Bundesverwaltungsgericht wird künftig Vergabeverfahren prüfen
Wien (pk) - Die Einführung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich mit Anfang
nächsten Jahres hat auch Auswirkungen auf das Vergaberecht und das Datenschutzgesetz. Sowohl die Datenschutzkommission
als auch das Bundesvergabeamt gehören zu jenen unabhängigen Behörden, die im Zuge der Einrichtung
von Verwaltungsgerichten aufgelöst werden. Für die Überprüfung öffentlicher Vergabeverfahren
und Beschwerden gegen Datenschutzverletzungen müssen daher neue gesetzliche Regelungen geschaffen werden.
Der Verfassungsausschuss des Nationalrats gab am 16.04. grünes Licht für zwei entsprechende Gesetzesvorschläge
der Regierung, wobei im Datenschutzgesetz mit einem Abänderungsantrag noch Adaptierungen vorgenommen wurden.
Auch das Parteiengesetz, das Volksgruppengesetz, das ORF-Gesetz und andere Mediengesetze sowie das Bundes-Personalvertretungsgesetz
werden an die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit angepasst.
Neue Datenschutzbehörde übernimmt Aufgaben der Datenschutzkommission
Im Konkreten sieht die Novelle zum Datenschutzgesetz die Einrichtung einer neuen unabhängige Datenschutzbehörde
vor. Sie wird nicht nur als Kontrollstelle zur Überprüfung der Einhaltung von Datenschutzvorschriften
fungieren, sondern unter anderem auch für die Führung von Registrierungsverfahren, die Genehmigung von
Datenübermittlungen ins Ausland, die Genehmigung von Datenverwendungen für wissenschaftliche oder statistische
Zwecke und die Auskunftserteilung an BürgerInnen zuständig sein. Der Leiter der Datenschutzbehörde
soll für jeweils fünf Jahre vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Regierung bestellt werden.
Bescheide der neuen Datenschutzbehörde können beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden, wobei
die Entscheidungen dort ein Senat unter Einbindung fachkundiger LaienrichterInnen aus dem Kreis der Arbeitgeber
und der Arbeitnehmer treffen wird. Ein jährlich zu erstellender Bericht der Datenschutzbehörde soll auch
dem Nationalrat und dem Bundesrat übermittelt werden.
Von der ursprünglich vorgesehenen Einrichtung eines Fachbeirats zur Unterstützung der Datenschutzbehörde
wurde letztendlich abgesehen. Man wolle jeglichen Zweifel an der Unabhängigkeit der Datenschutzbehörde
vermeiden, heißt es dazu in den Erläuterungen zum heute gemeinsam von SPÖ, ÖVP und FPÖ
vorgelegten Abänderungsantrag. Außerdem wurde durch eine Umformulierung des Gesetzentwurfs deutlicher
sichtbar gemacht, dass nicht nur öffentliche Auftraggeber in Verfahren vor der Datenschutzbehörde Parteistellung
erhalten. Der Datenschutzrat erhält die ausdrückliche Erlaubnis, Gutachten zu Fragen von grundsätzlicher
Bedeutung des Datenschutzes einzuholen.
Im Rahmen der Debatte brachte Abgeordneter Albert Steinhauser (G) den seiner Ansicht nach eklatanten Ressourcenmangel
im Bereich der Datenschutzbehörde zur Sprache. Die Aufgaben der Behörde würden immer größer,
etwa im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung und der Transparenzdatenbank, sagte er, ohne dass gleichzeitig
das Personal aufgestockt würde. Man steuere auf einen "datenschutzpolitischen Supergau" zu, warnte
er. Zur vorliegenden Gesetzesnovelle stellte Steinhauser die Zustimmung der Grünen in Aussicht, auch wenn
seine Fraktion "kleinere Dinge anders sehe". Er hinterfragte etwa die Einbindung von LaienrichterInnen
in Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts.
Sowohl Abgeordneter Herbert Scheibner (B) als auch Abgeordneter Werner Herbert (F) begrüßten die Streichung
des Fachbeirats aus der Gesetzesnovelle. Zudem zeigte sich Herbert erfreut, dass in Bezug auf die Parteienstellung
privater Auftraggeber vor der Datenschutzbehörde eine Klarstellung getroffen wurde.
