Neun Spitzen-NachwuchsforscherInnen in das prestigeträchtige START-Programm aufgenommen.
Wien (bmwf) - Wissenschafts- und Forschungsminister Karlheinz Töchterle, Jan Ziolkowski, Vorsitzender
der Internationalen Jury für das START-Programm und den Wittgenstein-Preis sowie FWF-Präsident Christoph
Kratky gaben am 17.06. im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz die diesjährige Wittgenstein-Preisträgerin
sowie die neun dieses Jahr in das START-Programm aufgenommenen NachwuchswissenschafterInnen bekannt. Insgesamt
werden in den kommenden fünf bzw. sechs Jahren den zehn ForscherInnen rund 12 Mio. EUR für ihre wissenschaftlichen
Arbeiten zur Verfügung stehen.
„Die Wittgenstein- und START-Preise stehen für Exzellenz und verleihen der Spitzen-forschung im besten
Sinn des Wortes ein Gesicht. Ich freue mich über das vielfältige Spektrum, das auch heuer durch die Preisträgerinnen
und Preisträger abgedeckt wird“, gratulierte Wissenschafts- und Forschungsminister Karlheinz Töchterle.
„Für die Nachwuchswissenschafterinnen und Nachwuchswissenschafter bedeutet der START-Preis ein Sprungbrett,
das sie hoffentlich bestmöglich im Sinne ihrer eigenen Entfaltung als auch der Stärkung ihrer Disziplin
und des Standortes nutzen“, so der Minister.
„Neben dem Wittgenstein-Preis reflektiert insbesondere das START-Programm die überaus positive Entwicklung
österreichischer Forschungsinstitutionen in den letzten Jahren. Noch nie zuvor gab es ein so großes
Feld hervorragender, junger WissenschafterInnen, das sich um die Aufnahme in das START-Programm beworben hat. Wer
auf so eine Bewerbungslage blickt, dem muss um den Forschungsnachwuchs in Österreich nicht bange sein“, erklärte
Christoph Kratky, Präsident des Wissenschaftsfonds.
Bereits zum 18. Mal wurden heuer die START- und Wittgenstein-Auszeichnungen vergeben. Der Kreis der im Rahmen dieser
Programme prämierten WissenschafterInnen wurde um zehn Personen erweitert. Der Wittgenstein-Preis 2013 geht
an Ulrike Diebold, Professorin für Oberflächenphysik an der Technischen Universität Wien.
Ulrike Diebold, geboren 1961 in Kapfenberg, promovierte im Jahr 1990 an der Technischen Universität Wien und
ging danach für drei Jahre an die Rutgers University, New Jersey, USA. Im Jahr 1993 wurde sie an die Tulane
University berufen, wo sie im Jahr 2001 zum Full Professor ernannt wurde. Sie blieb an der Tulane University bis
2009, unterbrochen von Forschungsaufenthalten, die sie unter anderem an die Pacific Northwest National Laboratories,
an das Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin, aber auch an die Princeton University sowie
an die Rutgers University führten. Der Kontakt zur Technischen Universität Wien riss in all diesen Jahren
allerdings nie ab. Im Jahr 2010 wurde Ulrike Diebold an den Lehrstuhl für Oberflächenphysik der Technischen
Universität Wien berufen, wo sie seither – neben einer Forschungsprofessur an der Tulane University – forscht
und lehrt.
Ulrike Diebold arbeitet im Schnittbereich von Physik und Chemie und hat sich weltweit einen Namen als führende
Expertin für Oberflächen von Metalloxiden gemacht. Ihre Spezialität ist die Anwendung von Rastertunnelmikroskopie
(scanning tunneling microscopy, STM) und Techniken der Oberflächenspektroskopie, um Oberflächenstrukturen
und molekulare Prozesse von Metalloxiden – bis auf die Ebene einzelner Atome – zu beobachten, zu beschreiben und
zu verstehen. Ihr wissenschaftlicher Erfolg setzt sich im Wesentlichen aus drei Komponenten zusammen: die von ihr
ausgewählten Systeme, ihre Fähigkeit, exakte und bahnbrechende Experimente durchzuführen, sowie
die Gabe, ihre wissenschaftlichen Teams zu Topleistungen zu führen.
Im Zentrum ihrer wissenschaftlichen Arbeit stehen oxidierte Materialien bzw. Werkstoffe.
Das ist einerseits eine logische Entscheidung, oxidieren doch letzten Endes alle Metalle und Halbleiter in der
Umwelt – also studiert man deren Oxidverbindungen, wenn man an ihren Oberflächen interessiert ist. Andererseits
haben diese Materialien eine faszinierende Bandbreite an physikalisch-chemischen Eigenschaften. Unter den Metalloxiden
finden sich die besten Isolierstoffe genauso wie Supraleiter, einige eignen sich als besonders aktive Katalysatoren,
andere sind als besonders korrosionsbeständige Materialien bekannt. Diese Vielseitigkeit, verbunden mit der
Möglichkeit, ihre Eigenschaften zu beeinflussen, machen Metalloxide für eine Fülle technischer Einsatzbereiche
hochinteressant.
