Linz (jku) - Immer kleiner, schneller und leistungsfähiger - die Mikroelektronik hat gewaltige Fortschritte
gemacht. Allerdings stößt man immer mehr an die Grenzen der physikalischen Möglichkeiten. Ideen,
über diese Begrenzungen hinauszugelangen, gibt es bereits. Und auch an der Johannes Kepler Universität
(JKU) Linz wird eifrig versucht, mit Germanium-Strukturen eine völlig veränderte Sicht auf die Physik
zu erarbeiten. Diese Forschung wird nun vom European Research Council mit 1,67 Millionen Euro unterstützt.
Zwei der aussichtsreichsten theoretischen Ansätze will der JKU-Forscher Dr. Georgios Katsaros (Abteilung für
Halbleiterphysik) praktisch verknüpfen. Zum einen wird seit mehreren Jahren weltweit untersucht, ob man Spin
Zustände benutzen kann, um Quantenbits zu realisieren. Heutzutage glaubt man, dass eventuell Germanium mit
Löcherzuständen das "bessere Silizium" sein könnte. Auf der anderen Seite wurde vor kurzem
vorhergesagt, dass eindimensionale Strukturen aus Germanium auch ein großes Potential für die Realisierung
von Majorana Fermionen haben. Hintergrund beider Bestrebungen: Das ferne Traumziel "Quantencomputer".
"Ob wir das je erreichen können, ist noch nicht sicher", so Dr. Katsaros, "aber wir erarbeiten
derzeit die Grundlagen, auf deren Basis die Computertechnologie der Zukunft funktionieren könnte. Und auf
dem Weg dahin lernen wir sicher neue und spannende Physik."
Quantenprozesse bei Germanium-Strukturen
Sein Ansatz, um diesen "Heiligen Gral" der Computerforschung zu finden: Er lässt im Reinraum
der Halbleiterphysik dreidimensionale Germanium-Strukturen wachsen (Gruppe von Prof. Schäffler, Martin Glaser
und Hannes Watzinger) und erforscht dann den elektronischen Transport durch diese Strukturen. "Dabei lassen
sich bei geringen Temperaturen im Millikelvin-Bereich Quanteneffekte nachweisen." Der Vorteil: In der Quantenmechanik
können sogenannte Spins zwei Zustände gleichzeitig einnehmen. "Wenn ich eine Münze werfe, könnten
bei einer Quantenmünze sozusagen Kopf und Zahl gleichzeitig oben liegen. Das bedeutet für einen Computer,
dass er theoretisch viel mehr Prozesse gleichzeitig ausführen kann", beschreibt Katsaros die Idee des
Quantencomputers. Und falls es möglich ist, Majorana-Fermionen nachzuweisen und deren Eigenschaften zu beweisen,
könnte man sogar vom topologischen Quantencomputen träumen.
"Exotische Physik"
Diese Grundlagenforschung wird für die nächsten fünf Jahre mit 1,67 Millionen Euro gefördert.
"Wenn uns die Symbiose beider Ansätze gelingt, könnte Physik sehr exotisch werden", schmunzelt
Katsaros. Leicht ist die Aufgabe nicht: "Allein die Herstellung und Verwendung von Nanodrähten ist eine
Herausforderung. Wir sprechen da von einer Höhe von 1-2 Nanometern." Zudem reagieren die Spins sehr anfällig
auf Einflüsse der Umwelt. "Da wartet noch viel Arbeit auf uns", weiß der JKU-Forscher. Zumindest
hat er nie bereut, dass er statt wie ursprünglich geplant als Bäcker nun als Quantenphysiker arbeitet.
"Letztlich versucht man in beiden Berufen, neue Rezepte zu finden. Nur backe ich jetzt eben keinen Apfelkuchen,
sondern Germanium-Strukturen."
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