Debatte über Haftbedingungen für Jugendliche
Wien (pk) – Ein umfassendes Justizpaket am 05.07. hat der zuständige Ausschuss noch dem Nationalratsplenum
zugeleitet. Die Themenpalette reichte vom "Mafiaparagrafen" über die Stiefkindadoption, verpflichtende
Dolmetscherleistungen im Strafverfahren, Korruption bis hin zum Schutz von Erwachsenen, die ihre Interessen nicht
selbst vertreten können, sowie zum Urheberrechtsschutz und internationalen Abkommen.
Strafprozessreform: Abgeordnete wollen noch nachjustieren
Zunächst lag den Abgeordneten der Bericht über die Evaluierung der Rechtspraxis des Ermittlungsverfahrens
nach der Strafprozessreform vor. Dieser kam zu dem Schluss, dass noch ein gewisser Präzisierungs- und Nachschärfungsbedarf
besteht – dies etwa beim Begriff des Beschuldigten oder hinsichtlich einer Verstärkung der gerichtlichen Kontrolle
gegenüber unangemessener Verfahrensdauer. Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. Dazu nahmen
die Abgeordneten mehrheitlich eine Entschließung an, der Eckpunkte für weiter Reformschritte skizziert.
Übersetzungshilfe für Beschuldigte: EU-Richtlinie wird umgesetzt
Des Weiteren setzt ein einstimmig beschlossenes Strafprozessänderungsgesetz Richtlinien der EU betreffend
Dolmetsch und Rechtsbelehrung um und stellt damit klar, dass Beschuldigten, die die Sprache des betreffenden Verfahrens
nicht sprechen oder verstehen, ohne Verzögerung Dolmetscherleistungen während des Strafverfahrens zur
Verfügung gestellt werden müssen. Die Novelle ist darüber hinaus auch Anlass für Änderungen,
die auf die Schaffung eines einheitlichen Rechtsschutzes im Rahmen des Ermittlungsverfahrens abzielen. Demnach
sind nun sämtliche Eingriffe der Kriminalpolizei in subjektive Rechte einer Kontrolle der ordentlichen Gerichtsbarkeit
zu unterziehen.
Internationale Zusammenarbeit beim Kampf gegen Korruption
Einstimmig genehmigten die Abgeordneten sodann ein Strafrechtsübereinkommen samt Zusatzprotokoll , das
gemeinsame Standards bei der Korruptionsbekämpfung schafft und die internationale Zusammenarbeit auf diesem
Gebiet verbessert.
Die Debatte über diese Materien wurde unter einem geführt.
Kein Zurück bei Strafprozessreform – Nachjustierungen notwendig
Die Strafprozessreform 2008 habe wichtige Änderungen gebracht, erinnerte Abgeordneter Franz GLASER (V) als
erster Redner. Auf Kritik habe das Justizministerium mit einer Evaluierung reagiert. Diese habe eindeutig ergeben,
dass es kein Zurück zum alten System der UntersuchungsrichterInnen geben könne. Nach gewissen Anlaufschwierigkeiten
funktioniere das neue System sehr gut. Mit einem Entschließungsantrag zur Evaluierung formuliere man jetzt
jene Änderungen, die zu weiteren Verbesserungen führen sollen.
Abgeordneter Johannes JAROLIM (S) schloss sich den Ausführungen seines Vorredners an. Das System funktioniere,
allerdings habe sich gezeigt, dass im Zusammenspiel von Polizei und Justiz noch Kommunikationsschwierigkeiten bestehen.
Die Staatsanwaltschaft könne dadurch die Ermittlungen nicht so leiten, wie es sein solle. Auch die Beiziehung
eines Anwalts in der ersten Einvernahme erfolge nur in den wenigsten Fällen, man müsse daran arbeiten,
dass Beschuldigte ausreichenden Rechtsschutz erhalten.
Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) kündigte ebenfalls die Zustimmung seiner Fraktion zu allen in Verhandlung
stehenden Punkten an, wies aber darauf hin, dass seit der Reform eine Verschlechterung des Rechtsschutzes im Vorverfahren
festzustellen sei. Hier gebe es eindeutig noch Schwachstellen, die man im Auge behalten müsse, meinte er.
Kritik am Jugendstrafvollzug und an Ministerin Karl
Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) widmete sich kurz der Evaluierung der Strafprozessreform. Ihre Architektur
passe an sich, Kleinigkeiten gelte es nachzubessern. Er wolle seine Redezeit nützen, um aus Anlass der Vergewaltigung
eines Jugendlichen in der Justizanstalt Josefstadt den Zustand des Jugendstrafvollzugs und die Pannen der Justizministerin
nach Bekanntwerden des Falls zu thematisieren. Sie habe sich als schlecht informiert erwiesen und zuletzt öffentlich
die Unschuldsvermutung außer Kraft gesetzt.
Österreich habe im internationalen Vergleich eine relativ hohe Haftquote, zusätzlich gebe es einen hohen
Spardruck, was zu unhaltbaren Zuständen im Strafvollzug führen. Gewalttaten von Insassen untereinander
seien keineswegs Einzelfälle. Die sexuellen Übergriffe, die überhaupt bekannt werden, seien nur
die Spitze des Eisbergs. Die Beschäftigungsquote im Gefängnis sei viel zu gering, die gesetzlich vorgeschriebene
Trennung der Haftgruppen in vielen Gefängnissen nicht möglich. Der Strafvollzug brauche dringend Reformen,
so die Schlussfolgerung Steinhausers.
Auch Abgeordneter Gerald GROSZ (B) kündigte die generelle Zustimmung zu den Tagesordnungspunkten an und widmete
sich allgemein der Justizpolitik. Die Amtsführung der Ministerin sei nicht geeignet, das Vertrauen in die
Justiz zu stärken meinte er. Beispiele für Missstände seien die Sachwalterschaft, steigende Gerichtsgebühren
oder auch das Ungleichgewicht im Strafmaß zwischen Vermögensdelikten und Vergehen gegen Leib und Leben.
Die Justiz unter Justizministerin Karl verschleppe Verfahren, wenn sie Mitglieder der Regierungsparteien betreffen,
oder lasse sie einstellen, warf Grosz der Ministerin vor. Es gehe nicht an, dass Häftlinge, auch wenn diese
zu Recht inhaftiert seien, in der Haft ihrer Menschenrechte beraubt werden. Auch sie müssten vor gewaltsamen
Übergriffen geschützt werden.
Team-Stronach-Abgeordneter Christoph HAGEN (T) kündigte an, dass seine Fraktion der Behebung von Mängeln
in der Strafprozessordnung selbstverständlich zustimmen werde. Hagen merkte grundsätzlich an, ein Mangel
der Reform sei, dass man der Polizei mehr an Arbeit im Vorverfahren zugeteilt, das Personal aber nicht entsprechend
aufgestockt habe. Das führe dazu, dass PolizistInnen ihre Zeit hauptsächlich am Schreibtisch und nicht
im Außendienst verbringen.
Karl: Task Force soll Alternativen zu U-Haft für Jugendliche ausarbeiten
Bundesministerin Beatrix KARL zeigte sich erfreut, dass es gelungen sei, noch zu Ende der Legislaturperiode wichtige
justizpolitische Vorhaben zu Ende zu bringen. Es sei wichtig, diese Themen aus tagespolitischem Hick-Hack herauszuhalten,
meinte sei, grundsätzlich befinde sich die österreichische Justiz auf hohem Niveau und rechtfertige das
in sie gesetzte Vertrauen.
Die Strafprozessreform habe die Staatsanwaltschaft in den Mittelpunkt gerückt. Die Bewertung der Reform durch
Experten ergebe eine einhellige Zustimmung zu ihren Zielsetzungen. Ohne Zweifel sei es jedoch wichtig, die Reform
weiterzuentwickeln. Das geschehe, indem man im Ermittlungsverfahren den Rechtsschutz ausdehne.
