LH Pröll: Gemeinsames Europa braucht selbstbewusste Regionen
St. Pölten (nlk) - "Jenseits der Krise - Umrisse eines neuen Europas" lautet das Thema des
18. Europa-Forums Wachau, das am 15.06. im Stift Göttweig eröffnet wurde. Im Zuge der Plenarveranstaltung
im Altmann Saal des Stiftes kamen heute im Anschluss an die Begrüßung durch den Abt von Göttweig,
Mag. Columban Luser, und durch die Präsidentin des Europa-Forums, Landesrätin Mag. Barbara Schwarz, Landeshauptmann
Dr. Erwin Pröll, der Autor und Schauspieler Miguel Herz-Kestranek, EU-Kommissar Dr. Johannes Hahn sowie der
Minister für auswärtige Angelegenheiten des Fürstentums Andorra, Gilbert Saboya Sunyé und
der Premierminister von Lettland, Valdis Dombrovskis, zu Wort. Moderiert wurde die Veranstaltung durch Prof. Paul
Lendvai.
Seit dem Jahr 1995 komme man auf dem Göttweiger Berg zusammen, um im Rahmen des Europa-Forums Wachau "die
Facetten der europäischen Entwicklung zu begleiten", dabei aber auch "mit ehrlichen Argumenten Unangenehmes
anzusprechen", sagte Landeshauptmann Pröll.
Viele meinten derzeit, Europa sei ein Sanierungsfall, so der Landeshauptmann, der dem entgegen hielt: "Sehr
vieles ist viel besser, als es in der öffentlichen Diskussion derzeit erscheint. Halten wir uns vor Augen:
Noch nie hat es in Europa so viel Freiheit und so viele Chancen gegeben wie jetzt. Noch nie zuvor hatten wir eine
so lange Friedensperiode wie jetzt. Europa ist für seine Wirtschaftsdynamik und sein Gesellschaftsmodell in
aller Welt anerkannt." Europa sei "mit Sicherheit nicht am Ende", auch wenn Europa immer "eine
Reise" sein werde: "Europa bleibt ein Projekt, an dem andauernd gearbeitet wird und wo jeder seine Aufgabe
zu erfüllen hat."
Seine Überzeugung sei klar, so Pröll: "Wir brauchen nicht mehr Europa, sondern wir brauchen mehr
Europa am richtigen Platz." So brauche man etwa "mehr Europa, wenn es darum geht, sich in einer globalisierten
Welt durchzusetzen", betonte er. Angesichts der aktuellen Hochwassersituation der letzten Tage wünsche
er sich die verstärkte Anwendung des Solidaritäts- und Subsidiaritätsprinzips, zum einen durch den
Einsatz von EU-Mitteln, um bei der Abgeltung der Schäden zu helfen, aber auch dadurch, dass "Investitionsgelder
für den Hochwasserschutz verfügbar gemacht werden". Man müsse in Europa "enger zusammenrücken,
um Katastrophenpläne zu entwickeln und um voneinander zu lernen", so Pröll. Eine gute Chance biete
dafür die Donauraumstrategie, im Zuge dieser soll der Katastrophenschutz "wesentlich klarer bearbeitet"
werden.
Das gemeinsame Europa brauche "selbstbewusste Regionen", sagte der Landeshauptmann weiters, denn "wir
profitieren gegenseitig - das Große vom Kleinen, das Kleine vom Großen". So habe Niederösterreich
von der EU sehr profitiert, informierte Pröll: "Jeder Euro, der von Niederösterreich nach Brüssel
abgegeben wird, kommt dreifach zurück. Wir haben in Niederösterreich um 80 Prozent mehr Unternehmen als
1995, ausländische Unternehmen investieren bei uns sieben Mal so viel wie 1995."
Das 18. Europa-Forum Wachau solle sich damit beschäftigen, "welchen Weg Europa jenseits der Krise gehen
wird", hielt Landesrätin Schwarz fest. Für das Verständnis der EU bei der Bevölkerung
sei das Europa der Regionen ein "ganz wichtiger Ansatz", sagte die Landesrätin: "Denn nur die
kleine Einheit ist tatsächlich in der Lage, die Bürger zu erreichen." Zum diesjährigen Europa-Forum
habe man vor allem auch die Jugend eingeladen, hob sie hervor: "Weil wir gerade der Jugend zeigen wollen,
dass es ihr Europa ist."
Miguel Herz-Kestranek forderte "Herzblut für die Vision Europa" ein und plädierte für
"Leidenschaft und Emotion". Der Autor und Schauspieler: "Es braucht kein neues Europa, sondern es
braucht den Mut, mit Leidenschaft, mit Emotion und mit Herz für das laufende Projekt einzutreten." Es
gehe darum, "Europa vorzuleben, und zwar mit Verstand und mit Herz - von den Parlamenten bis zu den Gemeindestuben,
von den Universitäten bis zu den Volksschulen, von den Symposien bis zu den Stammtischen."