Staatssekretär Josef Ostermayer äußerte die Hoffnung, durch die Neuorganisation der Behörde
und durch Aufgabenkritik dem Ressourcenmangel begegnen zu können. Sollte sich erweisen, dass die Maßnahmen
nicht ausreichen, müsse man neu über die Ressourcenfrage diskutieren, meinte er.
Die Novelle zum Datenschutzgesetz wurde vom Verfassungsausschuss unter Berücksichtigung des Abänderungsantrags
einstimmig beschlossen. Ebenfalls einstimmig fassten die Abgeordneten eine Ausschussfeststellung, in der unter
anderem festgehalten wird, dass der Ausschuss davon ausgeht, dass auch Auftraggeber des privaten Bereichs Beschwerde
an das Bundesverwaltungsgericht erheben können.
Bundesverwaltungsgericht wird künftig Vergabeverfahren prüfen
Im Bereich des Vergaberechts verzichtet die Politik darauf, zur erstinstanzlichen Prüfung von Vergabeverfahren
eine eigene Verwaltungsbehörde einzurichten. Vielmehr sieht der vom Verfassungsausschuss heute mit der Mehrheit
von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ gebilligte Gesetzentwurf vor, das Bundesverwaltungsgericht mit der
bisher vom Bundesvergabeamt wahrgenommenen Aufgabe zu betrauen, Vergabeverfahren zu überprüfen. Damit
will man, wie es in den Erläuterungen heißt, erhebliche Mehrkosten und signifikante Verfahrensverlängerungen
vermeiden.
Weiters werden in Ergänzung des Zahlungsverzugsgesetzes neue Bestimmungen über Zahlungsfristen in das
Bundesvergabegesetz aufgenommen, Innovation explizit als sekundäres Beschaffungsziel festgeschrieben und in
Anlehnung an die EU-Energieeffizienzrichtlinie neue Pflichten öffentlicher Auftraggeber in Bezug auf energieeffiziente
Beschaffungen verankert.
Im Konkreten hat die Gesetzesnovelle zur Folge, dass sich übergangene Bieter ab 2014 an das Bundesverwaltungsgericht
wenden müssen, wenn das Vergabeverfahren ihrer Meinung nach rechtswidrig war. Wie früher beim Bundesvergabeamt
wird für derartige Beschwerdeverfahren eine Pauschalgebühr fällig. Die Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht
ist – mit Ausnahme von einstweiligen Verfügungen – durch einen Senat zu treffen, dem neben dem vorsitzenden
Richter bzw. der Richterin auch zwei fachkundige LaienrichterInnen angehören müssen.
Neu ist darüber hinaus die grundsätzliche Verpflichtung öffentlicher Auftraggeber, Rechnungen innerhalb
von 30 Tagen zu begleichen. Nur in wenigen Ausnahmefällen, etwa in Zusammenhang mit der Bereitstellung von
Gesundheitsdienstleistungen, darf eine längere Zahlungsfrist vereinbart werden. Mit dieser Bestimmung und
abschreckenden Sanktionen bei Zahlungsverzug soll – in Anlehnung an die Zahlungsverzugsrichtlinie der EU – die
Zahlungsmoral der öffentlichen Hand verbessert und dadurch die Liquidität der Unternehmen gesteigert
werden. Wie die Erläuterungen festhalten, beträgt die Zahlungsdauer des öffentlichen Sektors in
Österreich derzeit laut Europäischem Zahlungsindex 2012 durchschnittlich 44 Tage.
Um Innovation verstärkt zu fördern, wird in das Bundesvergabegesetz ein neuer Passus eingefügt,
dem zufolge im Vergabeverfahren auf innovative Aspekte Bedacht genommen werden kann. In Frage kommen etwa entsprechende
Leistungsbeschreibungen oder die Festlegung konkreter Zuschlagskriterien. Öffentliche Auftraggeber müssen
in Hinkunft außerdem bei der Beschaffung bestimmter Waren und Dienstleistungen verstärkt auf Energieeffizienz
achten.
Im Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit werden spezielle organisations- und verfahrensrechtliche Vorschriften
für Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht verankert, etwa was den Schutz klassifizierter Dokumente
betrifft. Zudem werden redaktionelle und legistische Anpassungen vorgenommen. Die Kundmachung des Bundesvergabegesetzes
bedarf aus Kompetenzgründen der Zustimmung der Länder.
