Brüssel (ec.europa) - Die Europäische Kommission hat am 10.07. einen Einheitlichen
Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) für die Bankenunion vorgeschlagen. Das Verfahren
würde den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) (IP/12/953) ergänzen,
der seine Arbeit Ende 2014 aufnehmen soll. Ab dann wird die Europäische Zentralbank (EZB) Banken im Euroraum
und in anderen Mitgliedstaaten, die beschließen, an der Bankenunion teilzunehmen, direkt beaufsichtigen.
Durch den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus würde — unbeschadet einer strengeren Aufsicht — sichergestellt,
dass dem SSM unterliegende Banken, die in ernsthafte Schwierigkeiten geraten, effizient und mit minimalen Kosten
für den Steuerzahler und die Realwirtschaft abgewickelt werden können.
Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte: „Mit diesem Vorschlag liegen alle Elemente
für eine Bankenunion auf dem Tisch, die den Sektor auf eine solidere Grundlage stellt, das Vertrauen in die
Finanzmärkte wiederherstellt und deren Fragmentierung überwinden hilft. Wir haben uns bereits auf eine
gemeinsame europäische Aufsicht der Banken im Euroraum und anderen Mitgliedstaaten, die daran teilnehmen wollen,
geeinigt. Der heutige Vorschlag ergänzt dies durch ein starkes und integriertes, einheitliches System für
den Umgang mit in Schieflage geratenen Banken. Zwar können wir die Gefahr künftiger Bankeninsolvenzen
nie ganz ausschließen, aber mit dem Einheitlichen Abwicklungsmechanismus und dem Abwicklungsfonds werden
in Zukunft nicht mehr die europäischen Steuerzahler, sondern die Banken selbst die Kosten von Verlusten schultern
müssen."
Hierzu der für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissar Michel Barnier: „Wir haben gesehen,
wie schnell Bankenkrisen sich über Grenzen hinweg ausbreiten können und wie schnell dadurch eine negative
Kettenreaktion für das Vertrauen in den Euroraum entstehen kann. Wir haben auch gesehen, wie der Zusammenbruch
einer großen, grenzübergreifend tätigen Bank zu einer komplizierten und verwirrenden Situation
führen kann: Die Abwicklung von Dexia ist diesbezüglich kein nachahmenswertes Modell. Wir brauchen ein
System, das rasche und effiziente Entscheidungen ermöglicht, das keine Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen
auf die öffentlichen Finanzen entstehen lässt und das auf dem Markt für Sicherheit sorgt. Genau
das ist das Ziel des heutigen Vorschlags für einen Einheitlichen Abwicklungsmechanismus: durch Gewährleistung
einer zentral abgestimmten Aufsicht und Abwicklung unter Einbeziehung aller nationalen Interessenträger und
mit einem angemessenen Mechanismus für die Finanzierung von Abwicklungen wird in der Bankenunion ein effizienterer
Umgang mit Bankenkrisen möglich sein und die Verbindung zwischen Staatsschuldenkrisen und angeschlagenen Banken
aufgebrochen."
Der solidere Aufsichtsrahmen des SSM und die strengeren aufsichtsrechtlichen Anforderungen (siehe MEMO/13/272)
werden die Banken sicherer machen. Die Gefahr, dass eine Bank in ernste Liquiditäts- oder Solvenzprobleme
gerät, kann natürlich nie ganz ausgeschlossen werden. Bankenaufsicht und -abwicklung müssen aufeinander
abgestimmt und auf der gleichen zentralen Ebene angesiedelt werden, um Unsicherheit zu vermeiden und einen Ansturm
auf die Banken und ein Übergreifen auf andere Teile des Euroraums zu verhindern.
Für den vorgeschlagenen SRM würden die materiellen Bestimmungen für die Sanierung und Abwicklung
von Banken (siehe IP/12/570) gelten, die in Kürze im Rahmen der Bankenunion verabschiedet werden sollen. Der
EU-Rat der Finanzminister einigte sich am 27. Juni auf ein allgemeines Konzept für diese neuen Bestimmungen
(MEMO/13/601), und der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments verabschiedete
seinen Bericht am 20. Mai. Verhandlungen zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament sollen in Kürze
aufgenommen werden; eine endgültige Einigung über die Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung
von Banken ist für diesen Herbst geplant.
Für den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus ist folgende Funktionsweise vorgesehen:
- Die EZB macht in ihrer Rolle als Aufseherin darauf aufmerksam, wenn eine Bank
im Euroraum oder mit Sitz in einem an der Bankenunion teilnehmenden Mitgliedstaat sich in schweren finanziellen
Schwierigkeiten befindet und abgewickelt werden muss.
- Ein Ausschuss für die Einheitliche Abwicklung aus Vertretern der EZB, der
Europäischen Kommission und der zuständigen nationalen Behörden (d. h. der Behörden des Landes,
in dem die Bank ihren Sitz, Zweigstellen und/oder Tochtergesellschaften hat) bereitet die Abwicklung der Bank vor.
