Gesichtslosigkeit im MuseumsQuartier Wien von 28.06. bis 01.09.2013
Wien (quartier21) - Anhand zahlreicher zeitgenössischer Arbeiten geht die Ausstellung FACELESS im freiraum
quartier21 INTERNATIONAL dem Phänomen der unausweichlichen Wiedererkennbarkeit in den Medien nach und den
daraus resultierenden Strategien der MedienbenutzerInnen gleichsam "gesichtslos" zu werden. Die Ausstellung
FACELESS widmet sich auf radikale Weise diesem recht neuen Thema medialer Alltagskultur und zeigt, wie es in bildender
Kunst, Mode, Fotografie, Werbung und Tanz aufgegriffen wird. Zu sehen sind u.a. Werke von Marina Abramovic, Thorsten
Brinkmann, Peter William Holden, Maison Martin Margiela sowie Projekte unbekannter NetzbewohnerInnen.
Die höchst unterschiedlichen Strategien und Methoden, um Gesichter im Netz "verschwinden" zu lassen,
können als eine ironische, zornige und berechtigte Kritik an unserer Medienwirklichkeit gelesen werden. Gesichter
verschwinden zwar nicht, doch werden sie bis zur Unkenntlichkeit manipuliert, ja mitunter entstellt. Der Künstler
Bogomir Doringer, in Zusammenarbeit mit Brigitte Felderer von der Universität für angewandte Kunst Wien,
kuratiert die zweiteilige Ausstellung, FACELESS. Teil1 ist von 28. Juni bis 1. September 2013 zu sehen.
"Viele der im Netz auftauchenden Gesichter sind vertraut und bekannt, man erkennt sie wieder, verbindet mit
ihnen Biographien, Skandale, Geschichten und mag den Eindruck gewinnen, Einblick in eine Persönlichkeit zu
erhalten, gar ein ganzes Leben mitzuverfolgen. Doch letztendlich spiegeln die dargebotenen Physiognomien nur die
eigenen persönlichen Vorstellungen von Glück, Anerkennung, Aufmerksamkeit oder Erfolg wider", so
Brigitte Felderer.
"FACELESS greift kritisch Probleme unserer medialen Kultur auf und zeigt den unterschiedlichen Zugang der
verschiedenen KünstlerInnen. Auf Grund der Komplexität des Themas wird die Ausstellung in zwei Teilen
gezeigt, eine Novität in der Geschichte des freiraum quartier21 INTERNATIONAL", so Dr. Christian Strasser,
Direktor MuseumsQuartier Wien.
Nach den Ereignissen von 9/11 und als Reaktion auf die Angst vor Terroranschlägen wurden Ebenen der Transparenz
und Kontrolle in Bereichen hingenommen, wo sie zuvor undenkbar gewesen wären. Das hat zur Änderung von
Sicherheitskonzepten wie zur Ausweitung von Überwachungssystemen geführt. Soziale Netzwerke, die oftmals
gegen die Privatsphäre verstoßen aber ihren UserInnen dafür Popularität verheißen, sind
so zur Normalität geworden. Viele KünstlerInnen beschäftigen sich kritisch mit diesem Thema und
verwenden "verdeckte Gesichter" als Möglichkeiten, ein nicht-beobachtetes Dasein zu führen.
Der Künstler Thorsten Brinkmann präsentiert beispielsweise Selbstdarstellungen, die in Farbe, Pose und
Anordnung an klassische Porträtmalerei erinnern. Doch treten gebrauchte Alltagsgegenstände und gefundene
Objekte aus dem Sperrmüll an die Stelle seiner Gesichtszüge.
Die Masken und Kopfbedeckungen von Modelabels wie Maison Martin Margiela, Viktor & Rolf oder Bernhard Willhelm
legen nahe, dass die Gesichter der Models für die Präsentation der Kollektionen überflüssig
geworden sind.
Eine "public persona" wie Marina Abramovic versucht hingegen, ihren hohen Wiedererkennungswert in fotografischen
Selbstporträts zu relativieren. Frank Schallmaier verwendet wiederum für seine Collagen Fotografien,
die er in sozialen Netzwerken und Online-Partnerbörsen für Homosexuelle findet: sie zeigen Personen,
die sich wohl zeigen, aber dabei ihr Gesicht verbergen und bei allem Versprechen anonym bleiben. Hester Scheurwater
thematisiert in ihren Fotoarbeiten die mediale Repräsentation von Frauen als Objekte von Begierde. In Ute
Kleins Fotografien verschmelzen die Körper von Liebenden zu temporären und gesichtslosen Skulpturen.
Nienke Klunder parodiert in ihren Selbstporträts die banale Omnipräsenz erotischer Bilder während
Peter William Holden in seiner Installation nur noch einzelne Körperteile zum Tanzen bringt.
Im Rahmenprogramm zur Ausstellung wird es spezielle Veranstaltungen, Artist Talks, Workshops für Kinder und
Jugendliche sowie Podiumsdiskussionen geben. Bereits am Eröffnungsabend sind die BesucherInnen Teil der partizipativen
Performance "Anonymity" von Addie Wagenknecht und Stefan Hechenberger, die sich spielerisch mit Kritik
an dem Überwachungsstaat auseinandersetzt: an die BesucherInnen werden schwarze Brillen ausgeteilt, die an
Zensurbalken erinnern, Bilder von den Überwachungskameras machen die Beobachteten zu Beobachtern. "Anonymity"
wurde von Addie Wagenknecht und Stefan Hechenberger in New York entwickelt und für die Eröffnung der
Ausstellung FACELESS adaptiert. Die Künstler sind Artists-in-Residence der Initiative Artistic Bokeh im Rahmen
von "Artistic Technology Research" der Universität für angewandte Kunst Wien.
KünstlerInnen (Auswahl):
Marina Abramovic (RS/US), Martin Backes (DE), Thorsten Brinkmann (DE), Asger Carlsen (DK/US), Paul DeFlorian (AT/DE),
D+M (Dora Budor & Maja Cule) (CR/US), Caron Geary (UK), Harem Royal (RS), David Haines (UK/NL), Stefan Hechenberger
(AT), Sabi van Hemert (NL), Peter William Holden (UK/DE), Ute Klein (DE), Nienke Klunder (UK), Zachari Logan (CA),
Maison Martin Margiela (BE), Ismael Moumin (BE), Ana Rajcevic (RS/UK), Mustafa Sabbagh (IT), Daniel Sannwald (DE),
Frank Schallmaier (NL), Hester Scheurwater (NL), Levi van Veluw (NL), Viktor & Rolf (NL), Anne de Vries (NL),
Addie Wagenknecht (US), Bernhard Willhelm (DE), WOODKID (FR). Einige der KünstlerInnen werden ihre Arbeiten
als Artists-in-Residence im MuseumsQuartier vorbereiten.
FACELESS wird in Kooperation mit dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten,
der Botschaft des Königreichs der Niederlande und dem Bund Europäischer Föderalisten (JEF/BEF) organisiert.
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