tobias G. Natter und Franz Smola war es ein besonderes Anliegen, der um 1840 einsetzenden Fotografie in der Ausstellung einen gewichtigen Stellenwert einzuräumen: Sie revolutionierte die Möglichkeiten für das Festhalten von Natur und ihrer flüchtigen Phänomene. Früheste Wolkenstudien um 1850 sind besonders prominent in der Ausstellung vertreten, ebenso piktorialistische Arbeiten um 1900. Im Rahmen der Schau sind Lichtbilder in einer Qualität und Vielfalt vertreten, wie noch in keiner anderen Ausstellung des Leopold Museum zuvor. Zu sehen sind Fotografien von Ansel Adams, Henri Cartier-Bresson, Hugo Henneberg, Heinrich Kühn, Gustave Le Gray, Edward Steichen und Alfred Stieglitz sowie zeitgenössische Arbeiten von Six & Petritsch, Olafur Eliasson u.v.m.

Über den Wolken: Der Blick aus der Vogelperspektive
Neue Perspektiven bringt das frühe 20. Jahrhundert, als die ersten Wolkenkratzer in den Himmel und über die Wolken hinaus schießen. Ursprünglich war der Blick von oben unerschrockenen Bergsteigern und Forschern vorbehalten, die von hohen Gipfeln aus den Blick auf nebelige Täler werfen konnten. Durch die revolutionäre Technologie der Luftfahrt und die konsequente Weiterentwicklung der Fotografie werden Darstellungen von Wolken aus der Vogelperspektive rasch populär.

Metamorphosen
Für den Surrealismus sind Wolken durch das keine Grenzen Respektierende, ihre Unbestimmtheit, das Traumhafte und Unwirkliche von besonderem Interesse. Die Dinge sind hier nicht, was sie scheinen. Die Metamorphose der Wolken ist das Spiel zwischen bizarrer Verfremdung und dem Triumph des Unberechenbaren, erlebbar in der Ausstellung durch herausragende Beispiele der surrealistischen Kunst von René Magritte oder Herbert Bayer.

Gewitterwolken
Wolken bestimmen den Himmel auf unterschiedlichste Art und Weise, etwa als Krönung harmonischer Abendstimmungen oder als Projektionsfläche für wildromantische Sonnenuntergänge. Andererseits kann der sich verfinsternde, wolkenverhangene Himmel auch ein sich bedrohlich aufbauendes Gewitter ankündigen. Ein perfektes Beispiel aus den Beständen des Leopold Museum ist der dunkle Wolkenturm in Gustav Klimts "Aufziehendes Gewitter".

Ungeheure Schönheit und Menetekel
Auch die von Menschen geschaffenen Wolkengebilde, Rauchschwaden aus Industrieschloten, der Dampf von Lokomotiven oder aus Kühltürmen, zeugen von einer neuen Ära. Industriewolken werden zum Symbol eines rastlosen Werkens, können aber auch als Menetekel, als unheilverkündende Warnung und Zeichen für die Zerstörung der Natur verstanden werden. Seltsam berührt uns die eigenartige Ästhetik und ungeheure Schönheit der Bilder von Naturkatastrophen, etwa jene der Aschewolken von Vulkanausbrüchen. Rauchwolken bei Großfeuern oder Aufnahmen von Atompilzen fügen sich scheinbar nahtlos in diese Reihe.

Clouds revisited: Fiktion und Wirklichkeit
Wolkeninterpretationen von der Pop-Art bis heute sind Thema des letzten Schwerpunktes. Andy Warhol lässt in den "Silver Clouds" eine Vielzahl mit Helium gefüllter Luftkissen frei durch den Raum schweben. Die "Silbernen Wolken" sehen nicht nur wie glitzernde Warenartikel aus, sie dürfen auch berührt und bewegt werden. Dadurch wechselt der Betrachter in die Rolle eines Konsumenten. Bei Gerhard Richters Wolkenbildern handelt es sich eigentlich um abstrakte Kunstwerke. Die Bilder weisen Ähnlichkeiten mit einem konkreten Wolkenbild auf, obwohl sie eben nicht nach einer fotografischen Vorlage gemalt wurden. Den Künstler interessiert, wie sich in einem abstrakten Malprozess ein Resultat erreichen lässt, das Assoziationen zu Naturphänomenen, in diesem Fall zu Wolken, erlaubt. Weitere Werke stammen etwa von Cory Arcangel, Anselm Kiefer, Eva Schlegel, Studio ++, Dietrich Wegner u.a. Ein Vitrinenband, das sich durch die gesamte Ausstellung schlängelt, zeigt Cover von Langspielplatten. Das Design der sorgfältig gestalteten Plattenhüllen überrascht durch grenzenlosen Erfindungsreichtum.

Wolken-Rahmenprogramm
Begleitend zur Ausstellung lädt ein vielseitiges Rahmen- und Kunstvermittlungsprogramm ein, sich mit dem Thema "Wolken" vertiefend zu befassen. Veranstaltungen wie Vorträge, Lesungen, Künstlergespräche und Themenführungen beleuchten das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln, von der Kunst- und Kulturgeschichte bis hin zur Meteorologie. Zusätzlich bieten Schulprogramme, Workshops für Erwachsene und das LEO Kinderatelier die Möglichkeit, sich aktiv mit der Vielseitigkeit der spannenden Thematik auseinander zu setzen.

Katalog
Zur Ausstellung ist ein umfangreicher von Tobias G. Natter und Franz Smola herausgegebener Katalog bei Hatje Cantz erschienen, mit Fachbeiträgen von Thomas Ballhausen, Werner Busch, Franzobel, Bernhard Greiner, Stefan Kutzenberger, Tobias G. Natter, Franz Smola, Johannes Stückelberger, Paul E. Wagner, Herta Wolf u.a. Das Buch umfasst 368 Seiten und 323 Abbildungen, Verlagsausgabe Hardcover mit Schutzumschlag (ISBN 978-3-7757-3588-9): Euro 40,90; Museumsausgabe: Softcover (ISBN 978-3-9503018-4-7): Euro 29,90.

 

 

 

Informationen: http://www.leopoldmuseum.org

 

 

 

 

 

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