Wien (tu) - Lösen neue Fußgängerzonen oder Straßensperren ein Verkehrschaos aus? VerkehrsforscherInnen
der TU Wien stellen fest, dass die Probleme meist kleiner sind als simple Rechenmodelle vorhersagen.
Die Mariahilferstraße soll zur Fußgängerzone werden, auch Großveranstaltungen oder Baustellen
machen oft Straßensperren nötig. Bringen solche Maßnahmen zwangsläufig Verkehrsstaus mit
sich, weil sich die Autos dann durch überfüllte Ausweichrouten drängen? Nicht unbedingt, sagen ForscherInnen
vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien. Sind die Sperren rechtzeitig bekannt, wird auf Autofahrten
verzichtet und der Verkehr geht insgesamt zurück. Oft gibt es dann dort, wo Verkehrsstaus angekündigt
worden sind, gar keine Probleme.
Allzu einfache Computermodelle rechnen mit Stau
„Wenn die Auswirkungen von Verkehrssperren prognostiziert werden sollen, verwendet man heute meist recht einfache
Computermodelle“, erklärt Harald Frey vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien. „Der Verkehr,
der bisher auf der gesperrten Straße angefallen ist, wird dabei nach bestimmten mathematischen Regeln auf
andere Straßen aufgeteilt.“ Dass sich allerdings auch das Verkehrsverhalten ändert und das Verkehrsvolumen
insgesamt zurückgeht, bleibt meist unberücksichtigt. Dadurch werden die Auswirkungen von Verkehrsbehinderungen
überschätzt.
„Entscheidend ist, dass die Verkehrsbehinderung rechtzeitig bekannt ist“, betont Harald Frey. Wenn man über
eine neue Baustelle oder eine Sperre nach einem Unfall erst im Verkehrsfunk erfährt, bleibt tatsächlich
nur das Ausweichen auf andere Strecken. Ist die Sperre aber langfristig angekündigt, wird auf unnötige
Fahrten eher verzichtet, großräumig ausgewichen, oder man steigt auf andere Verkehrsmittel um. „Stau
ist somit auch ein Instrument zur Verkehrserziehung“, meint Frey.
Aus Erfahrungen lernen
Dafür gibt es statistisch gut untersuchte Beispiele: Währen der EURO 2008 wurde die vielbefahrene Ringstraße
in Wien zur Fußball-Fanzone. Verkehrsprobleme gab es dadurch kaum. Der Autoverkehr ging zurück, die
Passagierzahlen der Wiener Linien hingegen stiegen drastisch. Die Zahl der Autos an kritischen Punkten war deutlich
geringer als Standard-Rechenmodelle vorhergesagt hatten.
Ein anderes Beispiel ist der Zusammenbruch der Reichsbrücke 1976. Damals wurde dazu aufgerufen, Fahrgemeinschaften
zu bilden. Die durchschnittliche Personenanzahl pro Auto bei Fahrten über die Donau stieg daraufhin von 1.21
auf 1.72.
Die Auto-Anzahl ist keine Erhaltungsgröße
Bei der oft hitzigen Diskussion rund um künftige Verkehrsmaßnahmen, etwa die Fußgängerzone
in der Mariahilferstraße, sollte man also die Erkenntnis im Kopf behalten: Das Gesamt-Verkehrsaufkommen ist
keine Naturkonstante. Es richtet sich nach den vorhandenen Kapazitäten. Das kann einerseits beim Neubau von
Straßen dazu führen, dass das Gesamt-Verkehrsvolumen steigt und die Verkehrsentlastung durch den Bau
einer zusätzlichen Ausweichroute geringer ist als angenommen – oder umgekehrt die Folge haben, dass bei der
Sperre von Straßen die negativen Auswirkungen weniger dramatisch sind, als man nach pessimistischen Abschätzungen
glauben würde.
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