EU-Kommissar Hahn sagte, seine "Vision von der Weiterentwicklung Europas" bestehe in einem "Zusammenleben
mit Freundschaft, mit gegenseitigem Respekt und wenn es notwendig ist mit Solidarität." Die Donauraumstrategie
sehe als einen ihrer elf Schwerpunkte die Auseinandersetzung mit der Risikoprävention vor, bezog sich auch
Hahn auf die Hochwasserproblematik: Es gelte hier, gemeinsame Standards zu entwickeln", denn es brauche in
diesem Bereich eine "europäische Abstimmung und Koordination". Seine Bitte an Niederösterreich,
das das Hochwasser "bei allen Problemen bravourös gemeistert" habe, sei, "diese Erfahrungen
innerhalb der Donauraumstrategie einzubringen."
Gilbert Saboya Sunyé aus Andorra betonte: "In Andorra fühlen wir uns zutiefst in Europa verwurzelt
- nicht nur geographisch, sondern vor allem auch in Bezug auf Werte und Grundsätze." Es gehe ihm um eine
"Vertiefung unserer Beziehungen mit Europa und einer Teilhabe an Europa", so Sunyé.
Der lettische Premierminister Valdis Dombrovskis bedankte sich für die Möglichkeit, über "die
lettische Perspektive auf die europäische Entwicklung" zu sprechen. Lettland werde mit dem 1. Januar
2014 dem Euro-Raum beitreten: "Wir haben Vertrauen zum Euro und wir stellen dieses Vertrauen unter Beweis."
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Schwarz: Subsidiarität ist unerlässlich für solidarische
Gemeinschaft
18. Europa-Forum Wachau beleuchtet die Umrisse eines neuen Europas jenseits der Krise
St. Pölten (nöi) - Die Präsidentin des Europa-Forum Wachau, Landesrätin Mag. Barbara
Schwarz, ging in ihrer Begrüßungsrede auf die Wechselwirkung von Solidarität und Subsidiarität
ein: "Europa wird sich im Großen neue gemeinschaftliche Regeln überlegen müssen - beispielsweise
in der Finanzpolitik oder in der gemeinsamen Sicherheitspolitik. Wir müssen aber darauf achten, dass wir im
Kleinen das Prinzip der Subsidiarität aufrechterhalten und mit Leben erfüllen. Denn regionale Strukturen
bedeuten für den Bürger bessere Mitsprache und Mitentscheidungsmöglichkeit und für den Politiker
bessere Erklärungsmöglichkeit."
Europa werde bei der Überwindung der derzeitigen Herausforderungen die Unterstützung der Bürger
und vor allem der Jugendlichen brauchen, meinte Schwarz weiter, "denn sie müssen die notwendigen Schritte
- die auch Verzichte für sie persönlich bedeuten - mittragen. Daher brauchen wir dringend eine Stärkung
der solidarischen Gemeinschaft in Europa. Das kann wiederum nur im direkten Umfeld in den Vereinen, in den Gemeinden,
in den Regionen beginnen. Denn nur wer Solidarität im Kleinen gelebt und erlernt hat, begreift auch, warum
Europa solidarisch handeln muss", so Schwarz, die als Beispiel das Hochwasser der letzten Tage und Wochen
anführte.
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Spindelegger: Erwarte klares Signal vom EU-Gipfel Ende Juni zu Serbien und
Kosovo
Vizekanzler beim Europaforum Wachau mit Premierministern aus Serbien und Kosovo; klares
Bekenntnis zur EU-Erweiterung am Balkan
Wien (bmeia) - In seiner Rede am Europaforum Wachau, welches in diesem Jahr unter dem Motto "Jenseits
der Krise - Umrisse eines neuen Europas" stattfand, lud Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger
am 16.06. die Teilnehmer zu einem Gedankenexperiment ein: "Lassen sie uns die letzten Krisenjahre einmal aus
der Perspektive künftiger Generationen betrachten: Diese werden feststellen, dass sich die EU in einer schwierigen
wirtschaftlichen Phase in denkbar kurzer Zeit auf nie dagewesene Instrumente zur gemeinsamen wirtschaftspolitischen
Kontrolle und Steuerung, sowie auf die Vertiefung ihrer Wirtschafts- und Währungsunion verständigen konnte."
Denn, so ergänzte der Vizekanzler, man müsse anerkennen, dass die EU heute besser aufgestellt sei, als
am Anfang der Krise. Daher dürfe man jetzt bei der Umsetzung nicht an Konsequenz verlieren.
Den Schwerpunkt seiner Rede legte der Vizekanzler auf die Erweiterungspolitik der Europäischen Union: "Der
Erweiterungsprozess demonstriert eindrucksvoll die ungebrochene Attraktivität der EU als Raum der Freiheit,
der Sicherheit und des Rechts. Er ist für die Kandidatenländer der entscheidende Antrieb, um den jeweiligen
innerstaatlichen Reformprozess voranzutreiben."
