Gedenkveranstaltung am Westbahnhof – 75 Jahre Erinnerung an den ersten Transport österreichischer
Häftlinge in das KZ Dachau
Wien (bmvit) - Am 1. April 1938 erfolgte vom Westbahnhof aus der erste Transport österreichischer Häftlinge
in das Konzentrationslager Dachau. 150 Österreicher aus allen Bevölkerungsschichten und aus allen politischen
und religiösen Lagern wurden in das KZ Dachau verschleppt. Ihre einzige Schuld bestand in ihrem Bekenntnis
zu Österreich. Die KZ-Gemeinschaft Dachau und die Plattform Österreichische Lagergemeinschaften erinnerten
daran in einer Gedenkveranstaltung und einer Kranzniederlegung am Wiener Westbahnhof. Organisiert wurde die Gedenkveranstaltung
von Prof. Ernst Berger (Medizinische Universität Wien).
Verkehrsministerin Doris Bures, die so wie Andreas Matthä (Vorstandsvorsitzender ÖBB-Infrastruktur-AG)
und der Sänger und Menschenrechtsaktivist Willi Resetarits teilnahm, freute sich ganz besonders, dass mit
Katharina Sasso und Erich Richard Finsches zwei Zeitzeugen bei dieser Gedenkveranstaltung dabei sein konnten.
Die Ministerin erinnert in ihrer Ansprache daran, dass der Nazi-Terror und der "Anschluss" "nicht
unvermutet über Österreich hereingebrochen" sei: "Schon zuvor im Jahr 1933 hatte Kanzler Engelbert
Dollfuß die österreichische Demokratie ausgeschaltet, politische Gegner inhaftiert und die austrofaschistische
Diktatur installiert. Der österreichische Staat war im Frühjahr 1938 schon sturmreif geschossen, mit
den SozialdemokratInnen und KommunistInnen waren überzeugte GegnerInnen des Faschismus bereits von Dollfuß
und Schuschnigg ausgeschaltet und in die Illegalität gedrängt worden. Die Nazis hatten also leichtes
Spiel, Österreich keine Gegenwehr aufzubieten. Im Gegenteil, meist übertönte der Jubel über
den Einmarsch der deutschen Truppen den wütenden Widerstand seiner GegnerInnen."
"1938 war eine entscheidende Zäsur für Österreich und wir müssen daran, an die Vorgeschichte
und an die Folgen immer wieder erinnern", so Bures. Es sei wichtig, diese Phase der Zeitgeschichte besonders
intensiv zu erforschen. "Denn uns als Nachkommen trifft zwar keine Schuld an den Ereignissen, wir haben aber
eine Verantwortung. Wir müssen die Erinnerung an die Opfer wachhalten, wir müssen zeigen, dass hinter
den unfassbaren Totenstatistiken Menschen, Leben, Schicksale standen. Und wir müssen zeigen, dass auch die
Täter aus der Mitte der Gesellschaft kamen, ja dass die Gesellschaft in die nationalsozialistischen Verbrechen
involviert war oder davon Kenntnis hatte."
Diese Verantwortung wahrzunehmen, war und ist für die Verkehrsministerin ein besonderes Anliegen. "Deshalb
habe ich mich dafür eingesetzt, die Vergangenheit der österreichischen Bahn genau zu untersuchen. Denn
auch ihre Geschichte im Nationalsozialismus zeigt das gesamte Spektrum unserer nationalsozialistischen Vergangenheit.
Tausende Bahnbedienstete sorgten auf der einen Seite dafür, dass die Todeszüge ihre Ziele erreichten;
aber auf der anderen Seite gab es gerade unter den Eisenbahnern Widerstandszellen, deren Mitglieder ihr Leben im
Kampf gegen die Nazis aufs Spiel setzten und oft auch verloren."
Ein Resultat dieser systematischen und sorgfältigen Untersuchung ist die Ausstellung "Verdrängte
Jahre". Dabei hob Bures besonders hervor, dass es gelungen sei, auch die ÖBB-Lehrlinge ins Projekt miteinzubinden.
"Gerade die jüngeren Generationen müssen sich Wege erarbeiten, unsere Geschichte in ihr Leben zu
integrieren und somit auch in Erinnerung zu behalten." Eine wesentliche Lehre aus der Geschichte sei, dass
es "um Demokratie geht, die in allen Lebenslagen und auf allen Ebenen gefördert werden muss. Es geht
um Solidarität, es geht darum, für andere einzustehen. Es geht um gleiche Rechte für alle. Und es
geht um das Recht auf Diversität, um den Schutz von Minderheiten."
"Deshalb bin ich froh über Initiativen wie die heutige", betonte Bures, "denn nur eine Gesellschaft,
die sich ihrer Vergangenheit und ihrer Fehler und Irrwege bewusst ist, kann sich weiterentwickeln zu einer Gesellschaft,
in der Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität leitende Prinzipien für den Weg in die Zukunft sind."
Die Ministerin dankte den Organisatoren der Gedenkveranstaltung, insbesondere Professor Ernst Berger, und sie schloss
"mit den berühmten Worten einer mutigen Frau und Politikerin, die ich selber noch kennenlernen durfte:
Der Ausspruch von Rosa Jochmann 'Verzeihen ja, aber niemals vergessen!' soll uns allen gleichermaßen Mahnung
wie Appell sein."
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