Verwaltungsgerichtsbarkeitsanpassung Inneres, Zivildienstreform, Betretungsverbot, Verdienstzeichen,
Eindämmung von Schusswaffen
Wien (pk) - An der Spitze der zum Innenministerium ressortierenden Materien stand am 04.07. im Nationalratsplenum
die Novelle zum Staatsbürgerschaftsgesetz. Sie soll gut integrierten MigrantInnen einen rascheren Zugang zur
österreichische Staatsbürgerschaft ermöglichen.
Staatsbürgerschaft: Einbürgerung bereits nach sechs Jahren möglich
Mit der Novelle zum Staatsbürgerschaftsgesetz wird gut integrierten Fremden ein rascherer Zugang zur österreichischen
Staatsbürgerschaft eröffnet. So kann bei hervorragenden Deutschkenntnissen bzw. bei besonderem zivilgesellschaftlichem
Engagement eine Einbürgerung künftig bereits nach sechs Jahren erfolgen. Außerdem werden eheliche
und uneheliche Kinder im Staatsbürgerschaftsrecht gleichgestellt, die Einbürgerung von Adoptivkindern
erleichtert, die Bestimmungen über den nachzuweisenden gesicherten Lebensunterhalt adaptiert und verschiedene
Härtefallregelungen verankert. Die Novelle wurde mit Mehrheit beschlossen.
Mit in Verhandlung standen eine Reihe von Anträgen der Opposition, die alle abgelehnt wurden. So fordern die
Grünen in Anträgen ( 150/A und 786/A), österreichischen StaatsbürgerInnen, die zwischen 1938
und 1945 vor dem NS-Regime flüchten mussten und nach ihrer Flucht die Staatsbürgerschaft anderer Länder
angenommen haben, die österreichische Staatsbürgerschaft automatisch wieder zu verleihen. Auch deren
Hinterbliebene sollten einen erleichterten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft haben. Weitere
Forderungen der Grünen betrafen die Verankerung des Geburtslandprinzips im Staatsbürgerschaftsgesetz
und die Einzelfallprüfung bei unverschuldeter Notlage des Staatsbürgerschaftswerbers betreffend den Nachweis
des gesicherten Unterhalts. Ein weiter Entschließungsantrag sprach sich für eine gesetzliche Lösung
für Personen, die fälschlicher Weise im guten Glauben aufwuchsen, ÖsterreicherInnen zu sein, aus.
Ein Antrag zielte darauf ab, Menschen, die ihr ganzes Leben in Österreich verbracht haben und ohne eigenes
Verschulden staatenlos geworden sind, die österreichische Staatsbürgerschaft zu gewähren.
Die FPÖ trat dafür ein, Südtirolern und Südtirolerinnen mit österreichischen Vorfahren
den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch einfache Anzeige zu ermöglichen.
Abgeordneter Harald VILIMSKY (F) übte Kritik an der Vorlage und meldete schwere Bedenken gegen die raschere
und einfachere Einbürgerung an. Die Staatsbürgerschaft sei ein hohes Gut und dürfe nicht leichtfertig
an Personen mit Integrationsdefiziten vergeben werden, war für ihn klar. Vilimsky erinnerte dabei insbesondere
an die Demonstration von österreichisch-türkischen Erdogan-Anhängern in Wien, aber auch an die zahlreichen
islamistischen Kämpfer mit österreichischem Pass und meinte, Österreicher müsse man mit dem
Kopf und dem Herz sein und nicht nur dann, wenn es um das Sozialsystem geht. Wer mit Österreich nichts am
Hut hat, sollte nicht eingebürgert werden, war Vilimsky überzeugt, der der Regierung vorwarf, mit der
Novelle ein falsches Signal zu setzen.
Abgeordneter Günter KÖßL (V) sprach hingegen von einem wichtigen Schritt in Richtung Integration
und hob in diesem Zusammenhang die Anreize der Novelle – ausgezeichnete Deutschkenntnisse und ehrenamtliches Engagement
– für die raschere Einbürgerung hervor. Wichtig waren für Kößl auch die Erleichterungen
für Behinderte, für Stiefkinder von Österreichern sowie für Minderjährige. An Vilimsky
appellierte er, nicht Einzelfälle herauszugreifen, sondern das Gesamtbild zu sehen.
