Diskussion über bürokratischen Aufwand der Betriebe
Wien (pk) - Wirtschaftsthemen bildeten am 13.06. den Abschluss des Nationalratsplenums. Seitens der Opposition
wurde immer wieder der Vorwurf laut, den Betrieben würde schon wieder mehr Bürokratie aufgelastet. Dem
widersprach Bundesminister Mitterlehner heftig.
Mehrheitlich beschloss das Plenum zunächst Änderungen im Wirtschaftskammergesetz, die auf einen Antrag
von SPÖ und ÖVP zurückgehen und im Wesentlichen auf die neu geschaffene Verwaltungsgerichtsbarkeit
erster Instanz reagieren. Demnach sollen nun sämtliche innerhalb der Wirtschaftskammerorganisation bestehenden
oder direkt zum Bundesminister führenden Instanzenzüge entfallen. Gegen Bescheide der jeweiligen Verwaltungsbehörde
erster Instanz wird nunmehr nur noch das zuständige Verwaltungsgericht angerufen werden können. Gemeinnützige
Pflegeheime sind künftig Mitglieder der Wirtschaftskammer
Einstimmig verabschiedet wurde ein Antrag von SPÖ und ÖVP, der Änderungen im Wirtschaftstreuhandberufsgesetz
und im Ziviltechnikerkammergesetz zum Inhalt hat, die dem Systemwechsel im administrativen Instanzenzug Rechnung
tragen. Ein Bilanzbuchhaltungsgesetz, das mehrheitlich beschlossen wurde, bringt eine Überarbeitung der Behördenstruktur
und Anpassungen im Sinne der Verwaltungsökonomie. Neu ist die Auflösung der Paritätischen Kommission
und die Übertragung ihrer Aufgaben an die Wirtschaftskammer. Für Fachprüfungen wiederum sind nunmehr
die Meisterprüfungsstellen verantwortlich. Auch besteht die Möglichkeit einer ex ante-Anrechnung von
Prüfungen externer Lehrgangsanbieter.
Skepsis wegen Mitgliedschaft der Pflegeheime in der Wirtschaftskammer
Abgeordneter Bernhard THEMESSL (F) lehnte das Wirtschaftskammergesetz namens seiner Fraktion ab und kritisierte
vor allem die Ausweitung der Rechte des Wirtschaftskammer-Präsidiums, insbesondere die rückwirkenden
Eingriffe in die Bemessungsgrundlage zur Berechnung der Beiträge.
Abgeordneter Konrad STEINDL (V) begrüßte die Novelle zum Bilanzbuchhaltungsgesetz und erwartete sich
von den Änderungen unter anderem eine effizientere Kostengestaltung bei den Fachprüfungen unter gleichzeitiger
Beibehaltung der bisherigen Standards und der hohen Qualität.
Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) forderte in ihrer Wortmeldung eine Befreiung von den Beiträgen zur Wirtschaftskammer
für gemeinnützige Organisationen, die Pflege- oder Altenheime betreiben.
Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) erwiderte, die Novelle sei notwendig, um die Senkung der Beitragsgrundlage
für die Pflegeheime zu ermöglichen. Wer heute gegen die Vorlage stimmt, der stimme für das Risiko,
dass Pflegeheime die vollen Beiträge für fünf Jahre im Nachhinein zahlen müssen, warnte er
im Hinblick auf ein laufendes Höchstgerichtsverfahren.
Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) bekräftigte die volle Zustimmung seiner Fraktion zu den Änderungen von
Wirtschaftstreuhandberufs- und Ziviltechnikerkammergesetz wie auch zum Bilanzbuchhaltungsgesetz. Was die Mehrfachmitgliedschaften
bei der Wirtschaftskammer betreffe, so sei schon vor Jahren eine maßgebliche Reduktion versprochen worden.
Die Zahlen bestätigten aber nicht, dass diese stattgefunden habe. Windholz brachte daher einen Antrag auf
Abschaffung der Mehrfachzwangsmitgliedschaften in den Fachgruppen (Fachverbänden) der Wirtschaftskammern ein.
