EU-Ausschuss des Bundesrats: Zusammenarbeit mit Ländern intensivieren
Wien (pk) - Der Vertrag von Lissabon hat einen Demokratisierungsschub gebracht, er hat nicht nur das Europäische
Parlament gestärkt sondern auch die nationalen Parlamente aktiv in die EU-Gesetzgebung eingebunden. Darin
waren sich heute alle Mitglieder und TeilnehmerInnen des EU-Ausschusses des Bundesrats einig, in dessen Mittelpunkt
die Zusammenarbeit und der Dialog mit den Bundesländern stand. Staatssekretär Reinhold Lopatka sprach
sogar davon, dass die nationalen Parlamente nun die Aufgabe hätten, als "Hüter der Subsidiarität"
zu wirken.
Im Zuge einer Aktuellen Aussprache über die neue Rolle der Parlamente im Rahmen des Vertrags von Lissabon
nahmen heute neben dem Staatssekretär im Außenministerium auch die Vorarlberger Landtagspräsidentin
Gabriele Nußbaumer, der Zweite Präsident des niederösterreichischen Landtags Johann Heuras sowie
Elisabeth Vitouch, EU-Ausschussvorsitzende in Wien, an der Diskussion im Ausschuss teil. Dabei wurde dem Bundesrat
attestiert, die Chancen der Mitwirkungsrechte bei der Prüfung der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit
gut zu nützen und eine aktive Rolle zu spielen. Kritisch sah man die für die Abgabe einer Stellungnahme
zu einem EU-Vorschlag festgelegte Frist von acht Wochen. Diese Zeitspanne sei sehr kurz für die nötige
Koordination mit den Bundesländern, betonte Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V). Oft beginne die Frist
in einem sehr frühen Verhandlungsstadium der einzelnen Gesetzesmaterien, was ebenfalls die Sache erschwere,
sagte er.
Man war sich daher auch einig, dass man zwar in puncto Koordinierung und Vernetzung mit den Bundesländern
gut unterwegs sei, hier aber noch einiges Potential genützt werden müsse. Voll integriert in den Ausschuss
seien aber bereits Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und Städtebund, was eine substantielle Weiterentwicklung
bedeutet, ergänzte Bundesrat Stefan Schennach (S/W). Auch seitens der VertreterInnen der Bundesländer
wurde die Acht-Wochen-Frist kritisch beleuchtet, mit gutem Willen sei aber auch das zu bewerkstelligen, merkte
man an. Trotz notwendiger Verbesserungen gab es seitens der Bundesländer Lob für den Bundesrat, der ein
"gutes Beispiel für moderne Kommunikation" (Elisabeth Vitouch) gebe.
Bundesrat Schennach übte auch Kritik an den Reaktionen der Kommission auf begründete Stellungnahmen und
Mitteilungen. Sie ließen sowohl in inhaltlicher als auch in zeitlicher Hinsicht zu wünschen übrig,
bemängelte er. Dennoch räumte er ein, dass die Kommission auf Äußerungen der Länderkammer
sensibel reagiere, ohne dass vorher die so genannte "gelbe Karte" ausgespielt wurde. Der Dialog zeige
Wirkung, meinte er, das habe man insbesondere im Fall der Konzessionsvergabe als auch hinsichtlich des Katastrophenschutzverfahrens
gesehen. Staatssekretär Reinhold Lopatka sagte jedoch zu, dass er die Art der Reaktion durch die Kommission
gerne auf EU-Ebene zur Sprache bringen werde.
Einbindung von Bundesrat und Nationalrat in EU-Gesetzgebung funktioniert gut
Auch Lopatka zufolge funktioniert die Einbindung von Bundesrat und Nationalrat in den EU-Gesetzgebungsprozess sehr
gut. Die österreichische Rechtslage sei vorbildlich, und das betreffe das EU-Informationsgesetz, die Berichtspflicht
der MinisterInnen über Vorhaben des Rats und der Kommission sowie über die jeweiligen österreichischen
Positionen bis hin zu den Instrumenten der Mitteilung, der Subsidiaritätsrüge (begründete Stellungnahme)
und der Subsidiaritätsklage.
In diesem Zusammenhang präsentierte Lopatka auch eine Statistik zu den bisherigen Aktivitäten und berichtete,
dass es bislang vier begründete Stellungnahmen des EU-Unterausschusses des Nationalrats sowie des EU-Ausschusses
des Bundesrats gegeben hat. Diese hätten die Konzessionsvergabe, die Preisfestsetzung bei Humanarzneimitteln,
die europäischen Statistiken und die Änderungen in Bezug auf die der Kommission zu übertragenden
Befugnisse betroffen. Der EU-Unterausschuss des Nationalrats habe darüber hinaus zwei Stellungnahmen hinsichtlich
des Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen sowie in Bezug auf die elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste
für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt verabschiedet. Der Hauptausschuss des Nationalrats hat die
Bundesregierung in einer weiteren Stellungnahme aufgefordert, sich für europäische Zukunftsinvestitionen
einzusetzen. Die EU-Ausschüsse von Nationalrat und Bundesrat haben insgesamt 13 Mitteilungen an EU-Organe
verfasst, so Lopatka.
Von den Ländern und Gemeinden wurden insgesamt 21 gemeinsame Stellungnahmen und fünf einheitliche Stellungnahmen
beschlossen.
Im Rahmen von Aktuellen Aussprachen waren EU-Kommissar Johannes Hahn und der Präsident des Europäischen
Parlaments Martin Schulz zu Gast.