Dieser Ausschuss hat umfassende Befugnisse im Hinblick auf die Analysen und die Festlegung des Konzepts für
die Abwicklung einer Bank. Die nationalen Abwicklungsbehörden werden eng in diese Arbeiten einbezogen.
- Die Kommission beschließt auf der Grundlage der Empfehlung des Ausschusses
für die Einheitliche Abwicklung oder auf eigene Initiative, ob und wann eine Bank abgewickelt wird, und legt
die Rahmenbedingungen für den Einsatz der Abwicklungsinstrumente und des Fonds fest. Diese letzte Entscheidung
darf aus rechtlichen Gründen nicht beim Ausschuss liegen.
- Die nationalen Abwicklungsbehörden führen unter Aufsicht des Ausschusses
für die Einheitliche Abwicklung die Abwicklungspläne aus.
- Der Ausschuss für die Einheitliche Abwicklung begleitet die Abwicklung.
Er überwacht die Umsetzung auf nationaler Ebene durch die nationalen Abwicklungsbehörden und kann im
Falle, dass eine nationale Abwicklungsbehörde einem Beschluss nicht Folge leistet, Durchführungsanordnungen
direkt an in Schieflage geratene Banken richten.
- Es wird ein Einheitlicher Bankenabwicklungsfonds geschaffen, der der Kontrolle
des Ausschusses für die Einheitliche Abwicklung unterliegt. Dadurch wird sichergestellt, dass im Falle der
Umstrukturierung einer Bank mittelfristige Finanzierungen verfügbar sind. Der Fonds wird durch Beiträge
des Bankensektors finanziert und ersetzt die im Entwurf einer Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung
vorgesehenen nationalen Abwicklungsfonds der Mitgliedstaaten des Euroraums und der Mitgliedstaaten, die an der
Bankenunion teilnehmen.
Die Rolle der Kommission bliebe auf den Beschluss über die Abwicklung einer Bank und die Festlegung der Rahmenbedingungen
für die Abwicklung beschränkt, wodurch sichergestellt wird, dass die Binnenmarkt- und die Beihilfevorschriften
der EU eingehalten werden und die Unabhängigkeit und die Rechenschaftspflicht des Gesamtmechanismus gewahrt
bleiben.
Auf der Europäischen Ratstagung vom 27./28. Juni haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU das Ziel
gesetzt, sich bis Ende 2013 auf einen Mechanismus zu einigen, der dann vor Ende der aktuellen Legislaturperiode
des Europäischen Parlament im Jahr 2014 verabschiedet würde. Er könnte damit ab Januar 2015 zusammen
mit der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Banken angewandt werden.
Bis die geplanten Vorschriften in Kraft treten, würden für eine Bankenkrise weiterhin die nationalen
Regelungen gelten. Diese Regelungen sollen jedoch zunehmend in Richtung anerkannter Abwicklungsprinzipien konvergieren,
d. h. bei Verlusten von Banken sollen in Zukunft nicht mehr die Steuerzahler einspringen müssen, sondern verstärkt
die Anteilseigner und Gläubiger herangezogen werden. Diesem Ziel dienen einerseits die ebenfalls heute verabschiedeten
überarbeiteten Leitlinien für staatliche Beihilfen (siehe IP/13/672) und andererseits die Möglichkeit,
Banken über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (EMS) direkt zu rekapitalisieren. Beide fordern
als Voraussetzung für die öffentliche Unterstützung durch nationale und europäische Ressourcen
des Stabilitätsmechanismus eine angemessene "Lastenverteilung" durch Einbeziehung der privaten Kapitalgeber
einer Bank.
Hintergrund
Der Einheitliche Abwicklungsmechanismus wurde von der Kommission in ihrer Mitteilung über einen Fahrplan
für eine Bankenunion (September 2012) und in ihrem Konzept für eine vertiefte und echte Wirtschafts-
undWährungsunion(November 2012) angekündigt.
Der Europäische Rat hat im Dezember 2012 die Notwendigkeit der Schaffung eines Einheitlichen Abwicklungsmechanismus
anerkannt, der in der Bankenunion den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus ergänzt. Im März 2013 hat er
sich dazu verpflichtet, die Bankenunion über mehrere Schritte zu vollenden, und bestätigt, dass der Vorschlag
der Kommission für einen Einheitlichen Abwicklungsmechanismus vorrangig geprüft werden sollte, um eine
Verabschiedung vor Ende der aktuellen Legislaturperiode des Europäischen Parlaments im Jahr 2014 zu ermöglichen.
Das Europäische Parlament hat wiederholt eine stärkere Integration der Regelungen für die Abwicklung
von Banken gefordert und in einer Entschließung vom 13. Juni 2013 die Kommission ersucht, den Vorschlag für
die Schaffung des Einheitlichen Abwicklungsmechanismus so rasch wie möglich zu verabschieden.
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