Zum erwähnten Fall in der Justizanstalt Josefstadt betonte die Ministerin, sie bedauere zutiefst, was geschehen
sei, derartiges dürfe einfach nicht geschehen. Es gelte nun, das Opfer bestmöglich zu unterstützen.
Sie wolle festhalten, dass man sofort nach der Anzeige des Opfers reagiert habe. Der Jugendliche habe psychologische
Betreuung erhalten und wurde rasch in einer betreuten Wohngemeinschaft untergebracht. Die Frage des Schadenersatzes
werde rasch und unbürokratisch geregelt, versprach Karl.
Zum Strafvollzug und insbesondere dem Jugendstrafvollzug wolle sie betonen, dass die MitarbeiterInnen großartige
Arbeit leisteten. Zweifellos müsse man laufend an Verbesserungen arbeiten. Sie habe bereits am 25. Juni Maßnahmen
ergriffen. So dürfe es in Jugendabteilungen von Strafvollzuganstalten nur mehr eine Zweierbelegung in Zellen
geben, es müsse für eine Beschäftigungsmöglichkeit und die Möglichkeit von Schulabschluss
oder Lehre gesorgt werden, damit Jugendliche eine Chance auf Resozialisierung haben. Die Jugendgerichthilfe werde
freie Kapazitäten verstärkt im Justizstrafvollzug einbringen, kündigte Karl an. Ihr Ressort habe
eine Task Force eingerichtet, um über Alternativen zu U-Haft für Jugendliche nachzudenken. Das Vertrauen
in die Justiz sei im Übrigen in den letzten Jahren deutlich gestiegen, hielt die Ministerin Abgeordnetem Grosz
entgegen.
Jugendstrafvollzug muss Thema in nächster GP werden
SPÖ-Abgeordneter Hannes FAZEKAS meinte, man dürfe nach dem genannten Fall nicht einfach zur Tagesordnung
übergehen. JustizwachebeamtInnen arbeiteten unter schwierigen Bedingungen und wollten solche Vorfälle
vermeiden. Er bezweifle in Kenntnis der Situation aber, ob die Platzsituation in den Justizanstalten es erlaube,
Verbesserungen in der Belegung der Zellen zu erreichen. Fazekas erinnerte, dass die Auflassung des Jugendgerichts
kritisch beurteilt wurde, es zeigten sich nun tatsächlich Probleme. Der Abgeordnete forderte auch ein verstärktes
Nachdenken über sinnvolle Resozialisierungsmaßnahmen.
Auch Abgeordneter Otto PENDL (S) äußerte Zustimmung zu den Ergebnissen aus der Evaluierung der Strafprozessreform.
Aus der Praxis wisse er, dass es seit der Eröffnung der Justizanstalt Josefstadt das Problems der Überbelegung
gebe. Eine zentrale Frage im Vollzug sei die Trennung der Jugendlichen von den Erwachsenen, die nicht immer funktioniere.
Die Justiz leiste sicherlich Hervorragendes, man dürfe aber ihre Probleme nicht ignorieren. Er bitte daher
die Justizministerin, die Frage des Jugendstrafvollzugs ernst zu nehmen, das Thema sei in der nächsten Gesetzgebungsperiode
ernsthaft anzugehen, meinte Pendl, idealerweise sollte man eine räumliche Lösung finden.
Abgeordneter Christian LAUSCH (F) stimmte seinem Vorredner zu. Das bekannte Problem der Josefstadt sei die dünne
Personaldecke. Es gebe sicherlich einzelne fragwürdige Zustände, auch wenn er nicht bestätigen könne,
dass alles so dramatisch sei, wie Abgeordneter Steinhauser es darstelle. Das Department Jugend in der Justizanstalt
verfüge leider über kein eigenes Budget und werde sehr billig geführt. Daran trage zwar die derzeitige
Justizministerin nicht die Schuld, denn auch das alte Jugendgericht sei nicht problemlos gewesen. Letztlich wäre
aber eine eigene Einrichtung für den Jugendstrafvollzug nötig, um Vorfälle möglichst zu vermeiden.