An ihre Stelle sollten freiwillige Mitgliedschaften treten.
Dem gegenüber verwies Abgeordneter Peter HAUBNER (V) auf die Verwaltungsvereinfachung, die die Änderung
des Wirtschaftskammergesetzes bringe. An einem Paket zur Wahlrechtsreform müsse aber noch ernsthafter arbeiten,
hielt er Abgeordneter Lichtenecker entgegen. Für die Bilanzbuchhalter sei insgesamt ein gutes Paket geschaffen
worden.
Bundesminister Reinhold MITTERLEHNER hielt zu den Ausführungen von Abgeordnetem Themessl fest, man habe im
Wirtschaftskammergesetz mit der Kulanzfrist von 31 Tagen für die Beitragspflicht eine praktikable Regelung
gefunden. Auch die Ausnahmeregelungen für Pflegeheime seien gut begründet, man erspare ihnen damit hohe
Kosten.
Abgeordneten Franz KIRCHGATTERER (S) beurteilte die gute und sachliche Atmosphäre der Arbeit im Wirtschaftsausschuss
positiv. Beim Wirtschaftskammerwahlgesetz hätte er sich allerdings mehr gewünscht.
Die Zustimmung zur Novelle des Wirtschaftskammergesetzes erfolgte mit Mehrheit. Der Entschließungsantrag
von Abgeordnetem Windholz zur Änderung des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes und Ziviltechnikerkammergesetzes
blieb in der Minderheit. Die Novelle selbst wurde einstimmig angenommen. Mehrheitlich wiederum passierte das Bilanzbuchhaltungsgesetz
den Nationalrat.
Neuerungen in der Gewerbeordnung stoßen auf unterschiedliche Reaktionen
Eine mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossene Änderung der Gewerbeordnung sieht als Folge der Umgestaltung
der Haftpflichtversicherung für das Baugewerbe eine Anpassung des Entziehungstatbestands an die neue Rechtslage
vor. Darüber setzt die Novelle die EU-Richtlinie über Industrieemissionen für den Bereich des gewerblichen
Betriebsanlagenrechts um, die u.a. Vorkehrungen zum Boden- und Grundwasserschutz ausbaut und eine ausdrückliche
Verpflichtung zur Durchführung von Umweltinspektionen enthält. Der Umsetzung der EU-Richtlinie für
Industrieemissionen dient auch ein Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen, das der Nationalrat mit den ebenfalls
mehrheitlich annahm. Bestehende Regelungen und Verordnungen, die schon bisher zu strengeren Auflagen führten,
werden dabei übernommen, sodass die erreichten hohen Umweltstandards beibehalten werden können.
Abgeordneter Bernhard THEMESSL (F) kündigte die Zustimmung zum Emissionsschutzgesetz an. Zur Änderung
der Gewerbeordnung in Umsetzung der EU-Richtlinie über Industrieemissionen für den Bereich des gewerblichen
Betriebsanlagenrechts meinte er, obwohl der Minister stets auf den notwendigen Bürokratieabbau hinweise, setze
man wieder eine EU-Richtlinie um, die zu unzumutbaren bürokratischen Auflagen für heimische Betriebe
führen werde. Weder die versprochene Steuerreform noch die Erneuerung der Gewerbeordnung werde angegangen,
sondern immer neue Auflagen für die Unternehmen geschaffen, was die FPÖ ablehne.
Abgeordneter Gabriel OBERNOSTERER (V) hielt seinem Vorredner entgegen, er argumentiere inkonsistent. Die Anpassung
der EU-Richtlinien bedeute in einzelnen Bereichen auch Entlastungen für die Betriebe, es gebe keine Mehrauflagen,
er verstehe daher die Aufregung der FPÖ nicht.
Die Grünen würden beiden Regierungsvorlagen nicht zustimmen, hielt Abgeordnete Christiane BRUNNER (G)
fest, wenn auch aus anderen Gründen als die FPÖ. Die Abgeordnete führte umweltpolitische Bedenken
an. Es seien weder die Parteistellung von Umweltorganisationen gemäß Arhus-Konvention noch das Kriterium
Energieeffizienz berücksichtigt worden.