Abgeordnete Alev KORUN (G) lehnte die Novelle ab und knüpfte ihre Kritik vor allem an den vom Gesetz geforderten
ausreichenden Lebensunterhalt. Sie zog den Schluss, nicht Integration, sondern das Geld entscheide über die
Einbürgerung. Viele Menschen würden dadurch trotz einer Beschäftigung an der Einkommenshürde
scheitern, gab sie zu bedenken. Als willkürlich bezeichnete Korun auch das Erfordernis eines zehn Jahre langen
ununterbrochenen legalen Aufenthalts in Österreich. Ein einziger Tag ohne Aufenthaltstitel reiche schon, um
die Einbürgerung scheitern zu lassen, erinnerte sie. Nach Meinung der Rednerin sollten jene Menschen, die
fünf Jahre lang legal in Österreich leben, die Möglichkeit der Einbürgerung erhalten.
Abgeordnete Angela LUEGER (S) begrüßte die Erleichterungen für Kinder und Jugendliche, aber auch
die Anreize der Sprachkenntnisse und des sozialen Engagements für eine raschere Einbürgerung. Positiv
bewertete sie auch die Regelung betreffend die Putativösterreicher und die Ausnahmen vom Nachweis des gesicherten
Lebensunterhalts. Die Staatsbürgerschaftsbestimmungen müssten permanent weiterentwickelt werden, mit
dem vorliegenden Gesetz sei man aber auf einem guten Weg, resümierte Lueger.
Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) meinte, er nehme Staatssekretär Kurz das Engagement in Sachen Integrationspolitik
ab. Viele Initiativen von Kurz seien vernünftig, allerdings lasse der Erfolg noch zu wünschen übrig.
Das hätten nicht zuletzt die Demonstrationen in Österreich für den türkischen Regierungschef
gezeigt. Es gebe immer noch Menschen, die in den neunziger-Jahren nach Österreich gekommen und nach wie vor
nicht integriert sind.
Westenthaler sieht auch nicht ein, warum die Wartefrist für die Verleihung der Staatsbürgerschaft unter
bestimmten Voraussetzungen auf sechs Jahre verkürzt werden soll. Zumindest die allgemeinen Voraussetzungen
für den Erwerb der Staatsbürgerschaft – Unbescholtenheit, gesicherter Lebensunterhalt, gute Deutschkenntnisse,
bejahende Einstellung zur Republik und kein Naheverhältnis zu extremistischen Gruppen – blieben aber erhalten,
zeigte er sich erfreut. Wünschen würde sich Westenthaler die Möglichkeit, Staatsbürgerschaften
wieder abzuerkennen.
Abgeordneter Wolfgang GERSTL (V) hielt fest, das was vorliege, sei "die gute Mitte". Die Staatsbürgerschaft
werde in Österreich erst dann verliehen, wenn der Integrationsprozess vollzogen sei, betonte er. Das geschehe
entweder wie bisher nach zehn Jahren, oder sei, bei besonderen Verdiensten, künftig auch schon nach sechs
Jahren möglich.
Enttäuscht äußerte sich Gerstl über die Forderung von Abgeordnetem Peter Pilz, die Verleihung
der Staatsbürgerschaft von der Gesinnung des Werbers abhängig zu machen. Man dürfe bestimmte Grundrechte
nicht an eine gewünschte Gesinnung knüpfen, mahnte er.
Abgeordneter Christoph HAGEN (T) kündigte die Zustimmung zum Gesetz durch seine Fraktion an. Diese sei zwar
nicht das "Nonplusultra", aber ein Schritt in die richtige Richtung. Konkret begrüßte Hagen
etwa das verkürzte Verleihungsverfahren für Adoptivkinder und die Verbesserung für PutativösterreicherInnen.
Vernünftig ist für ihn auch, Fremden, die sich besonders in die Gesellschaft einbringen, die Staatsbürgerschaft
vorzeitig zu gewähren.
Nicht mit allen Punkten zeigte sich Hagen allerdings zufrieden. So schloss er sich der Forderung von Abgeordnetem
Westenthaler an, eine Aberkennungsmöglichkeit einzuführen. Im Fokus hat er dabei etwa österreichische
Dschihadisten in Syrien. Auch das Anliegen der FPÖ, SüdtirolerInnen eine österreichisch-italienische
Doppelstaatsbürgerschaft zu gewähren, unterstützte er.