Stiefkindadoption wird für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet
Die Stiefkindadoption wird in Zukunft auch für gleichgeschlechtliche Paare möglich sein. Das entsprechende
Adoptionsrechts-Änderungsgesetz, wurde mehrheitlich angenommen. Nicht durchsetzen konnten sich die Grünen,
die in zwei Anträgen ( 2217/A bzw. 1521/A(E)) ein generelles Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche
Paare einforderten.
Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) sah keinen Anlass, dass der Nationalrat nur auf Zuruf des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte die Stiefkindadoption in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ermöglicht,
obwohl die Menschen in diesem Land diese Entscheidung für inhaltlich falsch halten und überdies verfassungsrechtliche
Bedenken bestehen.
Abgeordnete Karin HAKL (V) zeigte Verständnis für den Kinderwunsch Homosexueller, meinte aber, das Kindeswohl
müsse im Mittelpunkt stehen. Daher sei es nicht Ausdruck der Diskriminierung, wenn man die Adoption von Kindern
durch Homosexuelle nicht forciere, solange es Paare gibt, wo bessere Bedingungen bestehen. Kinder brauchen Männer
und Frauen in der Erziehung, hielt Karin Hakl fest.
Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) sah die ÖVP auf einem gesellschaftspolitischen Rückzug und bedauerte,
dass es die Fremdkindadoption durch Homosexuelle auch in Zukunft nicht geben werde, wofür die ÖVP eine
Erklärung allerdings schuldig bleibe. Denn dem Kindeswohl stehe nicht entgegen, was die Eltern im Schlafzimmer
tun, wichtig für das Kindeswohl sei die Geborgenheit, die Eltern ihren Kindern geben und dieses Kriterium
sei ohnehin in jedem Einzelfall zu prüfen. Das heutige Gesetz sei ein zwar kleiner, aber richtiger Schritt,
dem die Grünen zustimmen.
Abgeordnete Sonja STESSL-MÜHLBACHER (S) zeigte sich enttäuscht, dass es nach wie vor zur offenen Diskriminierung
Homosexueller komme. Retro sei bei der ÖVP in, formulierte die Rednerin und hielt eine solche Gesetzgebung
Österreichs für nicht würdig. Die Rednerin wandte sich gegen die offene Diskriminierung homosexueller
Paare und hoffte auf höchstgerichtliche Entscheidungen, damit diskriminierende Bestimmungen aufgehoben werden.
Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) erinnerte als Familienpolitikerin an das Recht der Kinder auf Liebe und Zuneigung
der Eltern sowie auf Mutter und Vater. Erwachsene haben das Recht, zu leben, mit wem sie wollten, es gebe aber
kein Recht auf ein Kind, weder für heterosexuelle noch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Kinder
dürfen nicht zum Spielball persönlicher Befindlichkeiten werden, sie brauchen konstante männliche
und weibliche Bezugspersonen. Daher lehne das BZÖ die Regierungsvorlage ab.
Abgeordneter Christoph HAGEN (T) betrachtete das Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare als ein heikles Thema,
weil das Familienbild mit Vater und Mutter "von der Natur so vorgesehen" sei und auch bei der Stiefkindadoption
das Kindeswohl im Vordergrund stehen sollte. Das Team Stronach stimme der Regierungsvorlage zu, lehne aber die
Fremdkindadoption ab.