Was die europäische Ebene betrifft, so sei man aber erst am Beginn einer wirklich guten Zusammenarbeit mit
den nationalen Parlamenten, räumte Lopatka ein. Vieles müsse noch entwickelt werden, vieles erweise sich
auch als schwierig, warb der Staatssekretär um Verständnis für die europäische Kommission.
EU braucht weitere Demokratisierungsschritte
Lopatka teilte die Auffassung, dass der Lissabon-Vertrag einen Demokratisierungsschub gebracht hat. Die Instrumente
zur Krisenbewältigung, wie ESM, litten jedoch noch unter einem Legitimationsdefizit, gab Lopatka zu und betonte
gleichzeitig die österreichische Rechtslage, die dem Parlament auch beim ESM umfassende Mitwirkungsrechte
einräumt. Auch in der EU sei man davon überzeugt, dass man hier weitere Schritte setzen müsse und
in diesem Sinne seien auch die Vorschläge von Ratspräsident Rompuy zu verstehen, die er in der Road-Map
von 2012 niedergelegt hat. Bei aller Notwendigkeit der Demokratisierung und Legitimierung sei aber darauf zu achten,
dass es zu keinen unnötigen Verzögerungen kommt, merkte Lopatka an.
EU-Ausschuss einig: Zusammenarbeit und Vernetzung weiter verbessern
In der Diskussion gingen die Bundesrätinnen und Bundesräte in erster Linie auf die Schwierigkeiten bei
der Einhaltung der Acht-Wochen-Frist für Stellungnahmen ein. Es sei daher wesentlich, den Kommunikationsprozess
mit den Landtagen noch schneller abzuwickeln, betonte dazu Bundesrat Stefan Schennach (S/W), der gleichzeitig hervorhob,
dass sich die Zusammenarbeit außerordentlich gut entwickelt habe. Man könnte etwa jeweils zu Beginn
eines Halbjahres mit den Ländern eine Vorschau über bedeutende EU-Gesetzesvorhaben machen, schlug er
vor.
Als notwendig erachtete er auch die Vernetzung mit anderen Kammern in der COSAC, der er eine wichtige Funktion
bei der Koordination und Themen-Priorisierung zuschrieb. Dies sei auch nötig, um mehr politisches Gewicht
in Europa zu erlangen.
Schennach hob ferner die Bedeutung der Prüfung der Verhältnismäßigkeit hervor. Vielfach werde
diese Grenze überschritten, ohne dass das Subsidiaritätsprinzip verletzt wird, erklärte er.
Die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit mit den Ländern weiter zu intensivieren, wurde auch von den Bundesräten
Franz Perhab (V/St), Martin Preineder (V/N) und Günther Köberl (V/St) hervorgehoben.
Kritisch äußerte sich Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W), indem sie das Instrument der Subsidiaritätsrüge
als zu schwach gegenüber der EU-Kommission bewertete. Sie beklagte auch die Überfülle an Dokumenten
aus Brüssel, die das Aussieben wichtiger Informationen erschwere. Ihre Fraktionskollegin Cornelia Michalke
(F/V) zeigte sich skeptisch hinsichtlich der Bereitschaft der EU-Institutionen, nationalen Parlamenten entgegenzukommen.
Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) äußerte den Wunsch, EU-Themen mehr ins Plenum des Bundesrats
zu tragen und regte regelmäßige Treffen des EU-Ausschusses mit den entsprechenden Ausschüssen der
Bundesländer an, um direkte Kommunikation zu ermöglichen.
Lissabon muss mit mehr Leben erfüllt werden
Der Tenor der Stellungnahmen aus den Bundesländern war ähnlich. Landtagspräsidentin Gabriele Nußbaumer
bemängelte zwar auch die Acht-Wochen-Frist, meinte aber, wenn man will, sei auch diese Zeitspanne zu bewältigen.
In Vorarlberg setze man sich zu Jahresanfang zusammen, um herauszufiltern, welche Themen wichtig sein werden. Kopfzerbrechen
bereitet auch ihr die hohe Zahl an Informationsmöglichkeiten, um das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden.
Schwierig sei auch zu entscheiden, an welches Gremium man sich am besten wendet.
Bei der Acht-Wochen-Frist müsse man eben wie ein "Haftelmacher" aufpassen, sagte die Vorsitzende
des EU-Ausschusses in Wien Elisabeth Vitouch. Auch in der Bundeshauptstadt würden Anfang jeden Jahres jene
anstehenden Themen ausgewählt, die für Wien und die Subsidiarität interessant seien. Beide Ländervertreterinnen
zollten dem Bundesrat Lob für seine Bemühungen um Vernetzung und Kommunikation.
Für den Zweiten Präsidenten des niederösterreichischen Landtags Johann Heuras steht angesichts der
mangelnden Akzeptanz Europas bei den BürgerInnen der Dialog im Vordergrund. Lissabon habe eine Stärkung
der Parlamente und des Begriffs Subsidiarität gebracht und damit zu mehr Bürgernähe geführt,
zeigte er sich einer Meinung mit Bundesrat Martin Preineder (V/N). Lissabon müsse aber mit mehr Leben erfüllt
werden, forderte Heuras und appellierte an den Bundesrat, die Sitzungen rechtzeitig anzusetzen, um die Fristen
auch einhalten zu können. Als vorbildhaft bezeichnete er die Vorprüfung und Vorfilterung der Dokumente
für die Länder.
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