Hochhauser: „Wenn den Lehrlingen alle Wege des Bildungssystems offen stehen, profitieren auch
unsere Betriebe“
Alpbach/Wien (pwk) - In einer Welt des globalen Wettbewerbs und schnellen technologischen Fortschritts ist
es unerlässlich, Arbeitskräfte bestmöglich auszubilden. Einige europäische Länder haben
höhere berufsbildende Systeme entwickelt, die Fachkräften eine „hochschulische Ausbildung“, die auf höhere
berufliche Positionen vorbereitet, ermöglichen. In Österreich wird das große Potential dieser Systeme,
die das traditionelle Hochschulwesen ergänzen, noch nicht ausgenützt. Im Rahmen der Alpbacher Perspektiven
2013 wurde im Arbeitskreis „Höhere Berufsbildung in Europa: Wie kommen wir voran?“ diskutiert, ob bestehende
Modelle nach Österreich übertragen werden könnten, um unser Bildungssystem flexibler zu machen.
„Dank der bedarfsnahen und praxisorientierten dualen Ausbildung verfügen Österreichs Unternehmen über
hervorragend ausgebildete Fachkräfte. Die heimischen Betriebe sind Ausbildungsweltmeister und unser Land hat
nicht zuletzt aufgrund dieses positiven Standortfaktors die Wirtschaftskrise besser überstanden als andere
Länder“, betonte WKÖ-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser.
Wegen der demografischen Entwicklung und des Trends zu höherer Bildung sei aber zu befürchten, dass sich
die Zahl der Lehrlinge in Zukunft signifikant verringert und Österreichs Wirtschaft ein Fachkräftemangel
droht. „Die Zahl der Lehranfänger droht in den nächsten Jahren von derzeit fast 40.000 auf 24.000 abzusinken.
Der Wirtschaftsstandort ist dadurch ernsthaft in Gefahr. Daher muss die Berufsbildung in Österreich weiterhin
attraktiv bleiben und gestärkt werden. Es bedarf auch einer Weiterentwicklung im hochschulischen Bildungssektor,
wie es das Konzept ‚Berufsakademie’ der Wirtschaftskammer vorsieht“, so Hochhauser.
Ziel der Berufsakademie ist, beruflich Qualifizierten und LehrabsolventInnen die Durchlässigkeit zu Weiterbildung
auf Hochschulebene zu ermöglichen. Das Studium soll vier Semester dauern und berufsbegleitend angeboten werden.
Durch die Kooperation einer Fachhochschule der Wirtschaft mit den WIFIs soll für Lehrabsolventen flächendeckend
die Chance geschaffen werden, direkt vor Ort ohne lange Anfahrtswege studieren zu können. Befragungen und
Studien haben ergeben, dass ein Potential von jährlich 5.000 bis 6.000 Studierenden besteht. „Das Studium
an der Berufsakademie soll privat finanziert werden und den Staat nicht belasten“, skizzierte die WKÖ-Generalsekretärin
die Vorteile: „Bereits 2014 soll der erste Lehrgang der Berufsakademie starten, langfristig verfolgen wir weiterhin
die Forderung eines weiterführenden Bachelor- und Masterstudiums.“
„Österreich hat traditionell ein wenig durchlässiges Bildungssystem, in dem die abgebende und nicht die
aufnehmende Institution entscheidet, welcher Bildungsweg dem Studierenden offen steht“, betonte Wissenschaftsminister
Karlheinz Töchterle. Hier sei eine Bewusstseinsänderung nötig, ein Kulturwandel sei bereits im Gange,
aber noch nicht weit gediehen. Weiters sprach sich auch Töchterle dafür aus, das Image der Lehre „werthaltiger“
zu machen. „Allerdings schafft ein Fünftel der Lehrlinge den Lehrabschluss nicht, weil die Grundkompetenzen
fehlen. Um dieses Fünftel müssen wir uns bemühen, damit sie die nötigen Fähigkeiten im
Schreiben, Lesen und Rechnen erreichen“, zeigte sich der Wissenschaftsminister besorgt, aber auch zuversichtlich,
„dass die Lehrerbildung Neu hier einiges bewirken wird.“
Gegenüber dem Modell der Berufsakademie, wie von Hochhauser vorgeschlagen, zeigte sich Töchterle aufgeschlossen.
Die Arbeitsgruppe im Ministerium, in der sowohl Hochschulvertreter als auch Sozialpartner vertreten sind, sei allerdings
noch zu keinem positiven Ergebnis gekommen. Für ihn sei das Thema jedenfalls noch nicht abgehakt, bekräftigte
der Wissenschaftsminister und versprach, sich in weiteren Sitzungen der Arbeitsgruppe persönlich einzubringen.
„Im österreichischen System gibt es tolle Ausbildungsmodule, wir stehen nicht schlecht da, könnten aber
die Allerbesten sein. Die Voraussetzungen dafür hätten wir“, betonte SPAR AG-Vorstand Friedrich Poppmeier:
„Auch für die Lehrabsolventen bei SPAR gilt: Professionelle Ausbildung ist ein wirtschaftlicher Schlüsselfaktor.
Unsere Lehrlinge müssen sich weiterbilden und ein Kundenverständnis entwickeln, um im Unternehmen aufsteigen
zu können.“ Der Bedarf für eine Einrichtung wie die Berufsakademie und ein Masterstudium Handelsmanagement
sei, so Poppmeier, jedenfalls da. Im Sinne einer optimalen Work/Life-Balance sei es auch wünschenswert, wenn
sich gut ausgebildete Mitarbeiter weiter entwickeln und die Fähigkeiten erwerben, um im Laufe ihres Arbeitslebens
verschiedene Aufgaben im Unternehmen zu übernehmen.
Landmaschinentechniker Helmut Scheidl, Goldmedaillen-Gewinner bei der Berufs-Europameisterschaft 2012 und im Alter
von 24 bereits mit dem Meisterbrief ausgestattet, zeigte sich begeistert von der Idee, dass Lehrabsolventen, die
einen Beruf „von der Pike auf gelernt haben“, jederzeit auch akademische Wege offen stehen, um sich beruflich weiter
zu entwickeln.
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