MAK eröffnet Schausammlung zu Design / Kunstgewerbe 1890-1938 und präsentiert Ikonen
des Kunsthandwerks in sinnlicher Nähe ab 17.09. bis
Wien (mak) - Auf eine sinnliche Zeitreise in die ästhetische Eleganz des epochalen Kunsthandwerks der
Wiener Moderne lädt die permanente MAK-Schausammlung "Wien 1900. Design / Kunstgewerbe 1890-1938",
die am 17. September 2013 eröffnet. In einer atmosphärisch dezenten Gestaltung bereitet der Wiener Designer
Michael Embacher etwa 500 Exponaten, die vom Kunsthistoriker und Kurator Christian Witt-Dörring repräsentativ
für das Wiener Kunstgewerbe der Zeit zwischen 1890 und 1938 ausgewählt wurden, eine adäquate Bühne.
Die unverwechselbare Qualität der MAK-Sammlung zur Wiener Moderne wird in diesem neuen Herzstück des
Museums in gebotener inhaltlicher Fülle für die BesucherInnen unmittelbar erfahrbar.
Die MAK-Schausammlung "Wien 1900", die Objekte aus fünf Jahrzehnten erstmals umfassend kultur- und
kunsthistorisch aufarbeitet und die, von Adolf Loos und Josef Hoffmann völlig konträr diskutierte, Rolle
von Kunstgewerbe und Design aufzeigt, widmet dieser prägenden Kulturepoche als einer der wesentlichsten Inspirationsquellen
für zeitgenössisches Design deutlich mehr Raum als bisher. Als Auftakt zu dieser Neugestaltung, die das
MAK als internationales Kompetenzzentrum für die Wiener Moderne profilieren soll, wurde von November 2012
bis Juni 2013 in drei Räumen das inhaltliche Konzept der MAK-Schausammlung "Wien 1900" präsentiert,
das erstmals die enorme Dichte der Bestände des MAK in diesem Bereich vor Augen führte.
"Diese erste Präsentation hat uns überzeugt, dass die Schausammlung "Wien 1900" eine vergleichbare
Tiefe aufweisen muss, um den Anspruch des MAK eines Kompetenzzentrums für die Wiener Moderne erlebbar zu machen.
Wir haben uns daher entschieden, einen 'angewandten' Künstler zur Gestaltung der Dauerpräsentation "Wien
1900" einzuladen. Wir haben in Michael Embacher, der bereits die erste Stufe begleitete, den idealen Gestalter
gefunden, um in enger Zusammenarbeit mit Kurator Christian Witt-Dörring das Wiener Kunstgewerbe 1890-1938
in einer dichten Erzählung in drei Räumen neu zu vermitteln. Für Embacher stehen die gezeigten Objekte
im Mittelpunkt, die es in ihrer herausragenden Qualität, Eleganz und Reichhaltigkeit erfahrbar zu machen gilt",
erklärt MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein.
Analog zum kuratorischen Konzept legt die räumliche Gestaltung ihren Fokus auf die Einzigartigkeit der Sammlungsobjekte.
Das Ausstellungsdisplay positioniert die Objekte auf zurückhaltenden, großzügigen Plattformen,
deren gestalterische Präsenz mehr auf Dezenz als auf Inszenierung setzt. Ausstellungsdesigner Michael Embacher:
"Ziel war, das Kunsthandwerk in einer sinnlichen Ausstellungsarchitektur zu präsentieren, die sich mit
einer selbstverständlichen Formen- und Materialsprache in die Räumlichkeiten des Museums einfügt.
Hochwertige Materialien in aufwendiger handwerklicher Verarbeitung und eine dezente Behandlung der räumlichen
Oberflächen bieten den Objekten eine zurückhaltende Hülle, die als atmosphärischer Hintergrund
wahrgenommen wird."
Durch inhaltliche Gruppierungen zahlreicher Sammlungsobjekte zu kohärenten Themenmodulen wird eine großzügige
Form der "Zurschaustellung" geschaffen. Die neuen Präsentationsinseln greifen auf klassische Formen
der Ausstellungsgestaltung zurück und unterstreichen die Weitläufigkeit der musealen Räumlichkeiten.
Die unverwechselbare Eleganz der Sammlung wird in die historischen Säle des Museums eingebettet, wobei die
Ausstellungsarchitektur als holistisches Bindeglied in Erscheinung tritt.
In einer höchst anspruchsvollen kuratorischen Herangehensweise gelingt es Christian Witt-Dörring, die
kulturelle Signifikanz der Ausstellungsobjekte und die zukunftsträchtige Bedeutung des Wiener Kunstgewerbes
um 1900 herauszustreichen. Er konzentriert sich dabei, in enger Zusammenarbeit mit den KustodInnen des Hauses,
auf drei wesentliche Bereiche der Wiener Moderne. Chronologisch an erster Stelle steht die Überwindung des
Historismus auf der Suche nach einem modernen österreichischen Stil in den Jahren 1890-1900. Beginnend mit
Otto Wagners Propagierung eines modernen Nutzstils, kommen die vom westlichen Ausland und von Japan inspirierten
Secessionisten mit ihrer Forderung nach dem Gesamtkunstwerk zu Wort. Dieser Themenbereich schließt mit der
anti-secessionistischen Gegenbewegung von Adolf Loos und seinem Ruf nach dem "modernen Menschen".
