Bessere Arbeitsmarktintegration Hochqualifizierter wäre positiv für den Staatshaushalt
Paris/Berlin (oecd) - Die dauerhafte Zuwanderung nach Österreich ist zwischen 2010 und 2011 so stark
angestiegen wie in wenigen anderen OECD-Ländern. Gut 58.000 Menschen kamen im letzten Jahr, für das harmonisierte
Zahlen vorliegen, ins Land – etwa 12.500 mehr als im Jahr davor. Das entspricht einem Plus von 27 Prozent. Wie
die aktuelle Ausgabe des “Internationalen Migrationsausblicks” der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung zeigt, vermeldeten nur Deutschland und Irland in diesem Zeitraum einen noch größeren
Anstieg. Die vorläufigen Zahlen für 2012 weisen auf einen ähnlichen Trend hin.
Quelle: OECD
Insgesamt wanderten 2011 gut vier Millionen Menschen dauerhaft in die OECD ein – ein Plus von zwei Prozent gegenüber
2010, aber noch unter Vorkrisenniveau (4,7 Mio.). Die wichtigsten Zielländer waren die USA, Spanien und Großbritannien.
Von diesen Migranten stammten 275.000 aus europäischen Krisenländern. Ein Drittel davon ging nach Großbritannien.
Die sogenannte Freizügigkeit im Europäischen Wirtschaftsraum ist in Österreich für etwa zwei
Drittel der dauerhaften Zuwanderung verantwortlich. Mit einigem Abstand folgt der Familiennachzug und in noch geringerem
Umfang humanitär begründete Migration. Insgesamt liegt die Neuzuwanderung nach Österreich gemessen
an der Gesamtbevölkerung mit etwa 0,7 Prozent leicht über dem OECD-Schnitt von 0,6 Prozent.
Zum ersten Mal enthält der Migrationsausblick in diesem Jahr Analysen zu den fiskalischen Folgen der Zuwanderung
für die Zielländer. Zieht man die staatlichen Transferzahlungen von den erbrachten Steuer- und Sozialversicherungsbeiträgen
ab, so steuerten Zuwandererhaushalte zwischen 2007 und 2009 im OECD-Durchschnitt kaufkraftbereinigt 3200 Euro pro
Jahr zur Staatskasse bei. Auch für Österreich fällt die Berechnung mit knapp 2400 Euro jährlich
positiv aus. Noch vorteilhafter schnitten „gemischte“ Haushalte ab, also jene mit einem in Österreich und
einem im Ausland geborenen Erwachsenen. Durch direkte Zahlungen dieser Gruppe flossen sogar gut 6400 Euro netto
in die Kassen des österreichischen Staates.
Anders als für die Masse der OECD-Länder erhöhten sich diese Nettozahlungen der Migrantenhaushalte
in Österreich während der Krise – und zwar wesentlich stärker als jene der im Land Geborenen. Ein
Grund dafür dürfte die positive Erwerbsentwicklung unter den Zuwanderern sein: Ihre Beschäftigungsquote
stieg von 2008 bis 2012 um 1,5 Prozentpunkte. Die weite Mehrzahl der anderen OECD-Länder hingegen erfährt
seit 2008 teilweise erhebliche Rückschläge bei der Arbeitsmarktintegration von Migranten.
Wie wichtig diese Integration für die Volkswirtschaften der OECD ist, geht aus Schätzungen der Studienautoren
hervor, die darlegen, welchen ökonomischen Mehrwert es hätte, wenn Zuwanderer im gleichen Maße
erwerbstätig wären wie im Land Geborene. In Belgien etwa würde ein solcher Beschäftigungsgleichstand
die Staatseinnahmen um etwa 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigern, in Österreich käme man immer
noch auf 0,4 Prozent. (Abb. 3.A1.5.). Allein eine bessere Arbeitsmarktintegration hochqualifizierter Migranten,
könnte hier die Nettoeinnahmen des Staats um etwa eine halbe Milliarde Euro steigern.
Die Chancen auf einen Job sind für viele zugewanderte Gruppen im Zielland allerdings signifikant geringer
als für Personen ohne Migrationshintergrund. Der Bericht hält fest, dass beispielsweise im Lande geborene
Nachfahren türkischer Zuwanderer in Belgien eine fünfmal so große Wahrscheinlichkeit haben, arbeitslos
zu sein wie Belgier mit gleichem Alter, Bildung und familiären Status, aber ohne Migrationshintergrund. Für
Österreich existiert diese Berechnung für die Nachfahren der beiden größten Migrantengruppen:
Türken und Ex-Jugoslawen. Während die weiblichen Nachkommen von Zuwanderern aus dem ehemaligen Jugoslawien
trotz hoher Beschäftigung mehr als doppelt so häufig mit Arbeitslosigkeit rechnen müssen, ist der
Unterschied für ihre männlichen Altersgenossen und für die Nachkommen von Türken statistisch
unbedeutend.
Gleichzeitig fühlen sich in den europäischen OECD-Ländern die (männlichen) Nachfahren von Migranten
am stärksten diskriminiert: Rund ein Viertel dieser Personengruppe hält sich selbst für benachteiligt.
Unter den Zuwanderern der ersten Generation sind es dagegen nur 15 Prozent. Laut Bericht ist das Ausmaß der
Diskriminierung höher als gemeinhin angenommen. In vielen Ländern müssen Personen, bei denen nur
der Name auf einen Zuwanderungshintergrund hinweist, mehr als zweimal so viele Bewerbungen schreiben wie Personen
ohne Migrationshintergrund mit sonst identischem Lebenslauf. Deshalb sei es wichtig, Vorurteilen den Kampf anzusagen
und eine ausgewogene, faktenbasierte Diskussion über Migrationsthemen zu führen.
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