IV-GS Neumayer: Brauchen ungeschminkten Blick auf wahre budgetäre
Situation – Budgetsünden der Vergangenheit und Verpflichtungen von morgen offenlegen – EcoAustria Schuh: Implizite
Staatsschuld liegt bereits bei über 250 Prozent des BIP
Wien (pdi) - „Wir brauchen einen ungeschminkten und vor allem auch längerfristigen Blick auf unsere
wahre budgetäre Situation – das sind wir uns selbst und den nächsten Generationen schuldig“, so der Generalsekretär
der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Christoph Neumayer in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Leiter
des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria Dr. Ulrich Schuh am 12.07. in Wien. Dafür aber sei die offiziell
ausgewiesene Staatsschuld unzureichend, so Neumayer: „Die öffentliche Hand gibt laufend, z.B. auch bei den
Pensionen, den Bürgern gegenüber Leistungsversprechen ab. Diese implizite Staatsschuld muss bei jeder
langfristigen Budgetplanung mit beachtet werden und gerade Unternehmen sind es gewohnt, immer langfristig und nachhaltig
planen zu müssen.“ Daher werde das Projekt von EcoAustria gemeinsam vorgestellt. „Es handelt sich um einen
Schulden-Check für die Politik, der nicht nur die Budgetsünden der Vergangenheit offenlegt, sondern auch
die Verpflichtungen von morgen“, wie Neumayer betonte.
Umverteilungsausgaben nehmen stetig zu
Die größte Budgetsünde in Österreich sei es, dass Österreich seit 1970 keinen einzigen
Budgetüberschuss mehr erarbeiten konnte. Zudem, so der IV-Generalsekretär, „haben sich die Staatsausgaben
seit den 70ern von investiven, produktiven Ausgaben schwerpunktmäßig in Richtung Umverteilungsausgaben
entwickelt – und das zum Großteil auf Pump.“ Seit der Mitte der 70er Jahre seien die öffentlichen Ausgaben
für Investitionen (inklusive der Beiträge der ausgegliederten Einheiten wie ÖBB, ASFINAG, BIG und
Gemeindebetriebe) um 2,4 Prozentpunkte des BIP zurückgegangen und haben sich damit (in Prozent des BIP) fast
gedrittelt. Im Gegensatz dazu sind die Ausgaben für Transfers im gleichen Zeitraum um mehr als acht Prozentpunkte
des BIP gestiegen.
Versäumnisse der Vergangenheit rasch korrigieren
Es sei die wichtigste Aufgabe einer neuen Bundesregierung, die Versäumnisse der Vergangenheit hier rasch zu
korrigieren. „Wir brauchen einerseits einen österreichweiten Konsens für eine neue standortpolitische
Offensive. Die standortpolitischen Handlungsfelder sind klar definiert: Sie reichen vom Ausbau einer hochwertigen
Infrastruktur (Energie, Verkehr, Breitbandübertragung) über ein modernes Steuersystem bis zur Verkürzung
von Genehmigungsverfahren und zu einer modernen Verwaltung und weniger bürokratischen Lasten“, so Neumayer.
Zudem müsse man dringend Ineffizienzen und Doppelgleisigkeiten im System abschaffen, um die Kosten zu senken:
„Allein bis 2020 wären in Österreich etwa durch Strukturreformen Einsparungen in der Größenordnung
von 4 Prozent-Punkten des BIP zu lukrieren, davon ein Viertel im Bereich der Verwaltung.“ Es gelte prinzipiell,
das langfristige Bild nie aus den Augen zu verlieren – ganz besonders in Wahlkampfzeiten, „denn teure Wahlkampfgeschenke,
wie etwa kurz vor der Nationalratswahl 2008, können wir uns schlicht nicht leisten“, betonte Neumayer. Der
„Schulden-Check“ müsse daher zu einem der zentralen Elemente einer vernünftigen und langfristig ausgerichteten
öffentlichen Budgetplanung in Österreich werden.
Haben langfristig „strukturelles“ Defizit
Die aktuellen Daten der Gebarung der öffentlichen Haushalte bilde nur das gegenwärtige Verhältnis
von laufenden Einnahmen bzw. Ausgaben sowie die aktuelle Bruttoverschuldung des Staates ab. Diese Betrachtung sei
gegenwarts- bzw. vergangenheitsbezogen (Staatsschulden), erläuterte Schuh: „Der österreichische Staat
gibt nach geltender Rechtslage allerdings derzeit lebenden und zukünftigen Generationen die Zusage der Bereitstellung
von Geld- und Sachleistungen. Mit der Methode des Generational Accounting werden aufgrund der geltenden Rechtslage
sämtliche gegenwärtigen und künftigen Leistungszusagen des Staates den zu erwartenden Einnahmen
des Staates gegenübergestellt und eine vollständige Bilanz des Staatshaushaltes erstellt.“ Dadurch ergebe
sich nach den Berechnungen von EcoAustria folgendes Bild:
Aktueller Schuldenstand 2012 73,24 Prozent des BIP
Implizite Staatsschuld 177,8 Prozent
Verschuldung an lebende Generationen 108,3 Prozent
Verschuldung an künftige Generationen 69,5 Prozent
Nachhaltigkeitslücke 251,0 Prozent
„Diese Nachhaltigkeitslücke stellt somit die Summe aus aktueller Schuldenquote und zukünftigen Verbindlichkeiten
des Staates, bzw. der impliziten Staatsschuld dar – diese sollte die Richtschnur bei allen langfristigen, politischen
Planungen sein“, wie Schuh betonte. Kurzfristig sei der Staatshaushalt demnach noch zufriedenstellend unterwegs,
wenn auch mittelfristig noch viele Anstrengungen notwendig seien, um die Kosten aufgrund der demografischen Entwicklung
schultern zu können. „Langfristig haben wir aber ein ‚strukturelles‘ Defizit – also die Differenz von laufenden
Ausgaben minus laufende Einnahmen bei konstanten Zinszahlungen – von 3,8 Prozent des BIP“, so der Wirtschaftsforscher.
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