ÖAI-Direktorin Ladstätter informierte in gemeinsamem Pressegespräch über
aktuelle Forschungsprojekte und bot Ausblick auf die Grabungssaison in Ephesos
Wien (bmwf) - "Die Archäologie erweckt alte Kulturen wieder zum Leben", so Wissenschafts-
und Forschungsminister Dr. Karlheinz Töchterle bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit Dr. Sabine Ladstätter,
Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) und Leiterin der Ephesos-Grabung.
Die "Wissenschaftlerin des Jahres 2011" informierte über aktuelle Forschungsprojekte des ÖAI,
insbesondere auch über die Schwerpunkte der heurigen Grabungskampagne in Ephesos. "Die Archäologie
ist zweifellos eine unserer Stärken", betonte Töchterle, der sich im Vorjahr sowohl im Inland (Carnuntum)
als auch Ausland (Ephesos) ein Bild der engagierten Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ÖAI
gemacht hat.
"Von Seiten der Archäologie stehen für 2013 zwei Grabungsprojekte im Zentrum unserer Aktivitäten",
bot Sabine Ladstätter einen Ausblick auf die Ephesos-Grabungskampagne: Einerseits die vom Europäischen
Forschungsrat (ERC) geförderten Ausgrabungen des Cukurici Höyük, eines prähistorischen Tells,
dessen Besiedlung bis in die Phase der Sesshaftwerdung (der Jungsteinzeit) zurückgeht. Andererseits eine etwa
1500 m2 spätantike Residenz südlich der Marienkirche, von der bislang etwa ein Viertel ausgegraben werden
konnte. Ausstattung und Erhaltungszustand des Monuments sind hervorragend und erlauben genaue Studien zur spätantiken
Alltagskultur. In einem direkten Vergleich können Veränderungen der antiken Lebenswelt von der römischen
Kaiserzeit (Hanghaus 2, 3. Jh.) bis in die mittelbyzantinische Zeit (7. Jh.) nachvollzogen werden. "Besonders
interessant und bislang kaum erforscht ist zudem der Übergang von der spätantiken zur spätbyzantinischen
Zeit und damit die Veränderung einer antiken Großstadt zu einem mittelalterlichen regionalen Zentrum",
so Ladstätter.
Ein weiterer Schwerpunkt der Grabung Ephesos ist die Geoarchäologie, die in einem interdisziplinären
Projekt zur Hafenlandschaft von Ephesos verstärkt Einsatz findet. Zur Anwendung kommen paläogeographische,
geomorphologische, geophysikalische und geologische Methoden, aber auch traditionelle archäotopographische
Analysen, um die komplexe Geschichte der Küstengeographie und damit verbunden der zahlreichen Häfen von
Ephesos zu rekonstruieren. Zusammengefasst handelt es sich um eine einzigartige Hafenlandschaft, bestehend aus
Häfen unterschiedlicher Zeitstellungen, Kanälen, Kai-und Pieranlagen und begleitenden Bauten (Leuchttürmen,
etc.), die sich über mehrere Jahrtausende erstreckte.
Eine große Herausforderung bleibt laut der Grabungsleiterin die Sicherung des Monumentenbestandes. Eine Ruinenstätte
wie Ephesos, die seit nunmehr 118 Jahren ausgegraben und von Touristenmassen besucht wird, braucht eine permanente
Wartung und eine Sicherung der Substanz. Zu diesem Zweck wurde ein Konsolidierungsprogramm ins Leben gerufen, dass
mit eigenen Arbeitern und ohne großen finanziellen Aufwand bewältigt werde kann. Nichts desto trotz
ist hier die Unterstützung durch öffentliche und private Geldgeber gefordert.
Der Minister unterstrich den hohen Stellenwert der Interdisziplinarität, die die historischen Aussagemöglichkeiten
verbreitert. In Ephesos sind bspw. neben der Archäologie und der Prähistorie folgende weitere Disziplinen
beteiligt: Anthropologie, Archäobotanik, Archäozoologie, Architektur und Bauforschung, Biologie, Byzantinistik,
Chemie, Epigraphik, Fotografie, Genetik, Geodäsie, Geologie, Geophysik, Numismatik, Paläogeographie,
Restaurierung, Stadtplanung, Statik und Turkologie. Ein konkretes Beispiel ist ein neu entwickeltes Bodenradar
der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), das - auf den Spuren der Wikinger - auch bereits
in Gokstad (Norwegen) zum Einsatz gekommen ist und Archäologen wertvolle Informationen liefert (Auffindung
und Kartierung des im Boden verborgenen archäologischen Erbes).
Ephesos hat in der Türkei nach dem Topkapi Serail in Istanbul die zweithöchste Besucheranzahl. Im Jahr
2012 besuchten erstmals mehr als 2 Millionen Menschen die antike Stadt, das Hanghaus 2 hatte über 150.000
Besucher/innen. Ein neuer Anziehungspunkt entsteht mit dem Großen Theater in Ephesos, das nach 17 Jahren
Restaurierungsarbeiten wieder seine Pforten öffnet. Im Herbst 2012 fand bereits ein Konzert statt, für
Mai 2013 ist die offizielle Eröffnung geplant. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ÖAI haben
durch ihre Arbeit maßgeblich zur Restaurierung beigetragen - das Große Theater in Ephesos wird durch
österreichisches Know-how wieder bespielbar.
Die Grabungskampagne Ephesos 2012 erstreckte sich über elf Monate (20. Jänner bis 8. Dezember). Die Restaurierungskampagne
dauert 12 Monate, ganzjährig sind zwei Restauratoren vor Ort. Ephesos ist ein internationales Grabungsunternehmen:
161 Fachleute und Spezialisten aus 18 Ländern nahmen teil. Durchschnittlich 60 lokale Arbeiter/innen sind
auf der Grabung während der Saison beschäftigt.
Das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) ist eine nachgeordnete Dienststelle des Wissenschafts-
und Forschungsministeriums. Zweigstellen des ÖAI sind in Griechenland (Athen) und Ägypten (Kairo) eingerichtet.
Das größte Grabungsunternehmen ist die Ephesos-Grabung in der Türkei. Das Budget des Wissenschafts-
und Forschungsministeriums für das ÖAI beträgt heuer rund 3,5 Millionen Euro (inklusive Personalkosten).
Hinzu kommen Drittmittel in ca. selber Höhe, die das ÖAI sehr erfolgreich einwirbt. Dazu trägt auch
insbesondere ein ERC-Starting Grant bei, der 2010 an Dr. Barbara Horejs verliehen wurde (Prehistoric Anatolia:
"Sesshafte bis protourbane Gesellschaften in Westanatolien"). Weiters die 2010 gegründete "Ephesos
Foundation", der Verein "Gesellschaft der Freunde von Ephesos" sowie die Stiftungen "American
Society of Ephesus" und "Kaplan Foundation".
|