Außenminister warnt vor Auswirkung auf EU-Prozess, EU könnte einschlägiges
Verhandlungskapitel auf den Tisch legen
Wien (bmeia) - Angesichts der seit 15 Tagen andauernden Proteste zivilgesellschaftlicher Gruppierungen in
der Türkei brachte Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger seine Besorgnis über das
Vorgehen der türkischen Regierung zum Ausdruck: „Die türkischen Sicherheitskräfte haben gegenüber
überwiegend friedlich demonstrierenden Menschen ein erschreckendes Maß an Gewalt und Einschüchterung
an den Tag gelegt. Die türkische Regierung muss jetzt alles für ein angemessenes Vorgehen der Sicherheitskräfte,
die Einhaltung der Menschenrechte und die Wahrung der Grund- und Bürgerrechte tun.“ Die Dialogangebote türkischer
Politiker sind, so Spindelegger weiter, spät gekommen, aber für den sozialen Frieden unabdingbar.
Spindelegger warnte auch davor, die Proteste aufgrund einer Minderheit an randalierenden Demonstranten zu kriminalisieren:
„Österreich und die EU verurteilen jegliche Gewaltanwendung – selbstverständlich auch solche der Demonstranten.
Die in diesen Tagen jedoch von türkischen Politikern geäußerten Vorwürfe, es handle sich bei
den Protestierenden um Agitatoren oder gar um Terroristen, sind kein Beitrag zur Deeskalation und ein weiterer
Schlag gegen den Respekt für freie Meinungsäußerung.“ Ebenso zeigte sich der Außenminister
besorgt über die öffentlichen Ankündigungen, Internet und vor allem die sozialen Medien einschränken
bzw. einer stärkeren Kontrolle unterwerfen zu wollen.
Für die Verhandlungen zwischen der Türkei und der EU seien, so Spindelegger, die nächsten Tage und
die Reaktionen der Regierung entscheidend. „Die EU muss eine klare Haltung einnehmen und Ankara gegenüber
klarmachen, dass die Gewährleistung der Grund- und Menschenrechte ein Kernelement der europäischen Wertegemeinschaft
und notwendige Voraussetzung für die Annäherung der Türkei an die EU ist“, so der Außenminister.
Statt Verhandlungskapitel zu blockieren, sollte sich daher die EU überlegen, ob man nicht das einschlägige
Kapitel 23 „Justiz und Grundrechte“ eröffnen könne. „Dadurch wäre es möglich, den Finger auf
die Wunde zu legen und die Problematik auch formell auf den Tisch der Verhandlung zu bringen“, so Spindelegger
abschließend.
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