In so gut wie allen gegenwärtig verfügbaren und zukünftig vorstellbaren Anwendungen dieser Materialien
– Katalysatoren, Gassensoren, Batterien, Brennstoffzellen, neuartige elektronische Bauteile – spielen Oberflächen
und Schnittstellen eine zentrale Rolle. Folglich ist Forschung, die sich grundsätzlichen Fragen nach Oberflächeneigenschaften
und Prozessen an Oberflächen widmet, nicht nur für die wissenschaftlichen Disziplinen per se von Interessen,
sondern hat auch große Auswirkungen auf Themen des Umweltschutzes, der Energiegewinnung und -speicherung
sowie auf weite Bereiche anderer technischer Anwendungen. Ulrike Diebold hat sich bereits als junges Faculty-Mitglied
an der Tulane University in New Orleans in den 1990er-Jahren mit grundsätzlichen Fragen der Oberflächenphysik
bei Metalloxiden beschäftigt. Damals galten Metalloxide zwar als interessantes Forschungsgebiet, wurden allerdings
als zu komplex sowie als zu „messy“ angesehen, um an ihnen sinnvolle Oberflächenforschung betreiben zu können.
Ulrike Diebold hat als Erste gezeigt, dass man mittels Rastertunnelmikroskopie Materialdefekte auf einzelatomarer
Ebene sichtbar machen kann und dass man chemische Reaktionen, die durch diese Fehler ausgelöst werden, Molekül
für Molekül beobachten kann.
Sie hat sich mit den weltweit besten theoretischen Gruppen zusammengetan, um ihre experimentell erzielten Ergebnisse
zu modellieren, um daran anknüpfend ein besseres Verständnis zu entwickeln, wie chemische Reaktionen
auf Oberflächen ablaufen. Sowohl ihre hoch-zitierten Review-Artikel, als auch ihre Originalarbeiten haben
das gesamte Feld der Oberflächenphysik maßgeblich (mit-)gestaltet.
Zukünftig will sich Ulrike Diebold und ihr Team darauf konzentieren, mittels neuer Methoden die Schnittstelle
zwischen festen und flüssigen Phasen zu erforschen. Mithilfe des Wittgenstein-Preises wird sie ihre Anstrengungen
intensivieren können, unter Verwendung eines elektrochemischen Rastertunnelmikroskops in neue Erkenntnisräume
der Oberflächenphysik vorzudringen.
Der Wittgenstein-Preis ist Österreichs höchstdotierter und prestigeträchtigster Wissenschaftspreis,
der seit 1996 durch den FWF vergeben wird. Wittgenstein- PreisträgerInnen stehen für wissenschaftliche
Forschungsarbeiten bis zu 1,5 Mio. EUR für die Dauer von fünf Jahren zur Verfügung. Der Wittgenstein-Preis
ist ein „Dry prize“, das heißt, die Gelder stehen ausschließlich für die intendierte Forschung
zur Verfügung.
Der Entscheidungsvorschlag – basierend auf Fachgutachten ausländischer ExpertInnen – wurde von der Internationalen
START-/Wittgenstein-Jury zusammengestellt. Die Jury setzt sich aus renommierten WissenschafterInnen aus dem Ausland
zusammen, um eine bestmögliche Objektivierung der Entscheidung sicherzustellen. Die Jury tagte Ende letzter
Woche unter der Vorsitzführung von Jan Ziolkowski, Professor für Latein des Mittelalters und Direktor
der Dumbarton Oaks Research Library and Collection der Harvard University.
Ulrike Diebold ist nach Ruth Wodak (1996), Marjorie Matzke (1997, gemeinsam mit Antonius Matzke) sowie Renée
Schroeder (2003) die vierte Frau, die den Wittgenstein-Preis erhält.
Neben dem Wittgenstein-Preis wurden neun Spitzen-NachwuchsforscherInnen aus 96 Bewerbungen in das START-Programm
aufgenommen. Die START-Auszeichnung ist die höchstdotierte und anerkannteste FWF-Förderung für NachwuchsforscherInnen,
die aufgrund ihrer bisher geleisteten wissenschaftlichen Arbeit die Chance erhalten sollen, in den nächsten
sechs Jahren finanziell weitgehend abgesichert, ihre Forschungsarbeiten zu planen, eine eigene Arbeitsgruppe auf-
bzw. auszubauen und diese eigenverantwortlich zu leiten. Nach drei Jahren haben sie sich einer Zwischenevaluierung
zu stellen. Die START-Projekte sind mit jeweils bis zu 1,2 Mio. EUR dotiert.
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