Graz (med-uni) - Es ist schon länger bekannt, dass Arthrose Patienten vermehrt Sphingosin-1-Phosphat (S1P),
ein Signalmolekül mit vielfältigen intra- wie extrazellulären Funktionen, in ihrer Gelenksflüssigkeit
haben. Was das für den Gelenksknorpel bedeutet, war bisher aber völlig unklar. Wissenschafter der Med
Uni Graz konnten nun zeigen, dass S1P der knorpelschädigenden Wirkung von entzündungsfördernden
Botenstoffen entgegenwirkt. Das funktioniert allerdings nur dann, wenn die Knorpelzellen auch den "richtigen"
Rezeptor für S1P haben. Knorpelzellen die diesen Rezeptor nicht besitzen, sind für die knorpelschützende
Wirkung von S1P nicht empfänglich.
Arthrose - Zwei Drittel der über 65 Jährigen leiden an der Gelenkserkrankung
Die Arthrose ist die weltweit häufigste Gelenkserkrankung und führt zu deutlichen Behinderungen,
zB. am Knie und am Hüftgelenk, wobei grundsätzliche alle Gelenke von arthrotischen Veränderungen
betroffen sein können. Beschwerden auf Grund von Abnutzungserscheinungen von Gelenken sind eine der häufigsten
Ursachen für einen Arztbesuch. Die medikamentöse Therapie der Arthrose ist derzeit noch recht unspezifisch
und besteht in erster Linie aus der Verabreichung von schmerzlindernden und entzündungshemmenden Arzneimitteln.
Voraussetzung für die Entwicklung neuer Medikamente, die ganz gezielt in die an der Arthrose beteiligten Prozesse
eingreifen und die Knorpelzerstörung stoppen können, ist eine genaue Kenntnis der Vorgänge, die
dem Krankheitsbild zugrunde liegen. Ein zentrales Element sind dabei chronische Reizungen, die im Gelenk zur Freisetzung
verschiedenster knorpelschädigender Entzündungsfaktoren führen. Der bekannteste dieser Botenstoffe
ist Interleukin-1, IL-1. Dieser und andere entzündungsfördernde Botenstoffe lösen in den Knorpelzellen
eine Reihe von Vorgängen aus, die unter anderem die Ausschüttung von Stickstoffmonoxid (NO) zur Folge
haben. NO ist ein wichtiger körpereigener Botenstoff, der vor allem für seine gefäßerweiternde
Wirkung bekannt ist. Im Gelenk ist ein Übermaß an NO aber von Nachteil, da Sauerstoffradikale zunehmen
und langfristig das Knorpelgewebe schädigen.
Vermehrte Bildung von S1P in entzündeten Gelenken
Die internistischen Rheumatologen und Orthopäden der Med Uni Graz gingen nun der Frage nach, wie das Lipidmolekül
S1P diese Regelkreisläufe beeinflusst. S1P ist ein Hormon, das an vielen physiologischen Vorgängen beteiligt
ist und auch in der Gelenksflüssigkeit von gesunden Gelenken zu finden ist. Interessant ist die Substanz deshalb,
weil sie in entzündeten oder chronisch gereizten Gelenken vermehrt gebildet wird und bestimmte Vorgänge
innerhalb der Knorpelzellen beeinflussen kann. Als Untersuchungsmaterial diente den Forschern Knorpelgewebe von
Patienten, die wegen fortgeschrittener Arthrose des Kniegelenks eine Gelenksprothese erhielten. "Wir hatten
dabei die Möglichkeit, Knorpelzellen aus gesunden und erkrankten Arealen des selben Gelenks zu vergleichen",
berichtet Dr. Martin Stradner, Klinische Abteilung für Rheumatologie und Immunologie, derzeit Erwin-Schrödinger-Stipendiat
an der University of California, San Diego. "Ein überraschender Nebenaspekt war, dass sich die Knorpelzellen
aus erkranktem Knorpel auch in der Zellkultur deutlich von gesundem Knorpel unterschieden."
S1P als körpereigener Schutzmechanismus vor Arthrose
In der im renommierten Journal "Arthritis & Rheumatism" veröffentlichen Studie konnten einige
für das Verständnis der Arthroseentstehung grundlegende Fragen geklärt werden. Das wichtigste Ergebnis:
S1P ist in der Lage, dem Teufelskreis der knorpelschädigenden Entzündungsfaktoren entgegenzuwirken und
die durch Interleukin-1 induzierte Bildung von knorpelabbauenden Stoffen zu hemmen. "Wir konnten zeigen, dass
S1P die Aktivierung eines kritischen IL-1 Signalweges verhindert", erläutert Dr. Stradner. Allerdings
reagierten die kultivierten Knorpelzellen recht unterschiedlich auf den Zusatz von S1P. Verantwortlich dafür
waren verschiedene S1P-Rezeptor-Subtypen. "Menschliche Knorpelzellen können vier verschiedene Typen von
S1P-Rezeptoren besitzen. Am wichtigsten sind Typ 1 und Typ 2", so der Rheumatologe. "Typ 2-Rezeptoren
verhindern das Ausstoßen von knorpelschädigendem NO, Typ 1-Rezeptoren tun das nicht. Wie stark Knorpelzellen
auf S1P reagieren, hängt also davon ab, ob sie mehr Typ 1- oder Typ 2-Rezeptoren haben."
Interessant sind diese Ergebnisse auch deshalb, weil es mit Fingolimod bereits einen S1P-Aktivator gibt, der
klinisch zum Einsatz kommt. Das Medikament wirkt immunsuppressiv und ist für die Multiple Sklerose zugelassen.
Eine spannende Frage, die es noch in Folgestudien zu klären gilt ist, wie die S1P-Menge im Gelenk reguliert
wird. Hier könnte sich innerhalb weniger Jahre ein weiterer Behandlungsansatz der Arthrose ergeben.
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