Wien (rk) - Das Fachdidaktikzentrum für Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung (FDZ) der Universität
Wien und das Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA) arbeiten in Rahmen der Ausbildung von angehenden Lehrern und
Lehrerinnen nun bereits das dritte Semester zusammen. 39 Studierende des Lehramtes Geschichte forschen aktuell
an Originalquellen des WStLA zum Themenbereich "Vermögensentzug, Repression und Rassenpolitik im Nationalsozialismus".
Unter fachwissenschaflticher Beratung seitens des WStLA erarbeiten die Studierenden im ersten Schritt konkrete
Falldarstellungen zur Wiener Geschichte und setzen diese in den relevanten historischen Kontext. Anschließend
entwickeln sie auf Basis ihrer im Archiv gewonnenen Erkenntnisse Konzepte für Unterrichtsstunden. Betreut
von erfahrenen Lehrerinnen und Lehrern erproben die Studierenden diese Konzepte in Wiener Schulklassen und unterziehen
diese anschließend einer gemeinsamen Evaluierung.
Dieses Wiener Modell der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung im Archiv hat inzwischen auch internationale Anerkennung
gefunden. Im Rahmen des vom EU-Kommissariat für Bildung und Kultur finanzierten Projekts SMILE-Vet, bei dem
es um eine forcierte Involvierung von Kulturinstitutionen sowohl in die Ausbildung von EU-Bürgern und -Bürgerinnen
als auch in deren gesellschaftliche Integration geht, wurde dieses Modell der Zusammenarbeit zu einem Best-Practise-Beispiel
gekürt. Vergangenen Herbst stellte Stefan Spevak, Archivpädagoge am Wiener Stadt- und Landesarchiv, dieses
Modell in Randers/Dänemark einem Publikum aus acht verschiedenen europäischen Ländern vor.
Der Fokus dieser geschichtsdidaktischen Lehrveranstaltung, deren Leiter Univ.-Prof. Alois Ecker ist, liegt auf
der Prozess- und der Kompetenzorientierung. Die Prozessorientierte Geschichtsdidaktik setzt bei den im multikulturellen
Klassenraum vorhandenen, diversifizierten historischen Kenntnissen an und zielt auf eine Stärkung des Geschichtsbewusstseins
der konkreten Lerngruppe nach multiperspektivischen Gesichtspunkten. Die seit 2008 in den österreichischen
Lehrplänen verankerte Kompetenzorientierung soll Schülerinnen und Schüler befähigen, das erarbeitete
historische Methoden- und Sachwissen anzuwenden. Dazu gehört auch, etwa bei der Reifeprüfung, eine Quelle
sinnvoll in einen historischen Kontext einzuordnen. Auf angehende Lehrende kommen damit Herausforderungen zu, auf
die sie gut vorbereitet werden müssen. Gemeinsam versuchen das FDZ und das WStLA mit ihrer jeweiligen Expertise
in Geschichtsdidaktik und Quellenforschung einen Beitrag zu dieser Vorbereitung zu leisten.
Bisher haben 92 Studierende an dieser Lehrveranstaltung teilgenommen, ca. 500 Schülerinnen und Schüler
in Wien und Niederösterreich wurden anhand von aufbereiteten Quellen des WStLAs unterrichtet. Dem WStLA geht
es in seinem Engagement für dieses Projekt darum, die bei jungen Menschen bestehende Hemmschwelle gegenüber
der Nutzung eines Archivs abzubauen. Studierende, Schülerinnen und Schüler sollen den Wert von archivischen
Quellen als Korrektiv für grassierende Geschichtsmythen, aber auch ganz grundsätzlich für das Generieren
von Wissen erkennen.
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