Wien beschließt Gesetz über die risikoaverse Ausrichtung der Finanzgebarung und
verankert damit die Art. 15a-Vereinbarung als Gesetz
Wien (rk) - Die zu Jahresbeginn zwischen Bund, Ländern und Gemeinden vereinbarte staatsrechtliche Vereinbarung
zum risikoaversen Schuldenmanagement hat das Land Wien in ein Landesgesetz gegossen und am 14.05. in der Wiener
Landesregierung beschlossen.
Mit einer in Aussicht genommenen Novelle zum Finanz-Verfassungsgesetz 1948 sollte für die öffentliche
Hand ein allgemeines Spekulationsverbot als Staatszielbestimmung normiert werden – darauf einigten sich Bund und
Länder am 4. Jänner 2013 in Mondsee. Diese Novelle sieht u. a. grundsätzlich vor, dass vermeidbare
Risiken bei der Finanzierung und der Veranlagung öffentlicher Mittel auszuschließen sind. Um die Vorgabe
von bundesweit einheitlich geltenden Grundsätzen und Regelungen zu erfüllen, haben der Bund, die Länder
und die Gemeinden Anfang 2013 eine besondere Vereinbarung zur Sicherstellung einer risikoaversen Finanzgebarung
abgeschlossen, in Form einer Art. 15a-Vereinbarung, eine Regelung zwischen Bund und Länder.
Mangels der Zustimmung der Opposition für eine 2/3-Mehrheit im Nationalrat konnten jedoch die entsprechenden
bundes-verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen (noch) nicht geschaffen werden. So können etwa die Gemeinden
– mangels einer entsprechenden verfassungsrechtlichen Ermächtigung dazu – nicht (mehr) Vertragspartner sein.
Die bereits ausverhandelte und unterschriebene Vereinbarung muss daher entsprechend adaptiert werden.
Das heute beschlossene Landesgesetz über die risikoaverse Ausrichtung der Finanzgebarung übernimmt unabhängig
davon die zum jetzigen Zeitpunkt feststehenden und wesentlichen Eckpunkte des sogenannten Spekulationsverbots.
"Das ausformulierte Landesgesetz entspricht jenen Grundsätzen, die Wien seit Jahren bei der sicheren
Finanzgebarung des Haushalts eingehalten und bei der Veranlagung praktiziert hat. Wien hat in Finanzfragen immer
vorsichtig und verantwortungsvoll agiert, die städtische Gebarung ist insgesamt konservativ gestaltet. Dennoch
gibt es bei der Frage der Finanzierung der öffentlichen Haushalte in weiten Teilen der Bevölkerung große
Verunsicherung. Es ist mir deshalb wichtig, ein klares, politisches Signal zu setzen, das die Wiener Landesregierung
heute mit dem Beschluss dieses Gesetzes getätigt hat", erklärt Finanzstadträtin Vizebürgermeisterin
Renate Brauner.
Die Grundsätze im Detail
Das Landesgesetz zum Spekulationsverbot legt folgende Grundsätze im Rahmen des Finanzmanagements fest:
- Grundsatz einer risikoaversen Finanzgebarung unter Festlegung von Richtlinien
für das Risikomanagement für alle relevanten Risikoarten
- Vermeidbare Risiken sollen nicht eingegangen werden (unter anderem kein Abschluss
von derivativen Finanzinstrumenten ohne entsprechendem Grundgeschäft)
- Grundsatz einer strategischen Jahresplanung bezüglich Schulden- und Liquiditätsmanagement
- Grundsatz der Umsetzung einer Aufbau- und Ablauforganisation unter Einhaltung
der personellen Trennung von Treasury/Markt und Risikomanagement/Marktfolge (Vier-Augen-Prinzip)
- Grundsatz der Transparenz über getätigte Transaktionen, insbesondere
Berichterstattung an die Kontrollgruppe gemäß der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern
über einheitliche Grundsätze des Haushaltsrechts und eine risikoaverse Finanzgebarung
"Die gemeinsam mit dem Bund getroffenen Regelungen in der 15a-Vereinbarung entsprechen dem Gesetz, das
die Wiener Landesregierung heute beschlossen hat. Die Grundsätze entsprechen jenen Handlungsmustern, die der
Wiener Finanzverwaltung zu Grunde liegen, daher tragen wir sie vollinhaltlich mit", so der Leiter des Wiener
Finanzwesens, Dietmar Griebler.
