Klassische Eleganz im Alltag - 18. April bis 14. Juni 2013
Wien (vig) - Die neue Ausstellung der Reihe "Architektur im Ringturm" des Wiener Städtischen
Versicherungsvereins widmet dem wohl bedeutendsten Architekten der Ringstraßen-Ära anlässlich seines
200. Geburtstags eine große Personale. Neben der Präsenz seiner hervorragenden Bauten entlang der Wiener
Ringstraße spielt auch die Rezeption seiner Werke in der Entwicklung der internationalen Moderne eine wichtige
Rolle. Sie reicht von Otto Wagner über Adolf Loos bis in den zeitgenössischen Diskurs zu Themen wie Reduktion,
Angemessenheit oder Materialität. In der Ausstellung werden neben ausgewählten und von Hansen visualisierten
Bauten in Wien auch weniger bekannte Werke in Zentral- und Osteuropa zu sehen sein.
Die architektonischen Anfänge des jungen Theophil Hansen
Theophil Hansen wurde im Jahr 1813 als Sohn des norwegischen Violinisten und Versicherungsangestellten Rasmusen
Hansen und der Dänin Sophie Elisabeth Jensen in Kopenhagen geboren. Er studierte Architektur an der Königlichen
Dänischen Kunstakademie. Nach Abschluss seines Studiums reiste er quer durch Europa, unter anderem von Berlin
über Innsbruck, Trient und Verona bis Venedig. Während seiner Reisen traf er in München Karl Friedrich
Schinkel, einen Architekten, der den Klassizismus in Preußen entscheidend mitgestaltete.
Um 1837/1838 übersiedelte er nach Athen mit dem Wunsch, die griechische Baukunst zu studieren. Er begann
klassizistische Gebäudeentwürfe zu zeichnen. Der Athener Stadtplaner Eduard Schaubert war von Hansens
Entwürfen begeistert und empfahl ihn für Bauaufgaben in der Stadt. Theophil Hansens erster Bauauftrag
war die Sternwarte von Athen. Im Rahmen vieler Bauprojekte wurde er zu einem sehr gefragten Architekten. Einen
Schwerpunkt legte er dabei auf die Erforschung der Antike, Ausgrabungen, Rekonstruktionen auf der Akropolis sowie
den Neubau der Athener Universität. Insgesamt blieb er acht Jahre in Athen.
Hansen und seine Bedeutung für die Stadt Wien
Der griechisch-österreichische Unternehmer und Bankier Georg Simon von Sina schätzte Theophil Hansens
Bauten in Athen und holte ihn nach Wien, um seinen Entwürfen für Bauprojekte einen griechischen Stil
zu verleihen. Hansen übersiedelte im Jahr 1846 nach Wien, wo er in erster Linie als Assistent und in weiterer
Folge als Partner mit Ludwig Förster, einem der Planer der Wiener Ringstraße, zusammenarbeitete. Er
heiratete dessen Tochter Sophie. Während der gemeinsamen Zusammenarbeit setzte er all das Erlernte, die verschiedenen
Stile um und hatte großen Einfluss auf die Gestaltung der Stadt. Im Zuge des Baus der Wiener Ringstraße
erhielt Hansen zahlreiche Aufträge. Er konnte sowohl den hellenistischen und byzantinischen als auch den Stil
der italienischen Renaissance umsetzen und erschuf den "Wiener Stil", besser bekannt als "Ringstraßen-Stil".
Hansen reduzierte seine Arbeit nicht nur auf die äußere Gestaltung, sondern legte auch großen
Wert auf Funktionalität.
Theophil Hansen plante das Parlamentsgebäude, die Alte Börse, den Musikverein, das Heeresgeschichtliche
Museum im Arsenal, mehrere Stadtpalais - darunter auch die Palais Ephrussi und Epstein wie auch das Palais Hansen
am Schottenring.
