Donaufestival - Die Wiedererfindung der Welt

 

erstellt am
15. 04. 13
14.00 MEZ

Drei Auftragswerke. Drei Uraufführungen. Drei Welten. Von 25.04. bis 04.05. in Krems
Krems (donaufestival) - Und doch zieht sich so etwas wie ein gedanklicher Faden durch jene drei Weltpremieren des donaufestival 2013, die noch am ehesten ihre Anker in den Gewässern neuer Theaterformen ausgeworfen haben. Doch nicht um dort liegen zu bleiben, sondern - ganz im Gegenteil - um virtuos durch ganz unterschiedliche Genres und deren Diskurse zu segeln, den einen oder anderen Schatz aus den verschiedenen Meeresgründen zu bergen, um dann mit der performativen „Beute" angereichert wieder bei ihrem Ausgangspunkt anzukommen: der Vision und Utopie eines neuen, eines anderen, eines essentiellen Theaters und seiner Magie.

Der international unter dem Label des „Spurensuchers" und „Echosammlers" bekannte Künstler Hans Peter Litscher birgt mit seiner „Operation Otto Retter" (25.4.-4.5.) gleich mehrere Schätze. Indem er zur Erforschung des Lebens und Wirkens des total in Vergessenheit geratenen Kremser Queer-Theoretikers, Cross Dressers und Gesamtkunstwerkers Otto Retter Spuren der Vergangenheit nachgeht, erzählt Litscher mit seiner performativen, multimedialen Lebens- und Werkschau Retters eigentlich über Gegenwart und Zukunft. Das minutiöse Rekonstruieren eines Lebens und Werkes geriet zu einer Spurensuche auf verschütteten Pfaden, die nicht nur unerwartete und sensationelle Funde ans Licht brachte, sondern auch ein Netzwerk an Querbezügen offenbart, die Geschichte und Geschichten, Fakten und Mythen zu einem Gesamtkunstwerk fusionieren. Indem uns Litscher staunend in die Magie einer versunkenen Welt der Vergangenheit entführt, hält er uns den Spiegel vor und erzählt in Wahrheit über die Gegenwart und möglicherweise über die Zukunft.

Ganz anders vereinen der Performancekünstler Ryan Mitchell und seine Truppe Saint Genet die Genres zwischen bildender Kunst, Installation, Musik und Theater. Die bildgewaltige Rauminstallation „Paradisiacal Rites" aus einem Kornfeld, von der Decke hängenden ausgestopften Wildvögel und kinetischen Skulpturen wirkt im ersten Moment wie die artifizielle Wiedererschaffung der Natur aus dem Geist der naturwissenschaftlichen Wunderkammer. In Wirklichkeit aber gerät die Installation zum Schauplatz von Mitchells „grausamen Theater", das mit Blut, Honig und Blutegel nicht nur die PerformerInnen in psychische und physische Grenzsituationen bringt. Bei aller opernhaften Inszenierung mit delirierenden Bildern von Hysterie, verdichtet sich hier gesellschaftliche Realität zu einem Manifest für menschliche Notwendigkeit, auch im Sinne von Sartre und der Idee, dass Genie eine Strategie sei, die wir in ausweglosen Situationen entwickeln.

Ähnlich bildgewaltig arbeitet auch das aus zahlreichen KünstlerInnen unterschiedlicher Genres bestehende Kollektiv rund um den Theatermacher Bastian Wilplinger: Miasma geht mit seinem The Eel House an die Grenzen performativer Möglichkeiten und überwindet sie mit Leichtigkeit. Das ritualhafte Manifest für den Weltneubau aus den Überbleibseln und Ablagerungen einer längst gestorbenen Welt aus bürgerlichen Gedanken- und Erlebnisgebäuden lässt die Kunstfigur Marie Müller zuerst einmal zum Geburtsort des Bürgertums, zum Krim-Krieg zurückkehren. Maries Reise durch die Jahrhunderte wird zum Versuch ihrer Selbstbehauptung gegen die Zwänge einer psychotischen Gesellschaft; doch in den Sümpfen verbündet sie sich mit den Outcasts, den VerliererInnen der Gesellschaft und zieht in eine gewaltfreie, doch umso lautere Schlacht, um uns vor Augen und Ohren zu führen, dass unsere Welt längst nicht mehr existiert. Mit innovativster Filmtechnologie wird dieses theatralische Ereignis, das im Stadtsaal und an einem noch geheimen Ort in den Wäldern parallel stattfinden wird, in Spielfilmqualität live geschnitten und in Echtzeit ins Netz übertragen. Das Smartphone wird so in Krems zur dritten Performance-Ebene, zum dritten Spielort.

 

 

 

Informationen: http://www.donaufestival.at/

 

 

 

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