PsychologInnen der Uni Graz erforschen die Übertragung von Emotionen
Graz (universität) - Wie funktioniert das Mitweinen bei einem Liebesfilm und warum fiebern wir mit
den HeldInnen im Film mit? Gefühle und Emotionen anderer übernehmen, das nennt die Psychologie „Emotionale
Ansteckung“. „Über den Emotionsausdruck des Gegenübers lässt man sich sprichwörtlich ,anstecken‘“,
beschreibt Ao. Univ.-Prof. Dr. Ilona Papousek vom Institut für Psychologie an der Karl-Franzens-Universität
Graz, diesen vollkommen automatisierten Prozess. „Ansteckung kann einerseits über einen Gefühlsausdruck
wie zum Beispiel ein Lächeln oder auch über eine Geste passieren“, erklärt sie. Die Forschungen
auf diesem Gebiet sind im universitären Schwerpunkt „Gehirn und Verhalten“ verankert.
Emotionale Ansteckung lässt sich unterschiedlich messen: Einerseits können die WissenschafterInnen über
Muskelaktivitäten im Gesicht eine erfolgreiche Übertragung von Emotionen feststellen. Neueste Studien
zeigen, dass sich Emotionale Ansteckung über die Gehirnaktivität regulieren lässt. Die ForscherInnen
versuchen mittels der Elektroenzephalografie – EEG – zu verwertbaren Daten zu kommen. „Wenn Menschen beispielsweise
jemanden beobachten, der Gefühle ausdrückt, dann werden im Gehirn nachweislich dieselben Regionen aktiviert,
die genutzt werden, um selbst Gefühle auszudrücken“, beschreibt Papousek den Vorgang.
Top-down-Kontrolle
In den Studien an der Uni Graz wurden den ProbandInnen kurze Filme vorgespielt, in denen eine Person zu sehen
ist, die Emotionen deutlich ausdrückt. Dabei konnten die ForscherInnen Interessantes herausfinden: „Die hinteren
Regionen des Gehirns sind normalerweise für die Wahrnehmung der Gefühle anderer verantwortlich. Das Frontalhirn
kann aber unter gewissen Umständen die emotionale Information vorverarbeiten, bevor sie sich auf einen selbst
auswirkt“, führt Papousek aus. Über die Gehirnströme zeigte sich, wie stark das Frontalhirn diese
hereinkommende Information reguliert; die Wissenschaft nennt diesen Mechanismus im Gehirn top-down-Kontrolle. „Dadurch
lässt sich zeigen, wie sehr Personen für Gefühle ansteckbar sind und wie sehr sozial-emotionale
Information auf das eigene Bewußtsein oder Verhalten durchschlägt“, sagt Papousek. Die Untersuchungen
haben auch ergeben, dass Personen mit Persönlichkeitsstörungen, die durch Verhaltensdefizite im zwischenmenschlichen
Bereich gekennzeichnet sind, stärker für die Übertragung von Gefühlen anderer empfänglich
sind, vor allem für negative Gefühle und besonders für Ärger.
Die Ergebnisse dieser Studien sind nicht nur für das Verstehen des sozialen Miteinanders von großer
Bedeutung, sondern spielen auch in der Psychiatrie und in der Psychotherapie, insbesondere bei der Erforschung
der Beziehung zwischen PatientInnen und TherapeutInnen eine Rolle.
|