Theophil Hansen unterrichtete 15 Jahre an der Akademie der bildenden Künste in Wien und arbeitete unter anderem
mit Otto Wagner zusammen. Er wurde im Jahr 1868 zum Oberbaurat ernannt. Zwei Jahre zuvor erhielt Hansen die österreichische
Staatsbürgerschaft. Im Jahr 1863 wurde Theophil Hansen mit der Ehrenbürgerschaft ausgezeichnet. 1891
verstarb er. Um seiner Bedeutung für die Stadt Ausdruck zu verleihen, wurde er in einem Ehrengrab auf dem
Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.
Das Parlamentsgebäude - Hansens Gesamtkunstwerk (1871-1883)
Theophil Hansens bekanntestes Werk ist das Parlamentsgebäude an der Ringstraße. Hansen legte im
Mai 1871 sein erstes Projekt (auf Basis seines Wettbewerbsbeitrages von 1865) vor. Beinahe ein Jahrzehnt verging
vom Baubeginn 1874 bis zur Fertigstellung seines Hauptwerks im Jahre 1883. Es war der erste Bau in Wien, bei dem
das neue Maßsystem in Meter angewendet wurde, zuvor mussten alle Maße vom Längenmaß Wiener
Klafter ins Metermaß übertragen werden. Hansen orientierte sich am Stil der griechischen Klassik - zurückführend
auf seinen mehrjährigen Aufenthalt in Athen - und setzte damit einen Verweis auf den Ursprung der Demokratie.
Neben dem Entwurf für das Gebäude konzipierte Theophil Hansen die gesamte Innenausstattung bis hin
zu den Möbeln. Bei der Gestaltung der 40m langen und 23m breiten Säulenhalle wählte Hansen jeweils
für die Säulen, die Bodenplatten und die Verkleidung der Wände spezielle Marmorarten. Er achtete
dabei sorgfältig auf kleinste Details und eine harmonische Abstimmung der verschiedenen Elemente.
Der Musikverein - Akustischer Genuss in höchsten Tönen (1863-1870)
Das Gebäude des Wiener Musikvereins ist ein traditionsreiches Konzerthaus am Musikvereinsplatz in der
Wiener Innenstadt. Der Große Saal, oft auch als Goldener Saal bezeichnet, ist durch das jährlich weltweit
im Fernsehen übertragene Neujahrskonzert bekannt und einer der besten Konzertsäle der Welt. Die hervorragende
Qualität der Akustik dient heute noch bei internationalen neuen Konzertsaalbauten oft als Vorbild.
Im Jahr 1863 trat die damalige "Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates"
mit dem Wunsch nach einem Bauplatz für ein Vereinsgebäude an Kaiser Franz Joseph heran. Als Geschenk
erhielt die Gesellschaft ein ca. 3.015 m² großes Grundstück für die Errichtung des Gebäudes.
Sein ursprünglicher Zweck lag in der Aufführung von Musikproduktionen wie auch im Abhalten von Musikunterricht.
Hansens Projektentwurf wurde in einem Wettbewerb ausgewählt. Nach Umarbeitungswünschen der Kommission
lag im Dezember 1864 das endgültige Projekt vor. Der Vertrag wurde im Jahr 1867 abgeschlossen und das Gebäude
wurde mit kleineren Änderungen bis 1869 fertig gestellt. Die Schlusssteinlegung fand im Beisein des Kaisers
am 5. Jänner 1870 statt. Einen Tag später wurde das Gebäude mit einem Konzert feierlich eröffnet.
Das Palais Hansen Kempinski - Ein Luxushotel am Schottenring (1869-1873), Wiedereröffnung 2013
Das Palais Hansen wurde nach Plänen von Theophil Hansen und Heinrich Förster errichtet. Acht Zinshäuser
mit gemeinsamer Fassade wurden anlässlich der Wiener Weltausstellung 1873 zu einem Hotel umgebaut. Zwei Jahre
später, 1875, wurde die am Schottenring eröffnete Polizeidirektion im Palais Hansen untergebracht. Ab
dem Jahr 1941 wurde es 56 Jahre lang als Amtsgebäude der Stadt Wien verwendet.