Abgeordneter Wolfgang KATZIAN (S) ging in Zusammenhang mit der Gewerbeordnung auf die Probleme der Handelskette
daily ein. Sie habe mit der Sonntagsöffnung auf ein Geschäftsmodell gesetzt, das schlicht gesetzeswidrig
gewesen sei. Nicht die Gewerkschaften seien daher schuld, wenn Arbeitsplätze verloren gingen. Die Gewerkschaften
seien aber bereit, ein zweites Mal Gespräche zur Sicherung der Arbeitsplätze der Handelskette aufzunehmen.
Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) hielt fest, die Umsetzung der EU-Industrieemissionsrichtlinie betreffe nur wenige
Anlagen, sie sei daher vertretbar. Das Vorgehen im Fall der Gewerbeordnung sei allerdings eigenartig gewesen, und
die Novelle bedeute neue Kosten für Betriebe, wie auch der Minister bestätigt habe. Das BZÖ erwarte
sich aber ein Entlastung, nicht weitere Belastungen der Wirtschaft.
Abgeordnete Elisabeth HAKEL (S) ging nochmals auf den Fall daily ein. Ein solcher Gesetzesbruch sei nicht hinnehmbar,
sagte sie. Sonntagsöffnungen würden nicht mehr, sondern nur Verschiebungen der Kaufkraft bringen. Was
die Sonntagsarbeit betreffe, so könne die Mehrheit der ArbeitnehmerInnen nicht am Sonntag arbeiten, es sei
ein Tag für Familie oder auch für ehrenamtliche Tätigkeit. Sicher gebe es einzelne Branchen, wo
am Sonn- und Feiertag gearbeitet werden muss, das werde aber entsprechend entlohnt. Für die Masse der ArbeitnehmerInnen
müsse der Sonntag aber ein freier Tag bleiben, stand für sie fest. Auch der ländliche Raum würde
sicherlich unter einer Freigabe des Sonntags leiden.
Bundesminister Reinhold MITTERLEHNER hielt die Ausführungen von Abgeordnetem Themessl für völlig
überzogen. Es finde stets eine Abwägung zwischen der Forderung nach Wettbewerbsfähigkeit und Umweltauflagen
satt, bekräftigte er. Die Umsetzungen der EU-Richtlinie sei sehr schonend erfolgt, das Thema eigne sich daher
nicht als Beispiel, um neue Belastungen anzuprangern. Den Kampf gegen die Überbürokratisierung treibe
er konsequent voran, sagte Mitterlehner.
Abgeordneter Wolfgang ZINGGL (G) brachte einen Entschließungsantrag betreffend die Beurteilung künstlerischer
Tätigkeit in der Gewerbeordnung nach nachvollziehbaren und modernen Kriterien ein. Sein ursprünglicher
Antrag dazu sei im Ausschuss vertagt worden. Das richtige Gremium für solche Entscheidung sei der Künstlersozialversicherungsfonds,
sagte er.
Die Änderung der Gewerbeordnung und das Emissionsschutzgesetz wurden mit Mehrheit beschlossen. Der Entschließungsantrag
der Grünen wurde mehrheitlich abgelehnt.
Vereinfachungen bei Abverkäufen
Durch ein mehrheitlich beschlossenes Bauproduktenotifizierungsgesetz wird beim Wirtschaftsministerium eine Notifikationsbehörde
eingerichtet, die die von der EU geforderte Zulassung von Bauprodukten verwalten und insbesondere auch den Qualitätsnachweis
einheitlich regeln soll. Eine einstimmig verabschiedete UWG-Novelle (Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb)
bringt Vereinfachungen für Abverkäufe und reduziert vor allem die Bewilligungspflicht bei der Ankündigung
von bestimmten Ausverkäufen. Im Wesentlichen ist nunmehr eine Vorabbewilligung nur noch bei Ausverkäufen
wegen Geschäftsauflösung erforderlich.