Als zweiten wesentlichen Schwerpunkt geht Witt-Dörring der Entwicklung eines eigenen österreichischen
Stils nach: Von KünstlerInnen der Wiener Kunstgewerbeschule und der Wiener Werkstätte auf Basis des von
den Secessionisten initiierten, formal-stilistischen Konzepts der Moderne angestrebt, ist dieser in Wahrheit ein
Wiener Stil. Die ausgestellten Objekte dokumentieren die markante stilistische Zäsur, die ab 1897 durch die
Bemühungen der Secession um einen eigenen österreichischen Stil herbeigeführt wurde. Basierend auf
Koloman Mosers japanisch beeinflusster Flächenkunst, dem klassizistischen Erbe des Biedermeier und der heimischen
Volkskunst, wurde dieser neue Stil erstmals 1900, in der 8. Ausstellung der Secession, dem Publikum vorgestellt.
Das hier ausgestellte Spektrum reicht von den frühen, provokant geometrisch-abstrakten Formen der Wiener Werkstätte
über die 1906/07 einsetzende, von klassizistischen Elementen und einer raffinierten vegetabilen Ornamentkultur
beherrschte Formensprache bis hin zu den Rokoko-affinen, atektonischen Kreationen Dagobert Peches.
Der dritte Schwerpunkt ist der Entwicklung vom Wiener Stil zum Internationalen Stil gewidmet. Datiert vom Ersten
Weltkrieg bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich, zeigen die Ausstellungsstücke
auf, wohin die Suche nach einem modernen Stil in Wien führt. Auch hier werden im Sinne einer tief gehenden
Kontextualisierung Wiener Produkten, unter anderem von Josef Frank und Oskar Strnad, internationale Objekte der
De-Stijl-Bewegung und des Bauhauses gegenübergestellt.
Die neuen Schausammlungsräume "Wien 1900. Design / Kunstgewerbe 1890-1938" bilden einen unentbehrlichen
Eckpfeiler für das neue, breitere Verständnis der Entwicklung einer zentraleuropäischen Moderne,
im Austausch zwischen Wien, den Metropolen Europas, den USA und den Kronländern der k. u k. Monarchie: Die
kreative wechselseitige Beeinflussung zwischen Wien, Böhmen und Mähren, die schon im Historismus begonnen
hatte, war auch in der Wiener Moderne des Secessionismus und Jugendstils fruchtbringend: Begabte AbsolventInnen
der Wiener Lehrinstitutionen - u. a. Josef Hoffmann, Leopold Bauer, Joseph Maria Olbrich, Jan Kotera - aus Böhmen,
Mähren und Schlesien wurden nach ihrer Ausbildung zu ArchitektInnen und EntwerferInnen für die Kunstindustrie,
die nicht nur in Wien, sondern auch in ihrer Heimat eine bedeutsame Rolle bei der Verbreitung des modernen Gestaltens
spielten. Auf dieser Basis konnte die "Wiener Moderne" zum Begriff werden.
Das MAK trägt diesen neuen Ansatz auch nach außen: Mit Unterstützung der EU entwickelt es in den
kommenden Jahren unter dem Titel "Spuren" eine zentraleuropäische Kulturroute zwischen Wien und
Brünn. Diese führt entlang der maßgeblichsten Bauten der Moderne und beinhaltet Orte mit Bedeutung
für das Wiener Geistesleben um 1900. Das MAK nutzt dabei seine seit 2006 bestehende Kooperation mit der Mährischen
Galerie im Josef Hoffmann Museum, um den Großraum Böhmen und Mähren-Niederösterreich-Wien
als einflussreichen Impulsgeber der Moderne wieder bewusst zu machen.
Die in Los Angeles lebende Künstlerin Pae White, mit der Gespräche über eine künstlerische
Intervention geführt wurden, hat in den Prozess der Neugestaltung "Wien 1900" wichtige Impulse eingebracht.
In der von ihr im Rahmen der ersten Stufe "Wien 1900" kuratierten und gestalteten Ausstellung "Darüber
Hinaus" behandelte sie Werke, die nicht eindeutig kategorisierbar sind und in der MAK-Sammlung wenig beleuchtet
werden. White wird im Oktober 2013 eine neue Serie von Gegenwartskunstausstellungen eröffnen, in denen - in
unmittelbarer räumlicher Nähe zur permanenten Schausammlung - das Thema "Wien 1900" in aktuellen
Arbeiten zeitgenössischer KünstlerInnen reflektiert wird. Ihre Ausstellung "ORLLEGRO" (MAK-Schausammlung
Gegenwartskunst, 9.10.2103-12.10.2014) wird vielfältige Dialoge mit Kunstgewerbe und Design um 1900 ermöglichen.
Anlässlich der Neuaufstellung "Wien 1900" erscheint die Publikation MAK/GUIDE WIEN 1900. Design
/ Kunstgewerbe 1890-1938 herausgegeben von Christoph Thun-Hohenstein, mit Beiträgen von Rainald Franz, Sebastian
Hackenschmidt, Barbara Karl, Peter Klinger, Kathrin Pokorny-Nagel, Elisabeth Schmuttermeier, Christoph Thun-Hohenstein,
Johannes Wieninger und Christian Witt-Dörring, deutsch/englisch, ca. 200 Seiten mit rund 100 Farbabbildungen,
MAK Wien / Prestel Verlag, München 2013. Erhältlich im MAK Design Shop um Euro 9,90.
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