21. Juni bis 13. Oktober 2013 im Unteren Belvedere
Wien (belvedere) - Erstmals widmet das Belvedere den vielfältigen Positionen des Symbolismus in Österreich
eine große Ausstellung. Als ersten Schritt einer längst überfälligen Aufarbeitung der höchst
bedeutenden, bislang fast ausschließlich in Teilaspekten thematisierten Richtung der österreichischen
Kunst um 1900 bietet die Schau einen Überblick über die Entwicklung der symbolistischen Kunstauffassung
in Österreich und Mitteleuropa. Mit einer vielfältigen Zusammenstellung künstlerischer Standpunkte
zu verschiedenen Themen veranschaulicht Dekadenz - Positionen des österreichischen Symbolismus die große
Bandbreite an Stilen und persönlichen Ausdrucksmöglichkeiten. Eine künstlerische Intervention des
kanadischen Komponisten und Installationskünstlers Robin Minard erweitert das visuelle um ein akustisches
Ausstellungserlebnis, wodurch die Schau dem interdisziplinären Anspruch der Kunstströmung gerecht wird.
Symbolismus als Ausgangspunkt für die Moderne
"Obwohl er die Basis für relevante Strömungen des 20. Jahrhunderts bildete, etwa für den magischen
oder den fantastischen Realismus der Zwischen- bzw. Nachkriegszeit, hatte der Symbolismus einen schweren Stand
in der Kunstwelt - das Fantastische, Überbordende galt als unmodern, irrational und dekadent. Tatsächlich
spielte die lange wenig beachtete Kunstrichtung aber besonders in Österreich eine zentrale Rolle für
die Entwicklung der Moderne - sie bildete sich bereits in den 1870er-Jahren aus dem Geist der Décadence
heraus, die eine abgründige Ästhetik des Verfalls, des Mystischen und Rätselhaften für sich
entdeckte", erläutert Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere. Egon Schiele und Oskar Kokoschka
schöpften die Grundlagen ihrer expressionistischen Arbeiten aus dem Symbolismus, die Werke Gustav Klimts oder
Koloman Mosers basieren auf symbolistischem Gedankengut, und selbst für die Entwicklung der abstrakten Malerei
war die Strömung äußerst bedeutsam, wie etwa im Falle von Frantisek Kupka deutlich wird.
Auf der Suche nach einer Ausdrucksform für Sinnlichkeit, Magie und tiefe Bedeutsamkeit
Als Ausweg aus dem Pomp des Historismus und der Oberflächlichkeit des Naturalismus war die damalige junge
Künstlergeneration auf der Suche nach einer Ausdrucksform, die Sinnlichkeit, Magie und tiefe Bedeutsamkeit
verkörperte. Sie spürte den Rätseln von Mythologie und Mystik nach und schuf ihre eigenen modernen
Mythen. Anstelle der historistischen Repräsentationsmalerei trat der subjektive Blick auf seelische Vorgänge
in den Mittelpunkt, was sich in einer suggestiven Farb- und Formensprache äußerte. Die Abwendung von
der Realität führte manche Künstler zur Idylle, andere zu kosmischen Visionen. Kunstschaffende wie
Max Klinger, Franz von Stuck, Fernand Khnopff und Jan Toorop vermittelten diese Ästhetik insbesondere über
die Wiener Secession in Österreich und Mitteleuropa. "Dekadenz - Positionen des österreichischen
Symbolismus veranschaulicht, wie die Kunstauffassung der Décadence im Kontext des Fin de Siècle zur
Auflösung der traditionellen ästhetischen Normen zugunsten eines freien, kreativen Experimentierens mit
den Möglichkeiten der bildlichen Darstellung führte. Da der Symbolismus einerseits verschiedenste Stilrichtungen
umfasste, sich andererseits auch auf Literatur, Poesie und Musik erstreckte, gilt er nicht als Stil, sondern vielmehr
als Geisteshaltung", erklärt Alfred Weidinger, Vizedirektor des Belvedere und Kurator der Ausstellung.