Mit dem Westbalkan bestünde ein besonders dichtes Netzwerk aus gemeinsamer Geschichte sowie politischer, wirtschaftlicher,
kultureller und zwischenmenschlicher Beziehungen, betonte Spindelegger. "Österreich tritt daher mit allem
Nachdruck dafür ein, dass sämtliche Länder des Westlichen Balkans ehestmöglich Mitglieder der
EU werden. Ohne den Westbalkan bleibt das Projekt Europa Stückwerk. Lasst uns den EU-Beitritt Kroatiens in
zwei Wochen als Initialzündung für die weitere EU-Annäherung der Region sehen!" Der Vizekanzler
unterstrich, dass Österreich sich weiter für die ehestmögliche Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen
mit Mazedonien, für den Kandidatenstatus Albaniens und einen glaubhaften Beitrittsantrag Bosnien-Herzegowinas
einsetze. Dazu müssten die politischen Eliten in diesen Balkanstaaten aber über ihre Schatten springen
und ihre Hausaufgaben machen. "Erst wenn dies geschieht, wird Österreich jene Argumente in die Hand bekommen,
um als Anwalt der Region Überzeugungsarbeit in anderen EU-Hauptstädten leisten zu können",
so Spindelegger.
In diesem Zusammenhang begrüßte der Vizekanzler besonders die Anwesenheit der Premierminister von Serbien
und des Kosovos, Ivica Dacic und Hashim Thaci, die in Göttweig erstmals außerhalb des UNO- oder EU-Rahmens
in New York oder Brüssel zusammenkamen. Beide sind die Architekten der schon jetzt vielfach als historisch
bezeichneten Vereinbarung zwischen Belgrad und Pristina, die vor wenigen Wochen zustande kam. "Natürlich
ist uns allen bewusst, dass das auf dem Papier Vereinbarte mit Leben zu füllen und zügig umzusetzen ist.
Erste Ergebnisse sind schon erzielt. Weitere werden folgen", so Spindelegger und ergänzte: "Ich
bin von der Unumkehrbarkeit des Prozesses überzeugt. Deshalb setze ich mich klar und deutlich für eine
Anerkennung und Ermunterung Serbiens und des Kosovo ein. Ich erwarte mir dazu ein klares Signal vom EU-Gipfel Ende
Juni. Das bedeutet ein konkretes Zieldatum für die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit Serbien und
für den Beginn von Verhandlungen zu einem Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit dem Kosovo."
Dieses Zieldatum könnte - so Spindelegger - aus seiner Sicht noch heuer, spätestens aber im Jänner
2014 liegen.
Abschließend betonte Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger einmal mehr, die wichtig es
für die Rolle der Europäische Union in Zukunft sei, mit einer Stimme zu sprechen: "Wir dürfen
uns nicht in unser europäisches Schneckenhaus verkriechen. Gemeinsam sind wir stärker, um uns den globalen
Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen. Wir brauchen diese nicht zu scheuen. Denn Europa hat eine starke
Basis."
Hashim Thaci, Premierminister der Republik Kosovo, sprach im Zusammenhang mit dem Brüsseler Abkommen zwischen
Kosovo und Serbien von einer "historischen Leistung" und einem "historischen Erfolg": "Wir
haben damit eine neue Situation geschaffen, und wir haben damit begonnen, ein neues Kapitel der Geschichte aufzuschlagen."
Der westliche Balkan habe großen Einfluss auf den Frieden und den Wohlstand am europäischen Kontinent,
betonte Ivica Dacic, Premierminister Serbiens. Auch er sprach im Zusammenhang mit den Verhandlungen mit dem Kosovo
von "historischen Schritten". Die EU sei "sicherlich das wichtigste Friedensprojekt in der Geschichte
Europas", so Dacic.
Vizekanzler Spindelegger bezeichnete die diesjährige Veranstaltung als ein "außergewöhnliches
Europa-Forum". Er bedankte sich im Blick auf das Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo bei den Premierministern,
"dass beide diese historische Chance genutzt haben." Zum Außenauftritt der Europäischen Union
hielt er fest: "Wir brauchen eine starke Position Europas in der Welt."
Nikola Poposki, Minister für auswärtige Angelegenheiten der Republik Mazedonien, nahm in seinem Referat
zur gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union Stellung, diese werde in Zukunft
"immer mehr an Bedeutung gewinnen".
Titus Corlatean, Minister für auswärtige Angelegenheiten von Rumänien, meinte, das Europa-Forum
Wachau habe "im Laufe der Jahre sehr an Prestige gewonnen". Österreich und Rumänien verbinde
"eine ganz besondere Partnerschaft", so Corlatean.
Das diesjährige Europa-Forum Wachau, das auch heuer wieder von Paul Lendvai moderiert wurde, stand ganz im
Zeichen des Themas "Jenseits der Krise - Umrisse eines neuen Europas". Im Zuge der heutigen abschließenden
Plenarveranstaltung wurden auch die Resumées der Arbeitskreise präsentiert. Getagt wurde zu den Themen
"10 Jahre Gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik", "Subsidiarität
- Solidarität", "Wirtschaft - Wachstum und Budgetsanierung" sowie "Mehr Europa durch mehr
Kultur - Die Rolle der Kultur bei der europäischen Integration und in den EU-Außenbeziehungen".
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