Staatssekretär Sebastian KURZ bekräftigte, die österreichische Staatsbürgerschaft sei ein hohes
Gut. Mit dem neuen Gesetz werde kein leichtfertiger Ausverkauf der österreichischen Staatsbürgerschaft
geschaffen, versicherte er. Die österreichischen Bestimmungen blieben im internationalen Vergleich restriktiv.
Statt ausschließlich an die Aufenthaltsdauer in Österreich anzuknüpfen, schaffe man aber ein Anreizsystem.
Kurz wies außerdem auf die vorgesehene Gleichstellung von unehelichen mit ehelichen Kindern, Verbesserungen
für Menschen mit Behinderungen und Verbesserungen für PutativösterreicherInnen hin.
Nach Meinung von Abgeordnetem Harald STEFAN (F) geht Österreich im Bereich der Staatsbürgerschaft einen
völlig falschen Weg. Man mache die Staatsbürgerschaft zu einem "Geschenkartikel", kritisierte
er. Er kenne genug Menschen, die die österreichische Staatsbürgerschaft haben, aber nicht einmal die
deutsche Sprache beherrschen. Mit der verkürzten Wartezeit öffne man findigen Personen neue Tore und
verringere den Wert der Staatsbürgerschaft weiter.
Stefan kann sich durchaus eine fünfzehnjährige Wartefrist auf die Staatsbürgerschaft vorstellen,
wie er erklärte. Seiner Ansicht nach soll eine Staatsbürgerschaft außerdem nur an jene vergeben
werden, die sich zu ähnlichen Werten bekennen, mit dem Gemeinwesen identifizieren und bereit sind, Sitten
und Gebräuche zu übernehmen.
Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) machte sich für einen erleichterten Zugang von Nachkommen österreichischer
NS-Vertriebener zur österreichischen Staatsbürgerschaft stark. Ihre Eltern hätten die Staatsbürgerschaft
1938 unfreiwillig verloren und sie nach 1945 oft deshalb nicht zurückerhalten, weil sie nach ihrer Flucht
zu ihrem Schutz eine neue Staatsbürgerschaft angenommen haben, skizzierte er.
Abgeordneter Werner NEUBAUER (F) warb für einen Antrag der FPÖ, der die Zuerkennung der österreichischen
Staatsbürgerschaft an SüdtirolerInnen mit österreichischen Wurzeln zum Ziel hat. Seiner Meinung
nach würde nichts dagegen sprechen, der betroffenen Personengruppe eine italienisch-österreichische Doppelstaatsbürgerschaft
zu gewähren. Alle deutschsprachigen Parteien in Südtirol seien dafür, zudem würde dadurch die
Autonomie Südtirols gestärkt. Neubauer glaubt auch nicht, dass man mit einem solchen Schritt Italien
verstimmen würde.
Abgeordneter Harald WALSER (G) warf der FPÖ Scheinheiligkeit vor. Während die Freiheitlichen keine Probleme
damit hätten, wenn österreichische Auswanderer nach 50 Jahren in der Fremde Umzüge mit Tiroler Fahnen
machten, würden sie umgekehrt MigrantInnen in Österreich keine doppelte Identität zugestehen, beklagte
er. Die Grünen würden ihm zufolge Doppelstaatsbürgerschaften generell begrüßen: nicht
nur eine bestimmte Gruppe wie die SüdtirolerInnen, sondern alle Menschen, die zwischen zwei Kulturen leben
und mit ihrer alten Heimat weiter verbunden sind, sollten Anspruch darauf haben. In Richtung Staatssekretär
Kurz sprach sich Walser für eine Abschaffung des Staatsbürgerschaftstests aus und kritisierte, es sei
in sieben Jahren nicht gelungen, diesen frei von Fehlern zu machen.
Die Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes wurde vom Nationalrat mit Stimmenmehrheit verabschiedet.
Ebenfalls mehrheitlich nahmen die Abgeordneten die ablehnenden Berichte des Innenausschusses über die Anträge
der Grünen und der FPÖ an.
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