Karl: Wahrung des Kindeswohls steht im Vordergrund
Justizministerin Beatrix KARL erinnerte an die Verurteilung Österreichs durch den Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte, weil ein homosexueller Partner keine Möglichkeit hatte, das Kind des Partners zu
adoptieren. Da die Menschenrechtskonvention im Verfassungsrang stehe, müsse Österreich das Adoptionsrecht
anpassen und die Adoption des leiblichen Kindes des gleichgeschlechtlichen Partners ermöglichen. Wie in jedem
Adoptionsfall müsse in solchen Fällen die Wahrung des Kindeswohls geprüft werden. Die Fremdkindadoption
bleibe weiterhin Ehegatten vorbehalten, erklärte die Ministerin.
Grosz stimmt gegen eigene Parteilinie
Abgeordneter Gerald GROSZ (B) vertrat eine andere Meinung als seine Fraktion und wies es zurück, Menschen
in ihrer freien persönlichen Entscheidung von Seiten der Politik zu bevormunden. Realität sei, dass sich
die gesellschaftliche Realität vom klassischen Modell Vater-Mutter-Kind wegentwickle: Alleinerziehende, Patchwork-Familien
und gleichgeschlechtliche Paare stellen, wo Liebe und Respekt zwischen Menschen besteht, Familien dar. Das sollte
der Gesetzgeber anerkennen. Daher stimme er den grünen Anträgen auf gänzliche Öffnung zu, lehne
die Regierungsvorlage aber ab, weil sie ihm zu wenig weit gehe. Auch Homosexuelle Menschen sind liebevolle Menschen,
die es verdienen Kindern liebevoll großzuziehen.
Abgeordneter Bernd SCHÖNEGGER (V) führte aus, dass die ÖVP das Erkenntnis des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte unaufgeregt umsetze, wobei aber klar sei, dass das Kindeswohl weiterhin im
Mittelpunkt stehen wird. Ansonsten lasse sich die ÖVP nicht vorschreiben, welchen Idealen sie folge, in der
Familienpolitik sei das eine Familie aus Vater, Mutter und Kind. Das bedeute nicht, dass nicht auch andere Konstellationen
als Familie funktionieren können.
"Mafia-Paragraph" wird repariert
Nach jahrelanger öffentlicher Diskussion im Zuge des so genannten Tierschützer-Prozesses, gelang doch
in letzter Minute, den so genannten "Mafia-Paragrafen" neu zu fassen. Der diesbezügliche Antrag
der Regierungsparteien, der mehrheitlich verabschiedet wurde, zielt auf eine Präzisierung des § 278a
StGB ab. Konkret soll durch Streichung der Wortfolge "oder erheblichen Einfluss auf Politik und Wirtschaft
anstrebt" der Tatbestand dieser Bestimmung auf den Kernbereich der organisierten Kriminalität, und zwar
auf jene Fälle, die auf Gewinnerzielung ausgereichtet sind, reduziert werden. Der Antrag der Grünen gilt
als miterledigt.
Abgeordneter Harald STEFAN (F) leitete die Debatte über den "Mafiaparagraphen" mit dem Hinweis auf
die eigenartige Anwendung dieser Bestimmung ein, die eine Änderung, einen Entfall des Kriteriums des erheblichen
Einflusses auf Politik und Wirtschaft notwendig mache. Dieser Ansicht schließe sich auch die FPÖ an.
Der Aufnahme der Terrorfinanzierung in das Strafgesetzbuch ohne ausreichende Diskussion und der dafür getroffenen
– seiner Meinung nach zu vagen - Formulierung stimme die FPÖ aber nicht zu.
Abgeordneter Peter Michael IKRATH (V) erklärte die Beschränkung des "Mafiaparagraphen" auf
seinen ursprünglich beabsichtigten Kern im Sinne der Empfehlung von Experten. Es sei gelungen, Bedenken zu
zerstreuen, dass durch diese Maßnahme die Verfolgung radikaler Tierschützer künftig nicht mehr
möglich wäre. Ein ÖVP-SPÖ-Abänderungsantrag gilt der Aufnahme der Terrorismusfinanzierung
in das Strafgesetzbuch, wobei man einer Empfehlung der FATF folge.
