Sozialer Dialog in Europa neuem Bericht zufolge unter Druck
Brüssel (ec.europa) - Die andauernde Wirtschaftskrise stellt eine ernsthafte Herausforderung für
den Dialog zwischen Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Regierungen dar. Dies ergibt sich aus einem heute von der Europäischen
Kommission veröffentlichten Bericht. Aus dem Bericht geht hervor, dass die jüngsten staatlichen Reformen
nicht immer mit einem funktionierenden sozialen Dialog einhergingen, woraus zunehmend konfliktbeladene Arbeitsbeziehungen
in Europa resultieren.
László Andor, Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration, erklärte: „Der
soziale Dialog ist vor dem Hintergrund einer schwachen makroökonomischen Nachfrage, von Steuererhöhungen
und staatlichen Ausgabenkürzungen zunehmend unter Druck. Wir müssen die Rolle der Sozialpartner auf allen
Ebenen stärken, wenn wir diese Krise überwinden und die Vorzüge des europäischen Sozialmodells
erhalten wollen. Nur mit einem gut strukturierten sozialen Dialog können wir den demografischen Wandel bewältigen
und bessere Arbeitsbedingungen und einen stärkeren sozialen Zusammenhalt schaffen. Der soziale Dialog in den
mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten ist derzeit deutlich schwächer ausgeprägt und muss gestärkt
werden.“
Die Einbeziehung von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern (den „Sozialpartnern“) bei staatlichen Reformen ist
entscheidend, da Lösungen im Rahmen des sozialen Dialogs in der Regel größere gesellschaftliche
Akzeptanz finden und in der Praxis leichter umsetzbar und weniger konfliktträchtig sind. Einvernehmliche Vereinbarungen
unter Einbeziehung der Sozialpartner tragen also zur langfristigen Nachhaltigkeit wirtschaftlicher und sozialer
Reformen bei. Ein gut strukturierter sozialer Dialog kann effektiv dazu beitragen, die wirtschaftliche Widerstandskraft
Europas zu stärken. In Ländern, in denen der soziale Dialog fest etabliert ist und starke Strukturen
für Arbeitsbeziehungen bestehen, ist im Allgemeinen die wirtschaftliche und soziale Situation stabiler und
weniger unter Druck. Das Problemlösungspotenzial des sozialen Dialogs kann dazu beitragen, die aktuelle Krise
zu überwinden. Der neue Bericht zeigt, wie die Ergebnisse des europäischen sozialen Dialogs einen deutlichen
Einfluss auf das Arbeitsleben der Menschen in Europa haben können, etwa durch die Verbesserung von Gesundheit
und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie der Arbeitsbedingungen.
Angesichts der staatlichen Ausgabenkürzungen in vielen Mitgliedstaaten konzentriert sich der Bericht auf Arbeitsbeziehungen
im öffentlichen Sektor (öffentliche Verwaltung, Bildungs- und Gesundheitswesen). Bei der Umstrukturierung
des öffentlichen Sektors haben die Regierungen hauptsächlich auf Effizienzgewinne geachtet. Einige Länder
gehen weiterhin so vor, verwenden dabei aber einen ausgewogeneren Ansatz, der weniger Konflikte auslöst und
Spielraum für zwischen Gewerkschaften und öffentlichem Arbeitgeber ausgehandelte gemeinsame Lösungen
bietet. Anderswo wurde bei der Umsetzung der Entscheidungen häufig der soziale Dialog außer Acht gelassen.
Dieser Trend ist nicht auf diejenigen Länder beschränkt, die finanzielle Unterstützung von der EU
und dem Internationalen Währungsfonds erhalten. In vielen Mitgliedstaaten haben Steuererhöhungen und
staatliche Ausgabenkürzungen deshalb eine Welle von Arbeitskonflikten ausgelöst und gezeigt, wie umstritten
einige der Reformmaßnahmen sind, die ohne sozialen Dialog eingeführt wurden.
Mittel- und osteuropäische Länder
In dem Bericht wird auch die Situation des sozialen Dialogs in Mittel- und Osteuropa analysiert. Zwar gibt es große
Unterschiede zwischen den Ländern der Region, aber in allen – mit der bemerkenswerten Ausnahme Sloweniens
– sind die Strukturen der Arbeitsbeziehungen schwach und zersplittert. Einige Reformen unterminieren die Einbeziehung
der Sozialpartner bei Veränderungen sogar noch. Der Bericht zeigt, dass die Wiederbelebung der nationalen
Systeme der Arbeitsbeziehungen und die Förderung und Wiederherstellung einer Konsenskultur von wesentlicher
Bedeutung dafür ist, die langfristige Nachhaltigkeit der aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Reformen
zu gewährleisten.
Andere im Bericht untersuchte Aspekte sind die Einbeziehung der Sozialpartner bei der Reform von Arbeitslosenversicherung
und Rentensystemen sowie beim Übergang zu einer nachhaltigeren und weniger von fossilen Brennstoffen abhängigen
Wirtschaft. Während in Ländern wie Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Spanien Gewerkschaften in
den Prozess der Rentenreformen einbezogen waren, ist die Rolle der Sozialpartner anderswo äußerst gering,
was zu Konflikten führt. In Bezug auf den Klimawandel belegt der Bericht, dass die Sozialpartner in diesem
Bereich aktiver geworden sind und ihre Einstellung zur „Grünen Agenda“ zunehmend positiv ist.
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