Salzburg (universität) - Zellbiologen der Universität Salzburg und Mediziner an der Paracelsus Medizinischen
Privatuniversität Salzburg haben ein neues Verfahren zur gezielten Steuerung der zellulären Eiweißerzeugung,
der sogenannten personalisierten Proteinsynthese, entwickelt. Mögliche Anwendungsbereiche ergeben sich in
der Biotechnologie und der Medizin.
In allen Zellen werden Proteine von kleinen, molekularen Maschinen, den Ribosomen, hergestellt. Ein Ribosom besteht
aus einer kleinen und einer großen Untereinheit, und beide Untereinheiten bestehen aus zwei Arten von Bausteinen,
erstens, den ribosomalen Nukleinsäuren (rRNA) und zweitens, den etwa 80 ribosomalen Proteinen. Wenn ein Protein
hergestellt werden soll, wird durch einen genau regulierten Startprozess sichergestellt, dass die kleine Untereinheit
zuerst die genetische Botschaft für das Protein, die mRNA, aufnimmt und dann mit der großen Untereinheit
fusioniert. Dann übernimmt die kleine Untereinheit das Umschreiben der mRNA in Aminosäuren. Die Aminosäuren
werden dann eine nach der anderen von der großen Untereinheit zu einer Aminosäurenkette verknüpft
und diese verlässt das Ribosom um sich in ein funktionsfähiges Protein zu falten.
Seit Entdeckung der Ribosomen vor über 60 Jahren ist man davon ausgegangen, dass die Menge an Protein, die
von einer bestimmten mRNA hergestellt wird, in erster Linie von der Menge der hergestellten mRNA und der Regulation
des Startprozesses am Ribosom kontrolliert wird. Die Rolle des Ribosoms selbst wurde dabei als die einer rein
ausführenden, „molekularen Maschine“ gesehen. Es wurde jedoch immer wieder über eine aktivere, regulierende
Rolle der Ribosomen spekuliert. Das würde auf eine personalisierte Proteinsynthese hindeuten, bei der jede
mRNA des menschlichen Körpers ihre persönliche Signatur am Ribosom hat.
Die Salzburger Forscher haben nun diese Spekulation beendet, indem sie als Studienobjekte Ribosomen der Bierhefe
untersuchten, welche sehr ähnlich den menschlichen Ribosomen sind. Es wurde in der Hefezelle ein Testverfahren
entwickelt, mit dem jede mRNA, aus jedem Organismus, in Bezug auf personalisierte Proteinsynthese getestet werden
kann. Das Testverfahren besteht aus einem Set von Hefestämmen, wobei jeder einzelne Hefestamm ein personalisierter
Hefestamm ist, weil er personalisierte Ribosomen trägt. Dieses Set von Hefestämmen kann nun verschiedene
mRNAs aufnehmen, die getestet werden sollen. Die Proteinsynthese von mehreren Test mRNAs wurden in allen personalisierten
Hefestämmen getestet. Nach eingehender statistischer Analyse konnte gezeigt werden, dass es für jede
Test-mRNA nur einige wenige oder nur ein bestimmtes personalisiertes Ribosom gibt, das zu einer signifikanten Erhöhung
der Proteinproduktion führt. Die Produktionssteigerung für die einzelnen Proteine lag zwischen 50% und
200%. Dabei ist zu beachten, dass die Produktion der jeweils anderen Test mRNAs nicht signifikant verändert
war.
Durch den Einsatz personalisierter Ribosomen wurde also hohe Spezifität in der Steigerung der Produktion für
ein ausgewähltes Protein erreicht, unter gleichzeitiger Beibehaltung der Produktionsraten anderer Test mRNAs,
für die es jeweils wieder eigene personalisierte Ribosomen gibt.
Die Umsetzung der personalisierten Proteinsynthese kann Bereiche der Biotechnologie und Medizin revolutionieren.
Biotechnologie
Derzeit können in der Biotechnologie Steigerungen in der Herstellung von Zielproteinen nur unter Einsatz von
genetisch veränderten Produktionsstämmen oder Wachstumsfaktoren oder teurer Nährmedien oder durch
Kombinationen dieser Methoden erzielt werden. Einsatz des hier vorgestellten Screening-Verfahrens zur Identifikation
personalisierten Ribosomen zur Produktionssteigerung eines bestimmten Proteins - in diversen Proteinexpressionsmodellen
von Pichia pastoris bis zu humanen Stammzellen - wird Produktionskosten senken und Proteinproduktion steigern
können. Das Screening Verfahren wurde unter Leitung von Prof. Dr. Lore Breitenbach-Koller am Fachbereich Zellbiologie
an der Universität Salzburg durchgeführt.
Medizin
In der Medizin kann das Testverfahren zur personalisierten Proteinsynthese therapeutische Ziele für seltene
Krankheiten, aber auch für weit verbreitete Krankheiten, liefern. So konnten die Salzburger Forscher zeigen,
dass personalisierte Ribosomen mit veränderter L35b Aktivität die fehlerhafte Proteinsynthese der mutierten
LAMB3 mRNA korrigieren und vermehrten Produktion des Lamb3 Proteins ermöglichen. In der menschlichen Haut
ist Lamb3 ein Teil des dreiteiligen Laminin 5 Proteins, das die Epidermis und Dermis der Haut verbindet. Wenn
das Lamb3 Protein nicht oder zu wenig gebildet wird, so kann auch das Laminin 5 Protein nicht gebildet werden und
es kommt zu einer schweren Form der Hautblasenkrankheit, Epidermolysis Bullosa, der Krankheit der „Schmetterlingskinder“.
An der Univ.-Klinik für Dermatologie, unter Leitung von Prof. Dr. Helmut Hintner und im EB Haus Austria,
unter Leitung von Prof. Dr. Johann W. Bauer, wurden diese Pilotstudien durchgeführt. Ziel ist es, Substanzen
und Interventionen zu finden, die personalisierte Ribosomen in Hautzellen von Patienten generieren und dort zur
vermehrten Produktion von funktionsfähigem Lamb3 Protein führen.
|