Resident Artists: Jude Angowih. Johanna Calle. Adriano Costa. 16. Mai – 22. Juni 2013 in der
Galerie Krinzinger, Wien
Wien (kunstnet) - Am 15. Mai 2013 eröffnet die Galerie Krinzinger in der Seilerstätte 16, 1010
Wien, drei Einzelpräsentationen von Jude Angowih aus Nigeria, Johanna Calle aus Kolumbien und Adriano Costa
aus Brasilien. Alle drei haben auf Einladung von Ursula Krinzinger und den beiden KuratorInnen Adriano Pedrosa
und Luisa Duarte an einem mehrmonatigen Artist-in-Residence-Programm von Krinzinger Projekte teilgenommen. Nun
präsentieren sie ihre Arbeiten, die während ihres Wien-Aufenthalts entstanden sind. Diese drei Einzelpräsentationen,
die vom 16. Mai bis 22. Juni 2013 in der Galerie Krinzinger zu sehen sind, sind der erste Teil der thematischen
Gruppenausstellung ConretaSonho, die im April/Mai 2014 ausgewählte Arbeiten von über 40 KünstlerInnen
aus Lateinamerika, Afrika, dem Nahen Osten und Asien – kuratiert von den brasilianischen KuratorInnen Adriano Pedrosa
und Luisa Duarte – präsentiert.
Adriano Pedrosa und Luisa Duarte entlehnen den Titel ihres Ausstellungsprojekts einer Arbeit des brasilianischen
Künstlers Ernesto Neto. Netos gleichnamiges Werk ContretaSonho repräsentiert die offenkundigen Gegensätze
von Ratio und Emotion, Themen, die in den in der Ausstellung präsentierten Arbeiten eine zentrale Rolle spielen.
Das von der europäischen Moderne propagierte rationalistische Ideal, wonach Fortschritt durch reine Vernunft
erreicht werden könne, hat mit der Globalisierung den Siegeszug in die Welt und in alle Bereiche des Lebens
angetreten, gleichzeitig war aber auch schon das Ende besiegelt. Es entpuppte sich als unerreichbarer Traum: Unterentwicklung
statt Entwicklung, Destruktion statt Produktion, Reichtum als Illusion, statt allgemeiner Befriedigung der Grundbedürfnisse
sich ausbreitender Hunger, Verdummung statt Bildung, Zwang statt Freiheit, Vernichtung statt Bewahrung der Kultur,
Strategie des Kriegs statt Strategie der Politik.
Jude Anogwih (Nigeria)
Der in Lagos, Nigeria lebende und arbeitende Multimedia-Künstler Jude Anogwih beschäftigt sich in
seinen Arbeiten – Fotografien, Zeichnungen, Malereien, Videoarbeiten, Installationen und Landkarten – mit den Themen
Identität, Mobilität und Migration. Seine Werke wurden u.a. in mehreren internationalen Ausstellungen
und Projekten präsentiert, wie etwa im Museum Folkwang, Essen, im JA.CA. Centro de Arte Jardim Canadá
Belo Horizonte, Minas Gerais (Brasilien) oder im Rahmen des 5th International Festival of Video-art, FIVAC Camaguey,
Kuba. Seine neue Werkgruppe Spatium 1 (Quadtych), die in Wien entstanden ist,beinhaltet eine Auswahl von Zeichnungen,
Malereien, Fotografien, experimentellen Videoarbeiten und Installationen und ist die Weiterführung von Jude
Anogwihs Arbeit Boundarylessness (2012), die eine neue Logik von Mobilität, Migration und Bewegung von Menschen
und Ideen kreiert. Spatium 1 (Quadtych) untersucht die Einflüsse und Auswirkungen von Migration auf unsere
Gesellschaft und interpretiert mit Hilfe einer einfachen Formensprache und klar definierten Mustern und Farben
sowohl die räumlichen Mikro- und Makrostrukturen unserer Umgebung als auch die Komplexität unserer Realität.