Die österreichische Wirtschaft werde vom Staat mit über 8 Mrd. an Kosten für Bürokratie belastet,
klagte Abgeordneter Alois GRADAUER (F). Die ÖsterreicherInnen zahlten auch hohe Steuern für die Finanzierung
der Verwaltungskosten des Staates selbst. Das vorliegende Bauproduktenotifizierungsgesetz sei ein neuer Fall einer
Überbürokratisierung. Pro Jahr müssen 32 Fälle Bauprodukte notifiziert werden, für diese
richte man eine eigene Stelle beim Wirtschaftsministerium ein. Es sei wieder einmal Unfug der EU, der endlich abzustellen
sei.
Gradauer nannte als weitere Beispiele von Belastungen der Wirtschaft aus seiner Sicht. Die Konjunkturaussichten
Österreichs seien nicht sehr gut, die Arbeitslosigkeit im Steigen. Eine Maßnahme wäre ein Investitionsfreibetrag.
Der Wirtschaftsminister stimme zwar für Griechenlandhilfe, aber nicht für Investitionen in Österreich.
Österreich falle in internationalen Rankings immer weiter zurück, sagte Gradauer und untermauerte das
mit Aussagen von Wirtschaftskammerpräsident Leitl.
Abgeordneter Josef LETTENBICHLER (V) hielt fest, dass das Bauproduktenotifizierungsgesetz der Vereinheitlichung
des Marktes für Bauprodukte in der EU diene. Es nicht zu beschließen, würde die Exporte österreichischer
Bauprodukte gefährden. Es werde keine Bürokratie aufgebläht, sondern MitarbeiterInnen des Ministeriums
übernehmen die Notifizierungen. Die Schaffung einer einheitlichen Behörde war der ausdrückliche
Wunsch der Länder, hielt er fest.
Auch Abgeordneter Kurt GARTLEHNER (S) wies darauf hin, dass das Bauproduktenotifizierungsgesetz für die Bauwirtschaft
wichtig sei, denn dadurch könne man mit Bauprodukten auf dem gesamten europäischen Markt auftreten.
Die Grünen unterstützten ebenfalls beide Vorlagen, wie Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) mitteilte.
Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) kündigte auch die Zustimmung seiner Fraktion für beide Gesetzesvorlagen
an, da die erste der Bauwirtschaft und die zweite der vom BZÖ stets geforderten Entbürokratisierung diene.
Bundesminister Reinhold MITTERLEHNER teilte Abgeordnetem Gradauer mit, es gehe nicht um 32 Fälle von Bauprodukten
pro Jahr, sondern um die Aufsicht einer neu zu schaffenden Zentralstelle über 32 Stellen in Österreich,
die für Notifizierungen zuständig sind. Davon profitierten viele Firmen im Baubereich, die ihre Produkte
auf den EU-Markt bringen können. Beide Novellen seien Beispiele von Vereinfachung für Unternehmen. Was
die von Gradauer angeführten Rankings betreffe, gebe es sehr wohl auch Bereiche, in denen Österreich
seine Position verbessern konnte. Zweifellos müsse man Belastungen vermindern und vor allem im Bildungssystem
Reformen umsetzen. Es bestehe sicher kein Grund zu Selbstgefälligkeit, meinte Mitterlehner, Wirtschaftspolitik
erfordere kontinuierliche Anstrengungen.
Zu Trauerstimmung, wie Abgeordneter Gradauer sie verbreitet habe, gebe es keinen Anlass, meinte Abgeordneter Peter
HAUBNER (V). Österreichs Wirtschaft stehe im europäischen Vergleich gut da. Die beiden Novellen seien
zu begrüßen, da sie Vereinfachungen bringen.
Da durch das Gesetz zu den Ausverkaufsregeln auch die Ausverkäufe nach Naturkatastrophen geregelt werden,
wolle er die Gelegenheit nützen, sich nochmals bei allen Freiwilligen, die beim jüngsten Hochwasser Hilfe
geleistet haben, zu bedanken, sagte Abgeordneter Hubert KUZDAS (S).
Das Bauproduktenotifizierungsgesetz wurde mit der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit
angenommen. Die UWG-Novelle erhielt einhellige Zustimmung.
|