Die neuen Regelungen im Gesetz über die risikoaverse Ausrichtung der Finanzgebarung zielen besonders darauf
ab, dass es keine Derivatgeschäfte ohne Grundgeschäfte gibt. Wien hatte aber schon bisher nur direkte
Finanzierungen bei nationalen und internationalen Kreditinstituten und der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur,
in Wien gibt es und gab es schon bisher keine risikoaffinen Finanzprodukte.
Tritt die Vereinbarung, aber auch das Landesgesetz in Kraft, darf es keine Neuverschuldung in Fremdwährungskrediten
ohne Absicherung mehr geben. Derzeit laufen 36 Prozent der städtischen Darlehen in Schweizer Franken. Unabhängig
davon gibt es seit 2011 die politische Vorgabe, von einer Neuverschuldung in Franken abzusehen. Diese Kredite werden
jedoch nicht aufgelöst, sondern vielmehr rolliert – sprich erneuert –, um keine Währungsverluste zu realisieren.
"Für uns standen in der Frage der Fremdwährungsfinanzierungen immer schon die langfristigen wirtschaftlichen
Überlegungen – die hinter jeder Finanzierung stehen müssen – im Vordergrund. Die neue Regelung sieht
auch vor, die Fremdwährungsfinanzierungen langfristig anzupassen", so Griebler.
"Der in der Vereinbarung getroffene und nun in ein Landesgesetz gegossene Kompromiss zwischen dem politischen
Gebot, mit den Geldern der Steuerzahler sehr verantwortlich umzugehen, und wirtschaftlicher Vernunft, ist aus unserer
Sicht gelungen", so Brauner.
Sicherheit beim Finanzmanagement
Hand in Hand mit der Sicherheit bei der risikoaversen Finanzgebarung geht auch die Sicherheit beim Finanzmanagement
für den Bereich der Stadt Wien (Hoheitsverwaltung).
"In Wien gab es und gibt es keine Ermächtigung für die Finanzverwaltung zum Abschluss von eigenständigen
Derivatgeschäften", betont Brauner. Die Eckpunkte bei der Finanzierung haben nach wie vor Gültigkeit.
- Der Bereich der Hoheitsverwaltung in Wien hat keine eigenständigen Derivatgeschäfte
- Der Bereich der Hoheitsverwaltung in Wien hat keine eigenständigen Absicherungsgeschäfte
- Der Bereich der Hoheitsverwaltung in Wien hat Finanzierungen bei nationalen und
internationalen Kreditinstituten und der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur
- Alle Finanzierungen werden im Rechenwerk der Stadt Wien mit stichtagsbezogenen
(und damit nicht realisierten Buchveränderungen) = aktuellen Werten ausgewiesen
- Die Kontrolle basiert aufgrund der jeweiligen Kontoauszüge der Kreditinstitute
durch die Magistratsabteilung 6 (Stadthauptkasse und Buchhaltungsabteilung 2).
Das Wiener Finanzmanagement beruht auf einer konservativen Gebarung in Form von Termingeldern, Festgeldern, Giralgeldern
und Altbestand an Wertpapieren österreichischer Kreditinstitute. Die Kontrolle findet aufgrund der jeweiligen
Konto- bzw. Depotauszüge der Kreditinstitute durch die Magistratsabteilung 6 (Stadthauptkasse und Buchhaltungsabteilung
2) statt.
"Das Finanzmanagement Wien hat 14-tägige Finanzmanagementsitzungen und operiert nach einem 6-Augen-Prinzip
beim Abschluss von Verträgen, nämlich durch den/die Sachbearbeiter/in bzw. den/die Referatsleiter/in,
den/die Dezernatsleiter/in sowie den/die Finanzdirektor/in. Damit ist sichergestellt, dass bei der Durchführung
von Finanztransaktionen auf größtmögliche operative Sicherheit geachtet wird", so Griebler.
Dies erfolgt durch eine angemessene Funktionstrennung zwischen Handel einerseits und Abwicklung andererseits, die
sich durch ein 4-Augenprinzip in der MA 5 sowie ein 4-Augenprinzip in der MA 6 – Stadthauptkasse darstellt.
Neu beim Finanzmanagement wird die Implementierung einer EDV-unterstützten Liquiditätsplanung mit einer
Prozesssteuerung auf SAP-Basis sein. Derzeit befindet sich ein erweiterter Prototyp in der Testphase. Er wird ab
Herbst flächendeckend ausgerollt und wird Anfang 2014 eingesetzt. Wien ist dabei Vorreiterin im gesamten deutschsprachigen,
öffentlichen Sektor.
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