Abgeordneter Johannes JAROLIM (S) berichtete vom Bohren harter Bretter im Justizausschuss und von der intensiven
Überzeugungsarbeit. Man habe niemals einen "Mafiaparagrafen" schaffen wollen, der gegen Mitglieder
der Zivilgesellschaft angewendet wird, es sei immer um den Kampf gegen Schwerstkriminelle gegangen. Beim Thema
Kampf gegen die Tourismusfinanzierung gebühre dem Justizministerium Dank, das eine Formulierung gefunden hat,
die Auslegungsprobleme wie beim "Mafiaparagrafen" verhindern werde.
Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) zeigte sich froh, dass ein Paragraph reformiert wird, der gegen Menschen und
Waffenhändler konzipiert war, aber gegen Tierschützer angewendet wurde. Steinhausers Dank galt den Justizsprechern
der Koalitionsparteien, aber auch dem Bauernbund, der über seinen Schatten gesprungen ist, und der Justizministerin.
Kritik übte Steinhauser aber an schwammigen Formulierungen bei der Bestrafung der Terrorismusfinanzierung.
Hier befürchtete Steinhauser Missbrauchspotential, daher stimmen die Grünen diesem Teil der Gesetzesänderung
nicht zu.
Abgeordneter Gerald GROSZ (B) sprach von einer justizpolitischen Schande, die entstanden sei, weil ein wildgewordener
Staatsanwalt Sachbeschädigungen unter Einsatz des Mafiaparagraphen ahnden wollte.
Abgeordneter Christoph HAGEN (T) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion an. Seine ursprünglichen Bedenken
hinsichtlich Missbrauch des Mafiaparagraphen habe sich bestätigt.
Justizministerin Beatrix KARL gab ihrer Freude über den breiten Konsens in einer sensiblen Frage der Justizpolitik
Ausdruck und sah darin ein Beispiel dafür, dass es trotz politischer Gegensätzlichkeiten möglich
sei, sachliche Entscheidungen in der Justizpolitik gemeinsam zu treffen.
Abgeordneter Peter WITTMANN (S) hielt die Vorgangsweise bei der Aufnahme der Terrorismusfinanzierung in das Strafgesetzbuch
für bedenklich und wies es zurück, dass ein Beamter des Finanzresorts die Abgeordneten des Nationalrats
kritisiert hat. BeamtInnen hätten Abgeordnete nicht herabzuwürdigen und nicht das Recht, dilettantische
Vorschläge an den Justizausschuss zu richten.
Bei der Abstimmung wurde die Änderung des Strafgesetzbuches nach Annahme eines SPÖ-ÖVP-Abänderungsantrages
und differenzierter Abstimmung in Zweiter Lesung, in Dritter Lesung mehrheitlich angenommen.
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Konsens über Erwachsenenschutz, Kampf gegen häusliche Gewalt, Rechtsanwalts GesmbH & CO KG
In weiterer Folge nahmen die Abgeordneten einstimmig ein Erwachsenenschutz-Gesetz und das damit im Zusammenhang
stehende Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen an. Ziel der Bestimmungen
ist vor allem die Anerkennung und Vollstreckung von Maßnahmen zum Schutz von Personen, die aufgrund einer
Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit ihrer persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage
sind, ihre Interessen wahrzunehmen. Hauptanwendungsgebiet ist dabei der Bereich der Sachwalterschaft.
Konsens bestand darüber hinaus auch über ein Übereinkommen des Europarats, das die Mitgliedstaaten
zu verstärkten Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt
aufruft.
Gleichfalls einstimmig verabschiedete der Nationalrat ein Berufsrechts-Änderungsgesetz, das die berufsrechtlichen
Voraussetzungen für die Gründung einer Rechtsanwalts GmbH & CO KG schafft und dadurch vor allem jungen
RechtsanwältInnen flexiblere Geschäftsbeteiligungsmodelle bietet.
