Aufgeboscht von der Almweide wieder im Tal
Ellmau (tvb) - Am Wilden Kaiser wird der Almabtrieb jedes Jahr zu einem großen Fest. Wenn die reich
geschmückten Kühe und ihre Senner in die heimatlichen Ställe ziehen, begrüßt besonders
Söll am 21. September die glücklichen ‚Heimfahrten‘ mit Musik und Marktständen. Schon die ganze
Woche davor leben in dem Kaiserort und beim Hexenwasser Almherbst alte bäuerliche Traditionen wieder auf.
„Beim ‚Ogrun‘ geht’s nochmal hoch her auf der Hütte“, freut sich Lotte Treichl, die Bäuerin von der Silleralm
an der Hohen Salve, auf den letzten Tag vor dem Abtrieb. So nennt man im Tiroler Unterländer Dialekt das Zusammenpacken
bei Musik und wehmütigen Abschiedsliedern, das durch häufige Schnapsrunden geschmiert wird. Denn am sprichwörtlichen
Zahltag, wenn der Bauer selbst auf die Alm kommt und den Senner für seinen Sommerdienst ausbezahlt, kann man
auch als Gast einige Stunden echtes Almleben genießen. Der Bäuerin dabei zusehen, wie sie die letzten
Papierrosen aus buntem Krepp an Wacholderzweige bindet und Kisten voller Kopfputz für alle Tiere ausbreitet.
Viele Abendstunden hat sie daran liebevoll auf dem Hof gesessen, nun dürfen die Kühe hochdekoriert damit
vom Berg trotten. Sie aber davon zu überzeugen, sich den Schmuck auch anlegen zu lassen, ist nicht immer ganz
einfach. Zwei der zwanzig Milchkühe haben im Sommer hier oben gekalbt. Die wenige Wochen alten Kälber
werden auch runter in den Stall gefahren, während alle anderen – Tier und Mensch – die etwa zweistündige
„Heimfahrt“, auch wenn sie so heißt, zu Fuß antreten. Vorher muss aber noch für jede „aufgeboschte“
Kuh die passende Glocke gefunden werden. Die Leittiere tragen eine große mit tiefem Ton und besonders schreckhafte
sollten auch besser keine „Woadglockn“ mit hohem Geläut umhängen haben, die sonst so typisch auf den
Weiden schon von weitem zu hören sind. Die Bevölkerung von Söll feiert die Heimkehrer der Silleralm
und der übrigen Almen der Region am Samstag mit Blasmusik und einem großen Volksfest im Dorf. An Bauernständen
entlang der Einmarschroute gibt es zünftige Kost wie Speck und Käse, dazu frische Milch und Hochprozentiges.
Und auf die Tiere wartet daheim im Stall schon reichlich frisches Heu!
Bereits die ganze Woche vor dem traditionellen Viehtrieb kann man auf dem Hexenwasser in Hochsöll bei alltäglichen
Aufgaben eines Bergbauern auch einmal selbst Hand anlegen oder lernen, typisch Tiroler Schmankerl zuzubereiten.
Da werden Sensen geschliffen und dann der Berghang gemäht, Almzäune geflochten oder ein Reisigbesen gebunden.
Auf der Stöcklalm kann man sein eigenes Bauernbrot backen, in der Holzknechtsölde echtes Almmus kosten
und auf der Hohen Salve zuschauen, wie die Kiachl zubereitet werden. Immer wieder sorgt ein musikalischer „Hoagascht“,
ein Musikantentreffen, für Stimmung am Berg und beim Hochsöller Almererfest wird den ganzen Tag bei den
Hütten aufgespielt.
|