Skeptische Stimmen im EU-Unterausschuss
Wien (pk) - Die EU plant, ihr Grenzkontrollsystem zu erneuern. Ziel ist es einerseits, illegale Migration
einzudämmen, andererseits aber den Grenzübertritt für Menschen mit niedrigem Risikoprofil zu erleichtern.
Dem EU-Unterausschuss lagen dazu drei Dokumente zur Diskussion vor. Das Gesamtprojekt läuft unter dem Titel
"Smart Borders Initiative".
Zum einen will die EU mit der automatischen Registrierung von Datum und Ort der Ein- und Ausreise in einem Entry-/Exit-System
(EES) dem Problem entgegenwirken, dass Drittstaatsangehörige oftmals legal in die Union einreisen, nach Ablauf
der erlaubten Aufenthaltsdauer aber bleiben und untertauchen. Durch das neue zentrale elektronische System sollen
zunächst alphanumerische und später biometrische Daten gespeichert werden. Sie erfassen Zeitpunkt und
Ort der Ein- und Ausreise der betreffenden Personen. Wie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner unterstrich, wird
die elektronische Registrierung anstelle des heutigen manuellen Verfahrens (Stempel im Reisepass) die zulässige
Dauer eines Kurzaufenthalts automatisch berechnen und einen Warnhinweis an die nationalen Behörden generieren,
wenn bis zum Ablauf der zulässigen Aufenthaltsdauer keine Ausreise erfolgt ist. Durch die Erfassung biometrischer
Daten sei es auch möglich, die innerstaatliche Identifizierung von Personen vorzunehmen, die ihre Reisedokumente
verloren haben, erläuterte sie gegenüber Abgeordnetem Johannes Schmuckenschlager (V).
Zum anderen soll für Reisende mit niedrigem Risikoprofil, die sich im Registered Travellers Programme (RTP)
registrieren lassen, der Grenzübertritt erleichtert werden. Dies wird in erster Linie Geschäftsreisende,
Zeitarbeitskräfte, WissenschaftlerInnen, Studierende sowie Drittstaatsangehörige mit enger Verwandtschaftsbeziehung
zu EU-BürgerInnen oder einem Wohnsitz in den EU-Nachbarregionen betreffen. Die Teilnahme am System ist freiwillig,
erläuterte Mikl-Leitner. Für die auf diese Weise vorab kontrollierten und auf ihre Hintergründe
überprüften Reisenden sind etwa automatische Kontrollgates auf Flughäfen, die unter Verwendung eines
elektronischen Reisepasses auch von EU-Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden könnten, angedacht.
Das EES und das RTP sollen sowohl für visumpflichtige als auch für nicht-visumpflichtige Drittstaatsangehörige
gelten. Um die Neuerungen umsetzen zu können, bedarf es auch entsprechender Anpassungen an den Schengener
Grenzkodex. Eine Umsetzung des Pakets erwartet die Innenministerin nicht vor 2020.
Laut Mikl-Leitner werden die Ziele von EES und RTP grundsätzlich unterstützt. Gleichzeitig hat ihr Ressort
insofern Bedenken gegenüber den Plänen geäußert, als man den Mehrwert hinsichtlich des hohen
Kostenaufwands von 1,1 Mrd. € in Zweifel zieht. RTP, das nur eine kleine Personengruppe betrifft, würde nach
Ansicht des Ministeriums einen erheblichen Verwaltungsmehraufwand für die Mitgliedstaaten bedeuten. Bei EES
hält man es für ratsam, vorab eine Interoperabilität der Systeme zu prüfen, vor allem mit SIS
(Schengener Informationssystem).
Derzeit werden die Vorschläge aber noch im Detail geprüft, wie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ausführte.
Für sie müssen drei wesentliche Aspekte bei einem derartigen Investment sicher gestellt sein: Das technische
System müsse gut funktionieren und leicht handhabbar sein, weiters sei der Datenschutz zu gewährleisten
und überdies müsse ein operativer Mehrwert für die Behörden und die Sicherheit gegeben sein.
Die Ministerin bekräftigte, dass sie den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf die Daten für
sinnvoll erachtet.
Ein weiterer Schritt in Richtung Überwachungsstaat?
Seitens der Abgeordneten kamen jedoch eher kritische Töne zu dem Vorhaben der EU. So fragte etwa Abgeordneter
Otto Pendl (S), ob das Ganze überhaupt etwas bringe. Er konnte keinen Sinn darin erkennen, glaubte auch nicht,
dass die Regelung zu mehr Effizienz führen würde. Sein Klubkollege Hannes Weninger (S) schloss sich dieser
Kritik an und warnte davor, in Europa eine ähnliche Situation bei der Einreise zu schaffen wie in den USA.
Das sei ein kulturelles Verständnis, das nicht zu Europa passe, sagte er. Abgeordneter Johannes Hübner
(F) meinte wiederum, es sei mindestens genauso wichtig sicherzustellen, dass illegale MigrantInnen wieder ausgewiesen
werden können, denn das sei derzeit nicht der Fall.
Auch Abgeordneter Albert Steinhauser (G) sah keine Notwendigkeit für das geplante System und vermisste auch
die entsprechende Verhältnismäßigkeit. Die Pläne stellen für ihn einen weiteren Puzzlestein
zu einem Überwachungsstaat dar, der ihn an frühere Grenzkontrollen bei der Einreise in ehemalige Ostblockstaaten
erinnert. Schon bei der Speicherung von Fluggastdaten sei man zu weit gegangen, jetzt sollten zusätzlich biometrische
Daten gespeichert werden, was für Steinhauser inakzeptabel ist. Bei diesen Fragen geht es weniger um finanzielle
Aspekte, sondern vielmehr um bürgerrechtliche Fragen, so der grüne Abgeordnete, der sich auch dezidiert
dagegen aussprach, die Daten an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten.
Für grundsätzlich richtig empfand jedoch Abgeordneter Stefan Petzner (B) das Programm.
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