Hölzel, Mediz, Moll u. a. – Meisterwerke im Fokus im Oberen Belvedere
Wien (belvedere) - Mit der Ausstellung Formalisierung der Landschaft - Hölzel, Mediz, Moll u. a. widmet
sich das Belvedere in der Reihe Meisterwerke im Fokus erstmals nicht dem Schaffen eines einzelnen in der Sammlung
vertretenen Künstlers, sondern thematisiert ein Phänomen in der Landschaftsdarstellung des späten
19. Jahrhunderts, das sinnbildhaft die Schwelle zur Flächenkunst des Jugendstils markiert: die Reduktion und
Formalisierung landschaftlicher Motive. Das wachsende künstlerische Interesse am Japonismus einerseits, eine
veränderte Sicht auf die Landschaft andererseits förderten jene gattungsübergreifende Tendenz, die
um 1900 einen Weg zur Entwicklung aus dem Impressionismus heraus wies. Sie lässt sich insbesondere im Werk
von Adolf Hölzel sowie in jenem seiner Freunde und Schüler, wie Carl Moll, Karl Mediz, Emilie Mediz-Pelikan
oder Theodor von Hörmann, nachvollziehen. Inspiriert von der Umgebung, fand Hölzel in Dachau zu jener
neuen Landschaftsauffassung, aus der er die Konsequenz eines gewandelten Kunstverständnisses zog.
Formen der Landschaft - geformte Landschaft
Bei der Wahl ihrer Motive fokussierten die Künstler weniger auf die Materialität und die Räumlichkeit
spezifischer Landschaften als vielmehr auf ornamentale Flächigkeit. Dieser Neuorientierung kamen die für
Maler wie Fotografen reizvollen Formen im Dachauer Moos bei München entgegen. So wurde die Region um 1850
zum Ziel zahlreicher Landschaftsmaler, die die Überzeugung teilten, dass die reine, unberührte Natur
ihre beste Lehrmeisterin sei. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Umland zu einem weithin bekannten Zentrum
der Freilichtmalerei - vor allem dank dreier Künstler, die als Neu-Dachauer ihren Platz in der Kunstgeschichte
fanden: Adolf Hölzel, Ludwig Dill und Arthur Langhammer. Die in der Künstlerkolonie übliche Malerei
unter freiem Himmel stellte den damals verbindlichen Kunstbegriff infrage; das Skizzieren in der Natur war zwar
üblich, normalerweise blieb es aber bei Studien, die erst im Atelier auf die Leinwand übertragen wurden.
Durch eine neue Landschaftsauffassung zum gewandelten Kunstverständnis
Mit seinem Umzug von München nach Dachau änderte Adolf Hölzel, dessen Geburtstag sich heuer im Mai
zum 160. Mal jährt, seine Malweise trotz anfänglicher Empörung vieler Kollegen grundlegend. Für
ihn wurde Malerei zur Forschung an den künstlerischen Mitteln. "Der Entwicklung jener Auf- und Erfassung
der Natur ging eine bewusste, nahezu wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Zweidimensionalität der
Bildfläche voran, der Hölzel bei seiner Umsetzung des Bildmotivs folgte. Hierin lag der gemeinsame Grundgedanke,
der für die Entwicklung moderner Flächenkunst innerhalb der Wiener Secession ein entscheidender Faktor
werden sollte", erläutert Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere. "Hölzel richtete seinen
Fokus auf den elementaren Aufbau der Bildkomposition, weg von der Abbildhaftigkeit eines Landschaftsausschnitts.
Die mehrmalige Wiedergabe des Baummotivs wandelte sich von der illusionistischen Valeurmalerei durch eine Kontrastierung
von hellen und dunklen Flächen zur ornamental anmutenden Reduktion der Formen. Aus dieser Landschaftsauffassung
zog Hölzel die Konsequenz eines gewandelten Kunstverständnisses, das er 1901 in seiner Schrift Über
Formen und Massenvertheilung im Bilde festhielt, die in der viel rezipierten, äußerst einflussreichen
Zeitschrift der Wiener Secession, Ver Sacrum, veröffentlicht wurde", ergänzt Alexander Klee, Kurator
der Ausstellung. In seiner Abhandlung manifestierte Hölzel die Betrachtung von ornamentalisierter Natur als
Wiedergabe in der Fläche sowie die damit verknüpften formalen und strukturellen Anforderungen an den
Bildaufbau. Landschaft sollte die Ausgangslage für etwas dauerhaft Gültiges, universal Anwendbares in
seiner Kunst werden. Jene Publikation verlieh der neuen Bildauffassung eine programmatische Form, deren Nachhall
in der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts vielfach erkennbar wird. Bald reichte Hölzels Ruf weit über
Dachau hinaus, und viele Künstler besuchten die von ihm begründete Malschule.
Formalisierung als medienübergreifendes Phänomen
In Malerei, Grafik und Fotografie kam es trotz individueller künstlerischer Unterschiede zu vergleichbaren
Ergebnissen, die ein gemeinsames Ziel verfolgten - die Entfernung von der Abbildhaftigkeit eines Landschaftsausschnitts
zugunsten eines methodischen, konzeptuellen Aufbaus der Bildkomposition. Bei Malern wie Adolf Hölzel, Ludwig
Dill oder Walter Leistikow erweist sich die Betonung von Silhouette und Flächenhaftigkeit als gemeinsamer
Fokus. In Werken einiger am Impressionismus orientierter Künstler treten formalisierende Elemente hinzu, die
etwa bei Carl Moll, Theodor von Hörmann, Rudolf Jettmar, Karl Mediz und Emilie Mediz-Pelikan eine ornamentale
Wendung erkennen lassen. Zeitgleich begeisterten sich Fotografen wie Heinrich Kühn, Hugo Henneberg und Hans
Watzek für eine gezielte Unschärfe des Bildes und Hell-Dunkel-Kontraste. Franz Stucks stimmungsvolles
Gemälde Abendlandschaft von 1891, das nachweislich mithilfe von Fotografien entstand, dient als herausragendes
Beispiel für die Interessenkongruenz in beiden Medien. Die Ausstellung Formalisierung der Landschaft - Hölzel,
Mediz, Moll u. a. zeigt erstmals auf, welch zentrale Rolle die ornamentale Form in der Landschaftsmalerei um 1900
einnahm. Zudem werden jene Einflüsse erkennbar, die aus Dachau in die Wiener Kulturszene hineinwirkten, sowie
die Reaktionen und Impulse, die in der Folge besonders von der Wiener Secession ausgingen. Vor allem anhand des
Motivs markanter Bäume bzw. Baumgruppen lässt sich die Entwicklung von der anfänglich illusionistischen
Wiedergabe der Landschaft zu einer Konzentration auf ornamental anmutende Formen nachvollziehen. Es wird deutlich,
wie sich das Landschaftsbild letztlich zu einem rhythmischen Wechsel von Hell- und Dunkelflächen wandelte.
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