Abgeordnete Karin HAKL (V) gab zu verstehen, dass aus ihrer Sicht die wichtigste der nun abzusegnenden Vorlagen
jene zum Einhalt häuslicher Gewalt gegen Frauen sei, für die nach umfassender Diskussion fraktionsübergreifend
Einigkeit erzielt wurde, wie sie betonte. Sie baue auf eine tiefgreifende parlamentarische Behandlung auch aller
zukünftigen Gesetzesvorlagen, sagte die ausscheidende Mandatarin zu ihrem Abschied, auch erhoffe sie mehr
weibliche Abgeordnete im Nationalrat der kommenden Jahre.
Äußerst notwendig seien mehr Frauen im Parlament, schon darin stimmte Abgeordnete Gisela WURM (S) mit
ihrer Vorrednerin überein. Ebenso wertete sie die Ratifizierung der internationalen Konvention für einen
Stopp von häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder als essentiell und sie umriss die Historie des Zustandekommens
dieser Konvention, mit der umfassende Standards gesetzt würden, wie sie versicherte.
Abgeordneter Harald STEFAN (F) fand, sinnvoll seien sowohl das ebenfalls in Verhandlung stehende Gesetz zum besseren
Schutz behinderter und besachwalteter Personen als auch die Konvention zum Kampf gegen häusliche Gewalt.
Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) skizzierte die beiden Bereiche Gewaltschutz und Sachwalterschaft, wobei er
bei letzterem Punkt immer noch gravierende Mängel, etwa das Fehlen ausreichender Sachwalter, feststellte.
Beim Schutz vor Gewalt in Österreich vermutete er eine zu laxe Praxis bei der Verhängung von Untersuchungshaft
in Fällen häuslicher Gewalt
Abgeordneter Gerald GROSZ (B) stimmte namens seiner Fraktion sämtlichen Vorlagen des Debattenteils zu
Gewalt in den eigenen vier Wänden sei leider nach wie vor Realität, konstatierte Abgeordnete Elisabeth
GROSSMANN (S) und sie appellierte, dass - wie in Österreich bereits gehandhabt - weltweit auf vermehrte Prävention
gesetzt werde. Dazu seien nicht zuletzt internationale Kooperationen bedeutend, fügte sie hinzu.
Urheberrechtsschutz für MusikerInnen wird auf 70 Jahre verlängert
Eine Urheberrechts-Novelle, die auf Grundlage eines Antrags der Regierungsparteien mehrheitlich beschlossen
wurde, verlängert die Dauer des Leistungsschutzrechts der Tonträgerhersteller und der ausübenden
KünstlerInnen, deren Darbietungen auf Tonträgern festgehalten sind, von bisher 50 auf nunmehr 70 Jahre.
Der "überzogenen" Urheberrechtsschutz-Ausdehnung für Tonträger stimme die FPÖ nicht
zu, machte Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) klar, denn die Bestimmungen darin seien "grotesk".
Zustimmung zur Novelle verdeutlichte hingegen Abgeordnete Eva-Maria HIMMERLBAUER (V) namens ihrer Fraktion, wenn
der Entwurf auch nicht der Weisheit letzter Schluss sei. Eine grundlegende Urheberrechtsreform sei hier nötig,
unterstrich sie.
Abgeordneter Wolfgang ZINGGL (G) äußerte Kritik an der Regierung, da sie im Bereich Urheberrecht nichts
geleistet habe. Immer noch gebe es mangelnde Rechtssicherheit vor Urheberrechtsverletzungen, zudem würden
Urheber oftmals um ihre Einnahmen geprellt, wie es in einer freien Mediennutzung mit der jetzigen Gesetzeslage
leider unvermeidlich sei. Die aktuelle Novelle zur Ausweitung der Schutzfristen sehe er als Kniefall vor der großen
Musikindustrie, prangerte der Grünen-Mandatar an.
Abgeordnete Karin GREINER (S) erklärte, mit der heutigen Novelle zum Urheberrechtsgesetz entspreche man einer
EU-Vorgabe, und deren Umsetzung sei verpflichtend. Doch die Erhöhung der Einnahmen für die Werkevertreiber
sei darin nicht zwingend vorgesehen, merkte sie an.