Abgeordnete Daniela Musiol (G) begründete die Ablehnung des Gesetzes durch die Grünen damit, dass noch
eine Fülle von Punkten zu klären seien. Sie zeigte sich aber nicht generell ablehnend und wertete es
etwa als sinnvoll, die Zahlungsfrist für öffentliche Auftraggeber zu verkürzen. Auch die Berücksichtigung
innovativer Aspekte bei öffentlichen Beschaffungen begrüßte sie.
Bundesdienst: Neue Behörde soll Personalvertretung beaufsichtigen
Mit der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit wird auch die Personalvertretungs-Aufsichtskommission
aufgelöst. Um dennoch weiter eine staatliche Aufsicht über die Personalvertretung der im Bundesdienst
beschäftigten MitarbeiterInnen zu gewährleisten, wird als Ersatz ab 2014 eine Personalvertretungsaufsichtsbehörde
mit ähnlichem Aufgabenprofil eingerichtet. Der Gesetzentwurf der Regierung wurde heute einstimmig gebilligt,
wobei mit einem Abänderungsantrag der Koalitionsparteien noch einzelne Adaptierungen vorgenommen wurden. Dabei
geht es insbesondere um die Frage der Personalvertretung in der Datenschutzkommission bzw. der neuen Datenschutzbehörde,
wie Zweiter Nationalratspräsident Fritz Neugebauer (V) erklärte.
Im Gesetzentwurf verankert ist auch eine jährliche Berichtspflicht der Personalvertretungsaufsichtsbehörde
an den Nationalrat, Bescheide können beim Bundesverwaltungsgericht beeinsprucht werden.
Mediengesetze werden an neue Verwaltungsgerichtsbarkeit angepasst
An die zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit müssen schließlich auch das KommAustria-Gesetz, das ORF-Gesetz,
das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz, das Fernseh-Exklusivrechtegesetz, das Parteiengesetz und das Volksgruppengesetz
angepasst werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf passierte den Verfassungsausschuss ebenfalls einstimmig.
Mit dem Gesetzespaket wird unter anderem der Auflösung des Bundeskommunikationssenats Rechnung getragen und
dezidiert festgelegt, dass künftig ein Senat des Bundesverwaltungsgerichts für Berufungen gegen Entscheidungen
der Kommunikationsbehörde KommAustria zuständig ist. Auch Beschwerden gegen Entscheidungen des Unabhängigen
Parteien-Transparenz-Senats sowie Beschwerden gegen die Bestellung eines Mitglieds der Volksgruppenbeiräte
sind in Hinkunft an das Bundesverwaltungsgericht zu richten. Um einen unverhältnismäßigen Aufwand
zu vermeiden, wird die im Juni dieses Jahres auslaufende Funktionsperiode der Mitglieder des Bundeskommunikationssenats
bis zum Ende des Jahres verlängert.
Die Gesetzesnovelle wird darüber hinaus für Detailänderungen in den genannten Gesetzen sowie für
die Beseitigung von Redaktionsfehlern und andere technische Anpassungen genutzt. Unter anderem ist etwa vorgesehen,
die Termine für die Überweisung von Fördergeldern aus dem Privatrundfunkfonds von März auf
Jänner bzw. von September auf Juni vorzuziehen. Außerdem werden die Meldepflichten für Eigentumsänderungen
bei Rundfunkveranstaltern vereinheitlicht.
Von Abgeordnetem Wolfgang Zinggl (G) auf die nach wie vor offene Novellierung des Volksgruppengesetzes angesprochen,
hielt Staatssekretär Josef Ostermayer fest, sein Ziel sei es, noch in dieser Legislaturperiode einen Gesetzesbeschluss
zu fassen. Allerdings gebe es immer noch Bedenken einiger Volksgruppenvertreter, etwa was die Frage der Verbandsklage
betrifft. Ein wesentlicher Punkt der Gesetzesnovelle ist laut Ostermayer, den Volksgruppenbeiräten mehr Autonomie
bei der Vergabe von Förderungen zu geben.
EU-Bericht: Grüne stemmen sich gegen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit
Mit den Stimmen der Koalitionsparteien und der Grünen nahm der Verfassungsausschuss schließlich
den gemeinsamen Bericht von Bundeskanzler Werner Faymann und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek über
aktuelle EU-Vorhaben in ihrem Zuständigkeitsbereich zur Kenntnis. Unter anderem informiert Bundeskanzler Faymann
im Bericht über die voraussichtlichen Schwerpunkte der diesjährigen EU-Gipfel und die Pläne der
EU zur Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion.
