Frühlingstagung der kija in Graz zeigt alternative Methoden zur Fremdunterbringung auf
Graz (lk) - Die steirische Kinder- und Jugendanwaltschaft (kija) präsentierte am Vormittag des 11.04.
im Grazer Steiermarkhof die Ergebnisse ihrer Frühjahrstagung, die unter dem Motto „Qualitätsentwicklung
in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern an der Schnittstelle von öffentlicher Jugendwohlfahrt und
stationärer Hilfe" stand. Die beiden renommierten deutschen Experten Hans-Ullrich Krause und Reinhart
Wolff erarbeiteten dabei gemeinsam mit den Tagungsteilnehmern in so genannten Fallwerkstätten komplexe Problemlösungsansätze
für besonders schwierige Fälle in der Jugendwohlfahrt. Sie zeigten die Vorteile einer Stärken-Schwächen-Analyse
auf und verwiesen vor allem auf die enorme Bedeutung des Einbeziehens aller Betroffenen in Krisensituationen. Mit
dabei waren rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Sozialbereich, Sozialarbeiter und -pädagogen, Erziehungshelfer
sowie Sachverständige.
Im Fokus der Tagung stand das Problem der Fremdunterbringung. „Dabei werden Menschenleben gerettet, das ist ganz
klar. Aber wir müssen auch an das Sekundär-Trauma denken, dass vor allem bei kleinen Kindern entsteht,
wenn sie plötzlich aus ihrer Familie gerissen werden", so Wolff. Er plädierte dafür, sich in
Krisensituationen nicht nur auf das Kind zu konzentrieren, sondern sämtliche Beteiligte, also auch die Eltern,
miteinzubeziehen. „Wer Kinderrechte schützen will, muss auch die Eltern im Blick haben und achten", so
Wolff. „Selbst wenn man zum Wohle des Kindes entscheidet, es stationär unterzubringen, können Eltern
dennoch das in die Betreuung einbringen, was ihnen möglich ist, und zum Beispiel ihr Kind in der Einrichtung
wickeln oder füttern", erklärt Pörsch. Heute sei es oft so, dass man den Eltern die ersten
drei Monate der Fremdunterbringung jeglichen Kontakt zu ihren Kindern untersage: „eine furchtbare, ungewisse Situation
für die Kinder, die ja ihre Eltern trotz allem lieben und an ihnen hängen." Zudem gelte es, gute
Formen der Langzeitbetreuung zu finden. „Nur wenn wir auch die Kinder und Jugendlichen beteiligen, haben wir eine
reele Chance, das zu verwirklichen", ist sich Krause sicher. Die Strukturen hätten sich noch nicht an
die Lebenswelten der Menschen angepasst, so Pörsch, die eine bessere Vernetzung innerhalb der Hilfsangebote
fordert. Zudem sei es wünschenswert, einen niederschwelligeren Zugang zur Sozialarbeit zu schaffen. „Diese
wird in Österreich ja erst aktiv, wenn schon etwas passiert ist. In Deutschland aber gibt es Modelle, wo die
Sozialarbeiter die Familie besuchen, sobald ein Kind auf die Welt kommt und ihr Angebot vorstellen. Das wird von
99 Prozent der Eltern gut angenommen", erklärt Pörsch.
Wolff verwies auch auf den Grazer Qualitätskatalog, der unter seiner Mithilfe vor 13 Jahren entstanden ist,
aber in städtischen Einrichtungen noch immer nicht umgesetzt werde und lobte die österreichischen Kinder-
und Jugendanwaltschaften als „einzigartige Institution in ganz Europa".
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