WissenschafterInnen der Uni Graz entdecken natürliches Mittel gegen Demenz
Graz (universität) - Probleme im Alltag, eingeschränktes Urteilsvermögen, Vergesslichkeit:
Demenz ist eine schleichende Krankheit, von der in Österreich rund 100.000 Personen betroffen sind. Verursacht
wird die altersabhängige Erkrankung nach aktuellem Stand der Forschung von verklumpten Proteinen, die sich
vermehrt im Gehirn ablagern und wichtige Funktionen einschränken. WissenschafterInnen der Karl-Franzens-Universität
Graz und der Freien Universität Berlin haben nun ein natürliches Mittel gegen Demenz entdeckt: „Die Zugabe
der körpereigenen Substanz Spermidin stoppt den Rückgang der Erinnerungsfähigkeit“, bestätigen
Univ.-Prof. Dr. Frank Madeo und Prof. Dr. Stephan Sigrist. Die aufsehenerregenden Ergebnisse wurden in der renommierten
Zeitschrift „Nature Neuroscience“ veröffentlicht.
In ihrer Studie untersuchten Frank Madeo vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Uni Graz und Stephan
Sigrist, Freie Universität Berlin, an Fliegenmodellen den im Alter zunehmenden Gedächtnisschwund. Daraus
lassen sich Rückschlüsse auf die Vorgänge im menschlichen Gehirn ziehen: „Tierische Organismen bilden
Erinnerungen auf ganz ähnlichen molekularen Wegen wie der Mensch ab“, erklären die Forscher. So wie beim
Menschen etwa ab dem 50. Lebensjahr ein langsamer Gedächtnisschwund einsetzt, wurde auch bei Fliegen derselbe
Vorgang beobachtet. Sigrist und Madeo suchten mit ihren Teams nach Substanzen, die dem entgegenwirken könnten.
Ein Molekül, dessen Anti-Aging-Wirkung bereits 2009 von Madeos Forschungsgruppe entdeckt wurde, galt als interessanter
Kandidat: Spermidin, eine Substanz, die nicht nur in der männlichen Samenflüssigkeit, sondern auch in
Soja, Grapefruits und Weizen enthalten ist, löst den zellulären Reinigungsprozess Autophagie aus. „Autophagie
räumt den in den Zellen angesammelten Müll, unter anderem auch verklumpte Proteine, auf und führt
sie dem zellulären Magen zu, wo sie aufgelöst werden“, erklärt Madeo. Die Zugabe von Spermidin minimierte
tatsächlich die Menge der Proteinabfälle in den Fliegenhirnen und schraubte so die Erinnerungsleistung
wieder auf ein jugendliches Niveau.
Möglich wurde die Messung von Spermidin in dieser Studie durch die enge Zusammenarbeit mit HAELTH – dem Institut
für Biomedizin und Gesundheitswissenschaften der JOANNEUM RESEARCH in Graz. Das ExpertInnenteam rund um Mag.
Dr. Christoph Magnes und Priv.-Doz. Dr. Frank Sinner entwickelte im High-end Massenspektrometrielabor von HEALTH
die notwendige analytische Methode zur Messung von Spermidin und führte die Messungen auch durch. Die ausgezeichnete
Kooperation mit der steirischen Forschungsschmiede – sowohl auf wissenschaftlicher als auch struktureller Basis
- erwies sich ein weiteres Mal als gewinnbringend.
„Sollte es gelingen, mit Spermidin als Nahrungsergänzung auch nur eine geringfügige Verzögerung
des Einsetzens von Demenzerkrankungen zu erreichen, könnte dies sowohl für Einzelne als auch für
die Gesellschaft insgesamt einen Durchbruch bedeuten“, hoffen Madeo und Sigrist. PatientInnen-Studien sind ihr
nächstes Ziel.
Publikation
Varun K Gupta, Lisa Scheunemann, Tobias Eisenberg, Sara Mertel, Anuradha Bhukel, Tom S Koemans, Jamie M Kramer,
Karen S Y Liu, Sabrina Schroeder, Hendrik G Stunnenberg, Frank Sinner, Christoph Magnes, Thomas R Pieber, Shubham
Dipt, André Fiala, Annette Schenck, Martin Schwaerzel, Frank Madeo & Stephan J Sigrist
Restoring polyamines protects from age-induced memory impairment in an autophagy-dependent manner
Nature Neuroscience, Advanced Online Publication, 1.9.2013, doi:10.1038/nn.3512
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