Im Rahmen der Diskussion übte Abgeordneter Albert Steinhauser (G) scharfe Kritik am Pakt für Wettbewerbsfähigkeit,
der im Zusammenhang mit der geplanten Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion zur Diskussion steht.
Er fürchtet einen massiven Angriff auf das demokratische Gefüge und auf die Sozialpolitik der EU-Staaten.
Für Steinhauser ist der seiner Darstellung nach vor allem von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel
forcierte Pakt ein Versuch der EU, nicht nur Griechenland, sondern alle EU-Staaten unter eine Troika-Aufsicht zu
stellen. Es drohen ihm zufolge unter anderem eine Deregulierung der Arbeitsmärkte, eine Senkung der Löhne
und eine Abkehr vom Recht der Arbeitgeber und der Gewerkschaft, Löhne festzulegen.
All diese Punkte wären in nationalen Parlamenten nicht mehrheitsfähig, sagte Steinhauser, der Pakt wäre
aber ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag, der den Parlamenten jeglichen Gestaltungsspielraum entziehen
würde, adäquat auf Krisen zu reagieren. Solange Österreich eine wirtschaftlich stabile Lage habe,
wäre es nicht gefährdet, hielt er fest, im Krisenfall müssten aber die von der EU diktierten Mechanismen
umgesetzt werden, wenn sich Österreich nicht schon jetzt gegen falsche Weichenstellungen wehre. Steinhauser
appellierte in diesem Sinn an die Regierungsparteien, beim Pakt für Wettbewerbsfähigkeit "nicht
so widerstandslos mitzuziehen" wie beim Fiskalpakt.
Abgeordneter Herbert Scheibner (B) kritisierte, der vorliegende EU-Vorhabensbericht spiegle die derzeit prekäre
Situation in Europa nicht wider. Das Rettungspaket für Zypern oder der neuerliche Finanzbedarf für Spaniens
Banken würden ebenso wenig erwähnt wie die generelle EU-Krise, klagte er und forderte eine kritische
Diskussion über die Lage Europas. Unzufrieden ist Scheibner auch darüber, dass die EU-Erweiterung und
die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Union im Bericht nur in zwei Nebenabsätzen erwähnt
werden.
Abgeordneter Johannes Hübner (F) schloss sich der Kritik von Abgeordnetem Steinhauser an und meinte, die EU
werde von einer nicht legitimierten Exekutive geführt, die Beschlüsse fasse, die eigentlich der Legelative
zustehen. Eine Folge der gegenwärtigen EU-Politik ist für ihn der Abbau des Sozialstaates und die Umwandlung
europäischer Staaten in Billiglohnländer.
Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G) brachte die Roma-Strategie der EU zur Sprache, seine Fraktionskollegin Daniela
Musiol schnitt die Themen Frauenquoten in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen und die EU-Kampagne
gegen weibliche Genitalverstümmelung an. Abgeordneter Werner Herbert (F) befasste sich mit der europäischen
Strategie für Cybersicherheit und wandte sich dagegen, unter dem Vorwand der Cyberabwehr die Bevölkerung
auszuspionieren. Abgeordneter Wolfang Gerstl (V) äußerte sich positiv zur Donauraumstrategie.
Staatssekretär Josef Ostermayer wollte sich den von Abgeordnetem Steinhauser geäußerten Bedenken
nicht anschließen. Er sehe nicht, dass es irgendeine Chance gebe, dass sich das von Steinhauser skizzierte
Szenario auf EU-Ebene durchsetzen könne, sagte er. Gerade der Wohlfahrtsstaat sei ein best-practice-Beispiel
der EU, dessen Weg man nicht verlassen werde.
Zu Abgeordnetem Scheibner merkte Ostermayer an, der erste Vorschlag zur Rettung von Zypern vor der Staatspleite
sei ein Fehler gewesen, da er eine Erschütterung von Vertrauen ausgelöst habe. Für die Zukunft setzt
er auf das zur Diskussion stehende Bankeninsolvenzrecht, das sicherstellen soll, dass nicht immer die öffentliche
Hand und damit der Steuerzahler einspringen müsse, wenn eine Bank ins Trudeln gerät.
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hielt fest, dass es noch keine einheitliche Regierungslinie zum Vorschlag
der EU gibt, eine Frauenquote im Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen einzuführen.
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