Das Land hören und Sound designen

 

erstellt am
25. 04. 13
14.00 MEZ

FH-Projekt erfasst und analysiert akustische Umwelt
St. Pölten (fhstp) - Uns umgebende Klänge und Geräusche sind Spiegelbild unserer Kultur, unserer Gesellschaft. Während unsere Welt zunehmend von akustischer Umweltverschmutzung geprägt ist, drohen akustische Ereignisse, die unsere (Hör)kultur über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte prägten, an Bedeutung zu verlieren oder gar in Vergessenheit zu geraten: Kirchturmgeläute, Posthorn, Geräusche von alten Handwerkzeugen und mechanischen Geräten. Das Forschungsprojekt "Klänge der Regionen" des Instituts für Creative\Media/Technologies (IC\M/T) der FH St. Pölten erforscht und dokumentiert die akustische Umwelt Niederösterreichs. Dadurch soll der Umgang mit dieser bewusster werden – individuell und auf Seiten der Raumplanung. Im Klangturm St. Pölten bilden die Ergebnisse des Projekts das Zentrum der Ausstellung 2013. Heute wird die Ausstellung eröffnet.

Hörschäden, Tinnitus, Herz-Kreislauf-Krankheiten: Sie alle können Folge der (immer stärker werdenden) Lärmbelastung unserer zunehmend technisierten Welt sein. Laut einer aktuellen Studie der Weltgesundheitsorganisation1 kosten Beeinträchtigungen durch Lärm den EuropäerInnen jährlich in Summe mehr als eine Million gesunde Lebensjahre. Kinder, die in einer lärmbelasteten Umgebung aufwachsen, beginnen später zu sprechen. Doch akustische Ereignisse sind mehr als Lärm. Denn Klänge, Geräusche, Sprache und Musik sind seit jeher wichtige Träger menschlicher Kultur.

Das Projekt „Klänge der Regionen“ der FH St. Pölten erforscht und dokumentiert die Klänge niederösterreichischer Regionen. Teil des Forschungskonzepts ist es, verschiedene Bevölkerungsschichten in die Forschungsarbeiten zu integrieren, zum Beispiel durch Workshops, Interviews oder durch das Mitwirken bei Dokumentation und Aufnahme der Klänge. Dies führt zu einem aufmerksameren Umgang mit der uns umgebenden Klangwelt und einem stärkeren Bewusstsein dafür, wie das eigene Land, der uns umgebende Lebensraum, klingt.

Im Projekt werden auch Richtlinien für den Umgang mit der akustischen Umwelt entwickelt, etwa für eine Raum- und Landschaftsplanung, die akustische Kriterien berücksichtigt. Daher werden im Projekt auch ArchitektInnen, RaumplanerInnen und PolitikerInnen eingebunden.

Die Erfahrung aus dem Projekt lässt sich aber auch für Sounddesign in halböffentlichen Räumen nutzen, zum Beispiel in Thermalbädern, Supermärkten oder Fußballstadien. Erste Interessenten und potentielle Partner haben bereits ihr Interesse bekundet.

Flüchtige Klänge – unbelebte Stille
Während visuelle Sinneseindrücke bzw. Bilder statische Objekte repräsentieren, die sich schon in ihrer ursprünglichen Form vergleichsweise einfach speichern, archivieren, analysieren und ausstellen lassen, sind akustische Ereignisse grundsätzlich flüchtig. Klang ist Ausdruck von Veränderung und Bewegung. Nur in einer völlig statischen und somit leblosen Umgebung herrscht „Totenstille“.

Doch akustische Ereignisse wurden bisher nur in vergleichsweise geringem Ausmaß in wissenschaftlich strukturierter Form gespeichert, nach verschiedenen akustischen, kulturwissenschaftlichen, soziologischen, historischen und anderen Kriterien analysiert, kategorisiert und der Gesellschaft in geeigneter Weise wieder zugänglich gemacht. Dies hängt vor allem mit der Tatsache zusammen, dass Schallspeicherung bis vor rund 135 Jahren völlig undurchführbar war und erst seit wenigen Jahrzehnten in ansprechender Qualität zu überschaubaren Kosten technisch möglich ist.

Durch die strukturierte Dokumentation und Erforschung der akustischen Umwelt im Projekt „Klänge der Regionen“ wird die uns umgebende Klangumwelt Stück für Stück aufgearbeitet, intensiv erlebt und für spätere Generationen bewahrt.

Klänge der Regionen im Klangturm St. Pölten
Wichtiger Teil des Projekts ist auch die Vermittlung und Präsentation der Ergebnisse. In der Wissenschaftskommunikation gibt es dafür im Bereich der Akustik bisher aber nur wenig Erfahrung. Nun werden Zwischenergebnisse des Projekts – in klanglicher und multimedialer Form – bei der Ausstellung im Klangturm St. Pölten der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Präsentationen erfolgen mit dem neuesten Stand der Technik und beziehen innovative und interaktive Methoden sowie pädagogische Ansätze mit ein.

Die Ausstellung im Klangturm präsentiert unter anderem die Medieninstallation "Mund.Art". Sie geht den umgangssprachlichen bzw. dialektalen Unterschieden in verschiedenen österreichischen Regionen in Niederösterreich, Vorarlberg, Tirol, Wien, der Oststeiermark, dem Salzkammergut und anderen Regionen nach und lädt anhand zahlreicher fast schon vergessener Dialektwörter zum Entdecken von Begriffen ein. Die Installation zeigt die Wechselwirkungen zwischen kultureller und regionaler Prägung und sprachlichen Äußerungen. Die BesucherInnen können auf spielerische Weise die verschiedenen Dialekte und Wörter der unterschiedlichen Regionen miteinander vergleichen.

Eine „Klang.Schatzkarte“ präsentiert besondere Hörplätze Niederösterreichs in den Kategorien Umwelt, Handwerk und Musik – vom Wildkatzengehege im Nationalpark Thayatal über Viergesang aus Annaberg bis zum Geräusch gärenden Weins in der Wachau. In einer sogenannten Klangschatztruhe können BesucherInnen Wünsche für weitere Orte zur klanglichen Dokumentation hinterlegen – die dann wissenschaftlich erfasst und in der nächsten Saison der drei Jahre laufenden Ausstellung im Klangturm präsentiert werden könnten.

----

[1] World Health Organization (2012). Environmental health inequalities in Europe : assessment report. Geneva: World Health Organization.

 

 

 

Informationen: http://www.fhstp.ac.at

 

 

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at