Johanna Calle (Kolumbien)
„My language is drawing. I have developed a visual grammar to communicate my thoughts. In my drawings I use
signs, alphabets, manuscripts, texts, photographs to construct an image. My drawings are related to the sign, symbols,
words, synthaxis, ethimology, phonetics, oral tradition, dylects and linguistics. I draw writings. I write drawings.
My language is drawing.“ Johanna Calle.
Seit mehr als 25 Jahren experimentiert die kolumbianische Künstlerin Johanna Calle mit dem Medium Zeichnung
und verwendet dabei verschiedene Materialien wie beispielsweise Fäden aber auch Buchstaben. Die ästhetische
Schüsselstrategie in Calles Arbeiten ist das gezielte Ausradieren von speziellen Partien innerhalb der Zeichnung.
Diese ausradierten Abschnitte werden oftmals mit als unpassend empfundenen Elementen und Formen ersetzt und fordern
den Betrachter/die Betrachterin auf, sich mit den erzeugten Irritationen und ihrer Bedeutung auseinanderzusetzen.
In ihren aktuellen Arbeiten erweitert sie das Medium Zeichnung, indem sie Vintage-Fotografien, historische und
anthropologische Ansichten sowie Schnappschüsse in ihre künstlerischen Arbeiten integriert. Diese Technik
bezeichnet Johanna Calle als „fotografisches Zeichnen“. Calles Arbeiten behandeln non-narrativ und kritisch-analytisch
die soziokulturellen Gegebenheiten und Probleme in Kolumbien. Speziell die Auseinandersetzung mit den sozialen
und ökologischen Strukturen des Landes, die Rolle der Frau oder die zunehmende Urbanisierung bilden hierbei
die Basis für ihr künstlerisches Werk. Calles Illustrationen sind dabei nicht wortwörtlich zu verstehen.
Vielmehr konstruiert die Künstlerin durch die Wahl der Materialien und der künstlerischen Ausführung
komplexe, symbolisch aufgeladene Darstellungen.
Adriano Costa (Brasilien)
„I dont have a theme the theme is the work the work is the experience the experience is not exactly just mine
sorry for that thanks Vienna.“ Adriano Costa.
In seinen Malereien, Skulpturen und Installationen bezieht sich Adriano Costa oft auf kunstgeschichtliche Genres
oder Bewegungen. Statt sie zu zitieren, kombiniert er diese Referenzen mit anderen symbolisch aufgeladenen Objekten,
die er in seiner unmittelbaren Umgebung und ganz alltäglichen Situationen vorfindet. Somit lädt er diese
Gegenstände mit einer neuen Bedeutung auf. Die von ihm bewusst ausgewählten Materialien sind etwa bunte
Buchstaben und Notizen, die er über Jahre gesammelt hat oder abgenutzte farbige Stoffreste. Diese stellt Costa
in verschiedenen Kompositionen und Formen zusammen und erkundet damit verschiedene Stile und Genre. Manchmal scheint
er die blassen Stilleben von Giorgio Morandi zu beschwören; in anderen Arbeiten lassen sich Bodenarbeiten
von Carl Andre oder Skulpturen russischer Konstruktivisten erkennen. Trotz seines vorsichtigen Umgangs mit der
Form, stellt Costa keinen Versuch an, die Fragilität der Materialien zu verstecken und die finalen Konstruktionen
scheinen oftmals am Rande des Kollapses zu sein. Dennoch geht es in seiner Arbeit nicht um einen puren Kontrast
von Chaos und Ordnung, Grauzonen und Bürokratie, Übergang und Dauer. In improvisierter Weise artikuliert
Costa den unterschiedlichen Charakter von Brasiliens kulturellem „Make-up“, einem Land „verdammt zur Modernität“,
wie es der Kritiker Mario Pedrosa einst formulierte.
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