Dieser interdisziplinäre Charakter fand in der Entwicklung des secessionistischen Gesamtkunstwerks einen Höhepunkt
und wird durch die akustische Intervention des kanadischen Komponisten und Installationskünstlers Robin Minard,
der mithilfe von mehr als 2000 Lautsprechern ein grafisches Ornament aus den Ausstellungen der Secession aufgreift
und sich dabei von symbolistischer Musik, Literatur und Lyrik inspirieren lässt, in die Schau integriert.
Symbolistische Bildwelten zwischen Vision und Suggestion: das Gesamtkunstwerk
In die Themen Von der Allegorie zum Symbol, Gesichter - Körper - Landschaften, Fin de Siècle und
Goldenes Zeitalter, Die Frau als Symbol, Zwischen Unterwelt und Weltall sowie Richard Wagner und die Symbolisten
gegliedert, zeigt die Schau u. a. Werke von Gustav Klimt, Egon Schiele, Giovanni Segantini, Gustave Moreau, Max
Klinger, Arnold Böcklin, Jan Toorop, Fernand Khnopff, Alfred Kubin, Franz von Stuck, Luigi Bonazza, Wilhelm
Bernatzik, Wilhelm List, Maximilian Lenz, Erich Mallina, Rudolf Jettmar, Eduard Veith, Frantisek Kupka, Maximilian
Pirner, Karl Mediz, Arnold Clementschitsch, Koloman Moser, Wenzel Hablik, Ernst Stöhr und Oskar Kokoschka.
Das Thema Von der Allegorie zum Symbol veranschaulicht, wie das symbolistische Bild im Gegensatz zur klassischen
Allegorie - deren Verständnis auf Konvention beruht und gedanklich erschlossen werden kann - auf die suggestive
Wirkung abzielt und die sinnliche Erfahrung über die rationale Erkenntnis stellt, indem der Banalität
der realen Welt Mythos und Mystik gegenübergestellt werden. Gesichter - Körper - Landschaften thematisiert
die Beschäftigung der Künstler mit ihrer subjektiven Sicht auf die Welt. Durch die Abwendung von der
naturalistischen Darstellung können künstlerische Gestaltungsmittel als Ausdrucksträger eingesetzt
werden, und so wird die Behandlung etwa des Gesichts im Porträt, des Körpers im Akt oder der Natur im
Landschaftsbild zur Suche nach Erkenntnis. Fin de Siècle und Goldenes Zeitalter fokussiert auf die symbolistische
Fortsetzung der melancholischen romantischen Stimmungslandschaft. Das Gefühl der Überkultivierung wird
von vielen Künstlern als Bürde empfunden - sie sehnen sich nach einem einfachen Leben und spüren
dem Verhältnis zwischen dem Menschen und seiner Umwelt nach. Der Bereich Die Frau als Symbol stellt dar, wie
der zentralen Rolle der Frau als allegorische Figur im Symbolismus eine neue Bedeutung zukommt. Traditionell mit
Sinnlichkeit und Rätselhaftigkeit assoziiert, bietet die Frau die ideale Projektionsfigur - ihre Rollenbilder,
zwischen Heiliger und Hure, zwischen Femme fragile und Femme fatale, werden in allen Facetten ausformuliert und
um neue Aspekte bereichert. Die Sektion Zwischen Unterwelt und Weltall zeigt auf, wie der Tod als Übergang
vom irdischen zum ewigen Leben geradezu als Metapher für die Ziele der Symbolisten gelten kann: von der Banalität
des alltäglichen Lebens hin zu den Rätseln des Jenseits, zu Himmel und Hölle, Unterwelt und kosmischen
Welten jenseits von Zeit und Raum. Richard Wagner und die Symbolisten schließlich verdeutlicht, wie Wagners
Vision des Gesamtkunstwerks und sein Opus magnum, der 1876 uraufgeführte Opernzyklus Ring des Nibelungen,
ein unerschöpfliches Repertoire an inspirierenden Motiven und die Möglichkeit des Abtauchens in eine
romantische, bislang nur in Musik und Literatur verbreitete Unterwasserwelt bot und dadurch die wohl wertvollsten
Beiträge des österreichischen Symbolismus ermöglichte.
|