Nach aufwendigen Renovierungsarbeiten wurde das Gebäude im März 2013 als "Palais Hansen Kempinski"
neueröffnet und unterstreicht Theophil Hansens große Bedeutung für die Wiener Architektur. Der
Umbau des Gebäudekomplexes erfolgte nach den Plänen von Boris Podrecca (Dieter Hayde).
Das Palais Hansen Kempinski hat eine Grundfläche von 4.850 m². Im vierten Stockwerk und im Dachgeschoss
befinden sich 17 Eigentumswohnungen mit Flächen von 130 bis 340 m². In den darunter liegenden Stockwerken
befinden sich 152 Hotelzimmer und -suiten, zwei Restaurants, ein Kaffeehaus, einen Fitness- und Wellnessbereich
mit Schwimmbecken.
Hansens künstlerisches Schaffen in Osteuropa
Theophil Hansen war mit eher weniger bekannten Werken in der Region Zentral- und Osteuropa tätig. In der
heutigen Tschechischen Republik und Ukraine tragen einige Bauwerke Hansens Handschrift. Nicht nur zur der Errichtung
der Wiener Ringstraße trug Hansen maßgeblich bei, sondern auch beim Bau der Ringstraße in Brünn,
der Hauptstadt Mährens. Hansen realisierte einige wichtige Gebäude, die eine wesentliche Rolle für
das kulturelle Leben der Stadt spielten.
Bei Hansens wichtigstem Bau an der Brünner Ringstraße handelt es sich um das Doppel-Palais (Vereinshaus
und Palais Pražák) auf einer selbständigen Terrasse. Der Architekt wurde speziell aus Wien nach Brünn
gerufen, um Pläne für dieses Gebäude auszuarbeiten. Das Tschechische Vereinshaus dient heute noch
großen Orchesterauftritten, das Palais Pražák beherbergt heute ein Museum für Angewandte Kunst.
Weiters schuf er das Palais Klein und das Landeskrankenhaus mit angeschlossener Kapelle.
Das Invalidenhaus in Lemberg ist eines der größeren Gebäude in Zentral- und Osteuropa, das von
Theophil Hansen errichtet wurde. Heute wird es als Universität für Katastrophenschutz genutzt.
Ausstellung
Die Ausstellung "Theophil Hansen: Klassische Eleganz im Alltag" der Reihe Architektur im Ringturm
unterstreicht anhand von Erläuterungstexten, Beispielfotos, Textbeiträgen und graphischen Analysen Theophil
Hansens Bedeutung für Wien. Leihgaben, insbesondere von der renommierten Glasfirma J.L. Lobmeyer, für
die Hansen viele Objekte entworfen hat, geben einen weiteren Einblick in sein künstlerisches Schaffen. Fotoessays
verleihen den Innenräumen seiner wichtigsten Bauten Ausdruck.
In der Ausstellung werden ausgewählte, von Theophil Hansen visualisierte Bauten in Wien ausführlich
dargestellt: die Palais Erzherzog Wilhelm, Epstein und Ephrussi, das Palais Hansen / Hotel Kempinski, die Alte
Börse, der Wiener Musikverein, die Akademie der bildenden Künste und das Parlament. Zudem werden auch
die weniger bekannten Werke in den früheren Kronländern der Habsburgermonarchie beleuchtet: fünf
markante Gebäude in Brünn sowie das Invalidenhaus in Lemberg, der damaligen Hauptstadt des heute zur
Ukraine gehörenden Galizien.
Katalog
Architektur im Ringturm XXXII, Theophil Hansen - Architekt 1813-1891. Mit Beiträgen von Otto Kapfinger,
Jan Sapák, Johann J. Böker, Diego Caltana und Adolph Stiller, ca. 200 Seiten, deutsch/englisch, mit
zahlreichen Abbildungen
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