Abgeordneter Gerald GROSZ (B) äußerte Konsumentenschutzbedenken gegen die vorliegende Verlängerung
von Schutzrechten bei Tonträgern, daher lehne das BZÖ die Novelle ab.
Karl: Umfassende Urheberrechtsreform notwendig
Beatrix KARL betonte, die Schutzdauerrichtlinie sei auf EU-Ebene geändert worden, was nun in nationales Recht
zu überführen sei, auch wenn Österreich dabei nicht zugestimmt habe. Letztlich benötige die
Republik jedoch eine umfassende Urheberrechtsreform, um den rasanten Entwicklungen der neuen Kommunikationstechnologien
Rechnung zu tragen, verdeutlichte sie, auch wenn dieses Unterfangen durch die unterschiedlichen Interessenlagen
schwer sei. Eine breite Einbindung der Betroffenen erachtete Karl daher unumgänglich.
Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen wird verstärkt
Mehrheitlich angenommen wurde ein Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen innerhalb
der EU, durch das vor allem Rahmenbeschlüsse der Union betreffend die gegenseitige Anerkennung von Urteilen
und Bewährungsentscheidungen implementiert werden. Keine Mehrheit ergab sich hingegen für einen Antrag
der FPÖ, der den Abschluss entsprechender Staatsverträge fordert, um die Haftverbüßung von
in Österreich verurteilten AusländerInnen in ihren jeweiligen Heimatstaaten zu ermöglichen.
Abgeordnete Sonja STESSL-MÜHLBACHER (S) machte klar, zur Umsetzung von Rahmenbeschlüssen der EU werde
mit dem vorliegenden Entwurf die innerstaatliche Voraussetzung geschaffen.
Die Verweigerung einer Zustimmung zur Regierungsvorlage meldete dagegen Abgeordneter Christian LAUSCH (F) an, denn
die ohnehin schon überfüllten Gefängnisse Österreichs erhielten dadurch nur noch mehr Zugang
mit ausländischen Inhaftierten. Fremde sollten seiner Ansicht nach die Haft in ihrem Heimatland verbüßen,
wie im entsprechenden FPÖ-Antrag gefordert
Abgeordneter Gerald GROSZ (B) äußerte sich zustimmend sowohl zur behandelten Novelle als auch zum mitdiskutierten
FPÖ-Antrag auf Haftverbüßung von ausländischen StaatsbürgerInnen in ihrem Heimatland.
Als ausgezeichnete Idee bezeichnete schließlich Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) den Inhalt des Gesetzentwurfs,
da damit die Grundlage für eine EU-weite Anerkennung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen
gewährleistet werde.
Einheitliches EU-Patentgericht
Mehrheitlich genehmigte der Nationalrat sodann ein internationales Übereinkommen, durch das ein Einheitliches
Patentgericht mit Sitz in Paris und Nebenstellen in München und London eingerichtet wird. Die Union strebt
damit eine zentrale Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit mit qualitativ hochwertigen Entscheidungen in Patentsachen
an.
Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) teilte mit, die Grünen beurteilten das EU-Patentgericht kritisch, vor
allem störe sie, dass es nicht der Kontrolle des EuGH unterliege. Auch das EU-Patent sei in vielen Punkten
bedenklich, da es Patente auf Organismen nicht ausschließe.
Abgeordneter Franz GLASER (V) hielt fest, dass die Schaffung eines Patentgerichts die logische Konsequenz des europäischen
Patents und Europäischen Patentamts und damit ein richtiger Schritt sei. Die Schaffung einheitliche Patenregelungen
bringt aus seiner Sicht Vorteile für den Wirtschaftsstandort Europa.
Abgeordneter Gerald GROSZ (B) schloss sich der Kritik von Abgeordneter Lichtenecker an, das BZÖ werde ebenfalls
nicht zustimmen
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